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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Tödlicher Unfall, Wasserlandung nach Steilspirale

Tödlicher Unfall mit einem Gleitschirm Pro Design Relax 36, am 05.01.02 in Monaco/ Roquebrune

Am 05.01.02 verunglückte der 33 -jährige Gleitschirmpilot Udo Rödel tödlich. Er war Teilnehmer einer Fliegerreise, die von einer deutschen Flugschule organisiert worden war. Am Unfalltag, dem letzten Tag der Reise, stand Thermikfliegen vom Mont Gros (Monaco -Roquebrunn) mit Landung am Strand auf dem Programm der Teilnehmer. Zwei Fluglehrer, je einer an Start -und Landeplatz, betreuten die Piloten. Das Trainieren von Flugmanövern über dem Meer war nicht vorgesehen.

Pilot

Udo Rödel flog seit 1998 Gleitschirm, den B -Schein erwarb er im Jahr 2000. Er war fliegerisch regelmäßig aktiv und nahm sehr häufig an betreuten Fliegerreisen teil. In den Tagen vor dem Unfall trainierte Udo Rödel bereits mehrfach selbständig das Ein -und Ausleiten von Steilspiralen.

Unfallablauf

Nach einem kurzen Thermikflug bei schwachen Aufwindbedingungen, flog der Pilot mit ca. 400 Meter GND über das Meer hinaus. Über Funk fragte er beim Fluglehrer am Landeplatz an, ob er über dem Wasser einige Manöver trainieren könne. Der Fluglehrer gestattete dies, wies ihn aber an, keine "wilden" Flugmanöver zu trainieren. Udo Rödel leitete daraufhin eine Steilspirale ein. Nach ca. 4 Umdrehungen schaltete sich der Fluglehrer über Funk ein und forderte den Piloten mehrmals auf, die Steilspirale auszuleiten. Dies gelang nicht, ca. 20 Meter über dem Meer löste der Pilot den Rettungsschirm aus, der jedoch nicht mehr öffnete. Udo Rödel verlor wahrscheinlich beim Aufprall auf dem Wasser das Bewusstsein und ertrank. Die Retter fanden ihn bewegungslos im Meer treibend, mit dem Kopf unter Wasser. Da keine Wasserrettung vorbereitet war, dauerte es ca. 10 Minuten bis der Pilot geborgen werden konnte. Die sofort eingeleiteten Wiederbelebungsmaßnahmen blieben erfolglos.

Wetterbedingungen

Es herrschten problemlose Flugbedingungen, das Wetter hatte keinen Einfluss auf den Unfall.

Fluggerät

Gleitschirm

Der Verunglückte flog einen Pro Design Relax 36, Baujahr 1998, DHV -Klassifizierung 1-2 GH. Bereits mehrfach wurden mit diesem Gerät Probleme bei der Steilspirale gemeldet. Im Sommer letzten Jahres kam es zu einem glücklicherweise folgenlosen Unfall. Einem Piloten, Teilnehmer an einem Performancetraining, gelang, trotz Fluglehrer am Funk, die Ausleitung einer stabilen Steilspirale über mehrere hundert Höhenmeter nicht. Der Spiralsturz endete in einem Baum, der Flieger blieb fast unverletzt.

Bei den Gütesiegeltests zur Zulassung der Relax -Serie im Jahr 1997, trat die Tendenz dieses Gerätes zum Nachdrehen in der Steilspirale deutlich auf. Im Gütesiegelprotokoll wurde mit folgender Anmerkung zur Flugsicherheit darauf hingewiesen: "Erhöhtes Nachdrehverhalten bei Sinkgeschwindigkeiten über 12 m/Sek". Zum damaligen Zeitpunkt gab es in den Bauvorschriften für Gleitschirme noch keine Regelung zur Bewertung von erhöhtem Nachdrehen bzw. stabilen Weiterdrehen in der Steilspirale. Das Verhalten der Relax in diesem Flugmanöver bei den Gütesiegeltest, war der Anlass zur Einführung der seitdem gültigen Bauvorschrift zum Nachdrehverhalten:

Bei Gleitsegeln der Klassen 1, 1-2 und 2 darf bei Sinkwerten bis 14m/s keine stabile Steilspirale auftreten.Wenn über dem oben angegebenen Wert eine stabile Steilspirale auftritt erfolgt eine Bewertung nach folgenden Kriterien:

- keine Beschleunigung, einfach kontrollierbare Sinkgeschwindigkeitund einfache Ausleitung Bewertung: min:1 max: 1-2

- keine Beschleunigung, Sinkgeschwindigkeit ohne Anstrengung des Piloten kontrollierbar und ohne Anstrengung des Piloten ausleitbar Bewertung: 2

- Beschleunigung möglich, Kontrolle der Sinkgeschwindigkeit anspruchsvoll Bewertung: min: 2-3 max: 3

Mit seinem anspruchsvollen Verhalten beim Nachdrehen, würde der Relax 36 nach den gültigen Bauvorschriften in diesem Punkt mit der Klassifizierung 2 bewertet werden.

