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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Veränderte Flugeigenschaften bei Hängegleitern durch regennasse Tragfläche

Wassertropfen auf dem Drachensegel können das Flugverhalten stark negativ beeinflussen.

Die Auswirkungen sind von Gerät zu Gerät unterschiedlich stark ausgeprägt und hängen insbesondere auch von dem verwendeten Segelmaterial ab.

Einfachsegel mit Dacronsegel, also ohne Mylarbeschichtung auf dem Segeltuch, sind von dieser Problematik in der Regel gar nicht betroffen, wohingegen Hochleister mit Mylar-Anstömkante und Obersegel fast immer betroffen sind.

Auf den glatten, nicht saugenden Materialien bilden sich durch die Oberflächenspannung Tropfen. Diese stören die Aerodynamik derart, dass vereinfacht gesagt:

1. Der Auftrieb abnimmt

2. Der Widerstand zunimmt

3. Die Trimmgeschwindigkeit zunimmt

Das bedeutet die Mindestgeschwindigkeit nimmt zu, das Sinken nimmt zu, die Gleitleistung geht in den Keller und der Drachen erweckt den Eindruck, als habe er kein Pitch up mehr, da er von sich aus eine höhere Trimmgeschwindigkeit einnehmen möchte, die man ihm auch gewähren muss.

Problematisch wird es also immer, wenn viel Auftrieb benötigt wird, nämlich

1. Beim Start

2. Beim Kurvenflug

3. Bei der Landung

Außerdem kann man dadurch in Schwierigkeiten kommen, dass man mit der schlechteren Gleitleistung nicht mehr dahin kommt, wo vielleicht ursprünglich anvisiert.

Die Mindestgeschwindigkeit kann sich ohne weiteres um 30% erhöhen, entsprechend drastisch wirkt sich das bei steilen Kurven aus.

 

Abhilfemaßnahmen

1. Ist am Start schon abzusehen, dass man beim Fliegen eventuell in einen Schauer geraten könnte kann man den Drachen mit Geschirrspülmittel einseifen. Dass Spülmittel nimmt die Oberflächenspannung und es kommt zu keiner Tropfenbildung.

Der Effekt hält natürlich nur solange bis das Spülmittel vom Regen runtergewaschen ist.

2. Auf keinen Fall mit Tropfen auf der Anströmkante und dem Obersegel starten. (abwischen, mit Spüli einseifen)

3. Durchfliegen von Schauern möglichst vermeiden

4. Ist der Drachen beim Fliegen nass geworden kann man versuchen die Tropfen durch Schnellflug wegzublasen. Das geht natürlich nur wenn noch genügend Höhe vorhanden ist und man sich nicht mehr im Regen befindet.

5. Dem nassen Drachen die höhere Trimmgeschwindigkeit erlauben, also auf keinen Fall mit Gewalt die Basis an der sonst üblichen Stelle halten, ein Stall wäre die Folge.

6. Enge Kurven vermeiden, insbesondere in Bodennähe und bei der Landeeinteilung. Generell lieber zuviel als zu wenig Fahrt halten.

7. Falls es am geplanten Landeplatz regnet besser eine Außenlandung im Trockenen durchführen.

8. Sich nicht durch andere Piloten die munter im Regen weiterfliegen in Sicherheit wiegen, wie oben erwähnt gibt es Geräte denen Regen praktisch nichts ausmacht.

9. Last but not least, abgedroschen aber auch hier gültig. Im Zweifelsfall auf den Flug verzichten

Zum Schluss noch ein Phänomen welches recht selten in der Praxis vorkommt, und wenn, dann zur kalten Jahreszeit: Eisansatz am Drachen. Zueinanderpassende Luftfeuchtigkeit und Temperatur können Eisansatz hervorrufen auch ohne dass es regnet! Der Eisansatz bildet sich jedoch nicht nur auf dem Flügel, sondern auch auf den Trapezrohren und den Verspannungen, welche der Pilot im Blickfeld hat. Bei Eisansatz an irgendwelchen Teilen müssen sofort alle Alarmglocken läuten und man sollte schleunigst tiefer gehen bzw. landen. Die aerodynamischen Auswirkungen sind in etwa die gleichen wie bei Regentropfen, und Eisansatz kann es auch auf Dacronsegeln geben.

Die ganze Problematik betrifft übrigens auch Segelflieger.

Bei manchen Segelflugzeugen reduziert sich z.B. die Gleitzahl mit Tropfen auf der Tragfläche von ursprünglich 45 auf 20!

Selbst Mückenbefall wirkt sich bei den verwendeten Profilen und Geschwindigkeiten schon messbar negativ auf die Flugleistung aus.

Christof Kratzner

DHV/OeAeC Technikreferat