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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Tödlicher Unfall, Steilspirale außer Kontrolle

Tödlicher Gleitschirmunfall in Kössen

Eine deutsche Pilotin starb im August 2002 bei einem Gleitschirmunfall in Kössen. Nach Augenzeugenberichten spiralte die Fliegerin mit hoher Geschwindigkeit in den Boden. Sie starb wenig später auf dem Weg ins Krankenhaus.

Pilotin

Die 47-Jährige Pilotin war Inhaberin eines österreichischen Sonderpilotenscheines und hatte mehrjährige Flugerfahrung. Erst kurze Zeit vor dem Unfall war sie von ihrem bisherigen Schirm, einem Nova Philou mit Klassifizierung 1, auf den Sigma 4 mit Klassifizierung 2-3 umgestiegen. Mehrere Fliegerfreunde und ein Fluglehrer hatten ihr davon abgeraten, weil sie ihre Flugerfahrung für einen Hochleister als nicht ausreichend einschätzten. Wenige Tage vor dem tödlichen Unfall überstand die Piloten einen Absturz nach Einklapper unverletzt.

Unfallablauf

Nach Aussagen der Zeugen hat die Pilotin Steilspiralen trainiert. Dabei kam es in einem Fall zu einer unkontrollierten Ausleitung. Der Schirm geriet stark ins Pendeln und klappte großflächig ein. Anschließend kam es zu einem Spiralsturz über ca. 100 - 200 Höhenmeter bis zum Aufschlag auf dem Boden.

Einer der Augenzeugen flog in ca. 80 Meter Entfernung an der spiralenden Pilotin vorbei. Nach seiner Aussage zeigte sie keinerlei Reaktionen, sie befand sich in so deutlicher Gewichtsverlagerung zur Kurvenseite, dass an der Mitte der Schirmkappe ein ausgeprägter "Knick" zu sehen war. Der Flügel war an der Kurvenaußenseite leicht eingeklappt, ein Zeichen für unkontrolliertes Spiralen ohne Stabilisierung durch die kurvenäußere Bremse. An der Flügelinnenseite war der Schirm vollständig offen, ein Verhänger lag also nicht vor.

Was war geschehen?

Vermutlich führte der starke Einklapper zum Abkippen der Pilotin im Gurtzeug zur Kurvenseite. Nach der Wiederöffnung blieb sie passiv in dieser Position. Begünstigt wurde dies noch durch die Verwendung eines extrem tief aufgehängten Wettkampf-Liegegurtzeuges. Durch die Dynamik der Drehbewegung des vorangegangenen Einklappers hatte der Schirm bereits viel Schräglage und Geschwindigkeit. Die Gewichtsverlagerung in Kurvenrichtung und das passive Steuerverhalten der Pilotin führten dann dazu, dass der Schirm die Drehbewegung trotz offener Kappe fortsetzte und in einen Spiralsturz geriet.

Ein fast identischer, ebenfalls tödlicher Unfall ereignete sich im Frühjahr 2001 in Bassano mit demselben Fluggerät. Auch hier hatte der Schirm nach einem starken Einklapper, der nach einer Umdrehung wieder vollständig offen war, bis zum Aufschlag spiralt. Nachzulesen hier.

Sicherheitshinweise

Das DHV- Technikreferat weist darauf hin, dass das beschriebene Verhalten keineswegs untypisch für einen Schirm dieser Klassifizierung (DHV 2, beschleunigt 2-3) ist. Betroffen sind insbesondere Schirme, die sensibel auf Gewichtsverlagerung reagieren, nach seitlichen Einklappern überdurchschnittlich weit vorschießen und dabei in eine ausgeprägte Drehbewegung geraten. Dies ist bei vielen Gleitschirmen der Klassifizierung 2 und höher der Fall.

Das Sicherheitsreferat erinnert:

Der Umstieg von einem Gleitschirm der Klassifizierung 1 auf einen Hochleister mit Klassifizierung 2-3 ist ein unakzeptables Sicherheitsrisiko.

Bei einem großen Einklapper mit einem Schirm höherer Klassifizierung muss eine Pilotenreaktion erfolgen. Im vorliegenden Fall hat die völlige Passivität der Pilotin in den Spiralsturz geführt. Ein leichter Impuls zu Aufrichten der Kappe, durch Anbremsen oder Gewichtsverlagerung zur Mitte, hätte den Spiralsturz ziemlich sicher beendet.