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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV
26.07.2006

Sackflug wegen Regenschauer


Am Sonntag, 23.Juli 06 ereignete sich im Fluggebiet Ebenalp/CH ein schwerer Gleitschirmunfall. Eine erfahrene Pilotin war durch einen kurzen Schauer geflogen, als eine Wolke überraschend abregnete. Unvermittelt ging ihr Schirm (DHV 1-2) in einen Dauersackflug über. Die Standard-Sackflugausleitungen (A-Gurte vordrücken, Beschleunigen) brachten den Schirm nicht in den Normalflug zurück. Die Pilotin entschloss sich zu einer Landung im Sackflug auf einer steilen Wiese. Kurz vor dem Boden muss sie dabei wohl versehentlich leicht die Bremsen betätigt haben. In ca. 2 Meter Höhe kippte der Schirm in den Fullstall. Beim Aufprall zog sie sich eine schwere Lendenwirbel-Trümmerfraktur zu, glücklicherweise ohne neurologische Ausfälle.

Das Phänomen Sackflug mit nassem Schirm ist seit einiger Zeit bekannt. Wir wissen auch, dass verschiedene Schirme stark unterschiedlich reagieren. Es gibt Geräte, die auch bei starker Durchfeuchtung noch relativ normal fliegen. So berichteten Streckenflieger davon, dass sie unter der Basis einer ausregnenden Wolke munter weiter aufgedreht haben, ohne eine Veränderung des Flugverhaltens an ihrem Gleitschirm festzustellen.

Andere Berichte lassen darauf schließen, dass manchmal bereits geringe Wasseraufnahme zu einer erhöhten Sackflugtendenz führen kann. So wurde bspw. im vorletzten Jahr ein Flugschüler bei einer Sackfluglandung verletzt. Er war nur wenige Minuten in sehr leicht einsetzendem Regen geflogen. Auch im aktuellen Fall wurde der Regenschauer als leicht und wenig ergiebig beschrieben. Die herbeigeeilten Helfer fanden den Schirm bereits trocken vor.

Vom Windenschlepp ist bekannt, dass bereits leicht feuchte, keineswegs durchfeuchtete Schirme (nasse Wiese) erhöhte Sackflugtendenzen zeigen.

Ein Muster, welche Geräteklassen stärker und welche weniger stark betroffen sind, ist nicht zu erkennen. Vorfälle wurden mit Geräten aller Klassen bekannt. Das Alter des Schirmes dürfte eine Rolle spielen, da stärker abgenutzte Tücher mehr Wasser aufnehmen als neue. Im jüngsten Fall war der Schirm jedoch neuwertig.

Wichtig ist, dass sich Gleitschirmpiloten dieser möglichen Problematik bewusst sind. Bei einsetzendem Regen während des Fluges aus Sicherheitsgründen den Schauerbereich sofort verlassen. Nicht unnötig stark anbremsen, keine Manöver mit erhöhtem Anstellwinkel fliegen (Ohrenanlegen), wenn es die Flugbedingungen erlauben, beschleunigt fliegen. 

Sollte eine Landung im Dauersackflug erforderlich sein, bewusst nicht bremsen. Instinktiv will man bei Bodenannäherung genau dies tun um die hohe Sinkgeschwindigkeit vermeintlich zu verringern. Im Dauersackflug bedeutet aber bereits eine wenige Zentimeter tief gezogene Bremse einen Stall und damit einen unkontrollierten Absturz.

In größerer Höhe kann man sich auch zur Auslösung des Rettungsschirmes entschließen. Vorteil: Die Gefahr, dass der Gleitschirm in Bodennähe unkontrolliert reagiert, z.B. aus dem Sackflug mit Vorschießen anfährt oder wegen geringstem Anbremsen ein- oder beidseitig stallt, bleibt bei einer Sackfluglandung immer. Die Sinkgeschwindigkeit am Rettungsschirm ist bei richtig gewählter Größe in der Regel geringer als im Dauersackflug. Die in der Schweiz verunglückte Pilotin berichtete von –6 m/s.

Weitere Informationen zu diesem Thema in einem bereits etwas älterem Artikel hier.

Karl Slezak
Sicherheitsreferent