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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Kreislaufbelastung und Stress

Das man beim Drachen- oder Gleitschirmfliegen einer gewissen Stressbelastung ausgesetzt ist kennt jeder der selbst fliegt. Welche Folgen dies für den Kreislauf hat, und das dies für den „alten Hasen“ immer noch gilt ist den meisten Piloten nicht bewusst.

Bereits 1984 hat Alberto Maria Lanzone selbst Drachenflieger in seiner Dissertation „Die Auswirkungen des Drachenflugs auf den menschlichen Organismus“ Messungen dazu durchgeführt. Er schrieb dazu: „Keine andere Sportart - weder Fallschirmspringen noch Autorennfahren – bringt dem Körper so viel Stress wie das Drachenfliegen: Adrenalin bis ans Limit, Herzfrequenz bis 98% des theoretischen Maximalwertes ...“. Lanzone konnte Katecholaminspitzenwerte im Urin von Drachenfliegern feststellen die in der Nähe von Werten lag, die bei einem Phäochromozytom (eine Tumorerkrankung des Adrenalinproduzierenden Nebennierenmarks) vorliegen.

Gómez-Huerga stellte 1988 beim Drachenkunstflug Herzfrequenzen bis 200 pro Minute sowie einen Noradrenalin- und Lactat-Anstieg im Blut fest.

Dass dies auch für Gleitschirmflieger gilt, wies Ingo Tusk 1995 in seiner Dissertation nach. Dabei nehmen die Stressmarker im Blut (Katecholamine) während der Ausbildung kontinuierlich ab. Sie sind aber nach der Landung meist am höchsten (Noradrenalin Serumspiegel bis 15,3 nmol/l). So ein Gewöhnungseffekt findet sich auch beim Blutdruck und der Herzfrequenz. Tritt jedoch während des Fluges eine Gefahrensituation auf, erreicht auch der Profi wieder Herzfrequenzen über 180 pro Minute. Interessanterweise finden sich während eines längeren Fluges dauerhaft Herzfrequenzen zwischen 110 und 130 pro Minute die bei Profis im Vergleich zu Anfängern sogar etwas höher lagen.

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Abbildung links: Aus der Dissertation von Ingo Tusk 1995 eine Aufzeichnung der Herzfrequenz während eines Gleitschirmfluges.

Diese Spitzen- und Dauerbelastungen des Kreislaufes sind nicht zu unterschätzen, zumal ihnen keine adäquate Muskeltätigkeit zugrunde liegt. Plötzliche Todesfälle beim Sport treten mit einer Häufigkeit von 1/100.000 auf. Bei den über 35-Jährigen dominiert in diesen Fällen die koronare Herzkrankheit als Todesursache (Raschka 2002). Piloten mit einer solchen Vorbelastung sind also auch hier gefährdet.

In der Unfallstatistik des DHV finden sich jedoch nur einige wenige Unfälle, bei denen Hinweise auf eine Herz- oder Kreislauferkrankung als Unfallursache nachzuweisen sind. Nicht ganz geklärt ist die Situation bei Steilspiralen oder Kunstflugmanövern, die zu einer erheblichen Mehrbelastung des Kreislaufes führen können. Piloten mit einer Herz-Kreislauferkrankung oder dem Verdacht darauf sollten sich vor diesem Hintergrund einer entsprechenden Untersuchung durch ihren Arzt und einem Belastungs-EKG unterziehen.

 

Dr. med. Eckhart Schröter

Verbandsarzt des DHV

(1/2004)

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Literatur

• Gomez-Huerga O, Blanc D, Decombaz J, Guignard T, Moesch H; Observations hormonales et elektrocardiographiques au cours de vols delta acrobatiques et doubles. (Hormonal and electrocardiographic studies in acrobatic and passenger hang-gliding flights) 1988 Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin 36,1:21-28

• Lanzone AM; Die Auswirkungen des Drachenflugs auf den menschlichen Organismus. 1984 Auszüge aus der Dissertation im Drachenfliegermagazin 2/88: 35

• Raschka C, Parzeller M; Akuter Myokardinfarkt beim Sport. 2002 Sporthorthopädie-Sporttraumatologie 18: 275-276

• Tusk I; Sportmedizinische Aspekte des Gleitschirmfliegens. 1995 Dissertation an der Johann Wolfgang Goethe – Universität - Frankfurt am Main