Gurtzeug

Der verunglückte Pilot verwendete ein Gurtzeug mit Frontcontainer. Auch im zweiten oben geschilderten Fall (Absturz in die Bäume) war vom Piloten ein Frontcontainer -Gurtzeug geflogen worden. Gleitschirm und Gurtzeug dieses Unfalls wurden vom DHV -Testpiloten Reiner Brunn nachgetestet. Er stellte dabei, gegenüber dem Gütesiegelverhalten, eine deutlich erhöhte Tendenz des Relax 36 zum Nachdrehen in der Steilspirale fest. Dieses Verhalten zeigt sich jedoch nur in Verbindung mit dem Unfall -Gurtzeug. Die Untersuchung zeigte, dass der nachgerüstete Frontcontainer am Gurtzeug mit einer engen 4 -Punkt -Fixierung befestigt war. Dies ergab eine mäßige Kreuzgurtwirkung, ( siehe Abbildung) diese führt bekanntermaßen zu erhöhten Problemen bei der Ausleitung von Steilspiralen durch "einloggen" in die Kurvenseite und eingeschränkter Möglichkeit der Gewichtsverlagerung zur Gegenseite. Weitere Test zeigten, dass auch handelsübliche Frontcontainer -Gurtzeuge mit einer starren oder zu wenig flexiblen Fixierung des Frontcontainers von der genannten Problematik betroffen waren.

 

Sicherheitshinweise

Flugmanövertraining über Wasser ohne eine gut organisierte, sehr schnelle Wasserrettung ist lebensgefährlich !! Die Erfahrungen von Sicherheitstrainingsveranstaltern zeigen, dass ein gewasserter Pilot bereits nach 2 Minuten ernsthafte Probleme bekommen kann. Moderne Protektoren entwickeln so viel Auftrieb, dass der gewasserte Pilot durch Schwimmbewegungen aktiv einem Umdrehen in die Bauchlage entgegenarbeiten muss. Bei Bewusstlosigkeit oder anderweitiger Passivität des Piloten (z.B. durch ein Verwickeln der Arme in den Leinen) ist das Umgedrehtwerden nicht zu verhindern ! Bei stärkerem Wind oder Wellengang verschärft sich die Problematik dramatisch.

Eine Schwimmweste gehört bei Trainingsflügen über Wasser zu den wichtigsten Ausrüstungsgegenständen. Professionelle Sicherheitstrainings verwenden z.T. ohnmachtsichere Automatik-Schwimmwesten, die beim Fliegen nicht behindern und sich bei einer Wasserlandung sekundenschnell selbständig aufblasen.

Ohne auftriebstarken Rückenprotektor ist die Gefahr des Ertrinkens nach einer Wasserlandung wesentlich geringer. Die deutsche Flugbetriebsordnung sieht bei Flügen über Wasser eine Ausnahme von der generellen Rückenschutzpflicht vor. Allerdings muss gut abgewogen werden zwischen dem Risiko einer problematischen Wasserlandung und einer Gefährdung des Piloten durch einen möglichen Unfall über Land ohne schützenden Protektor.

Piloten, die Gurtzeuge mit Frontcontainer verwenden (insbesondere nachgerüstete) sollten am aufgehängten Gurtzeug überprüfen, ob bei eingehängtem Frontcontainer ( Pilot in der Flugposition) eine Veränderung der Geometrie der Gurte zu beobachten ist. Ein deutliches Entlasten des normal eingestellten Brustgurtes und/ oder das Zusammenziehen (nach innen) der Gurtverbindung die von der Karabineraufhängung zum Sitzbrett führt, ist ein Hinweis auf eine zu enge Frontcontainerbefestigung.

Videodokumentation

(3.099KB) (870KB)

(Wasserlandung mit Airbag)

 

Karl Slezak

Sicherheitsreferent