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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Corinnas Rekordjagd in Brasilien 2017

Abenteuer Brasilien

Corinnas Sky

Nach erfolgreicher WM war es verlockend, meinen Drachen gleich in Brasilien bei Freunden zu lassen. In Deutschland ging die Saison zu Ende, ausserdem musste ich ohnehin soviel arbeiten in kürzester Zeit, dass ich gar keine Zeit zum Fliegen gehabt hätte. Also fix meine Arbeit erledigt, und auf ins neue Abenteuer! 

11. Oktober - Flug nach Brasilien

Schon im letzten Jahr bat mich meine Freundin Claudinha Ribeiro, sie mal in Bahia zu besuchen. Eigentlich hatte ich vier Wochen ganz im Nordosten geplant, Pernambuco, Rio Grande do Norte und Ceara, aber nur an einem Ort zu sein, wäre ja langweilig. Am Tag vor meiner Abreise in Deutschland meldete sich ein sehr engagierter Drachenfluglehrer aus Brasilia bei mir und verkündete, er hätte Einfachsegel-Drachen und Gurtzeug für mich, da er einen Streckenflugkurs hauptsächlich für Frauen in genau der Ecke geplant hat, in der Claudinha wohnt. Ich bin also nur mit Helm und Gepäck erst nach Sao Paulo für einen Tag, dann weiter nach Salvador, wo ich schon von Nino erwartet wurde, kurzfristig von Claudinha organisiert. Wenn man bei uns eine Reise in zwei Stunden macht, dauert es in Brasilien den ganzen Tag! Allein die Fahrt zu einem Flughafen in diesen Mega-Cities kann einen Stunden und Nerven kosten… Morgens um 10.00 Uhr in Sao Paulo los, abends um 20.30 Uhr in Santa Teresinha angekommen. 

13. Oktober - Einfliegen mit dem Einfachsegler

Der Oststart Buquerao ist nur 450m hoch, aber da meistens ein recht starker Wind bläst, kann man sich gut halten. Schönste Cumuli scheinen dort jeden Tag am Himmel zu hängen, also ging es auf in meinen ersten Streckenflug mit einem Einfachsegler! Gar nicht so einfach, bei einem Wind von 25 km/h auf eine bessere Linie zu wechseln! Aber in erster Linie war ich damit beschäftigt, Kate ein paar schöne Thermiken zu zeigen. 

Die Landschaft ist zwar recht flach, aber ich hatte keine Ahnung, welche der vielen unbefestigten Strassen für Rückholung geeignet sind, also bin ich Betinhos Rat gefolgt und immer an der Zugtrasse entlanggeflogen. Nach etwa 50km erwischte ich ein blaues Loch und entschloss mich aus Sicherheitsgründen, bei einem Gleitschirm zu landen. Riesiges, flaches Feld in the middle of nowhere, nur ein paar Bäume. Bäume? Die Bäume waren alle mit riesigen Dornen bewaffnet, denn es steht alles voller Kakteen! Ich war froh über meine vorsichtige Entscheidung und versuchte, meine Rückholer zu kontaktieren. Kein Empfang. Kiko nahm mich mit zur nächsten Siedlung, wo es tatsächlich eine Mini-Bar und ein funktionierendes Telefon gab. Ein altes Handy, an eine grosse Antenne angeschlossen. Ich erreichte meine Freundin, und sie gab die Nachricht, wo ich war, weiter an meine Rückholer. Derweil unterhielt ich mich bestens in meinem gebrochenen Portugiesisch mit den freundlichen Bewohnern - besonders die Kinder freuten sich über die ganzen merkwürdigen Sprachen, die ich sprechen konnte ;) 

15. Oktober - Teamwork

Als nächstes durfte ich Karla in der Luft einweisen. Sie hat erst 10 Flüge, aber fliegt Thermik wie der Held! Nach unserer Landung haben wir erstmal ausgiebig diesen wunderbaren Tag gefeiert. Schliesslich wurde Claudinha noch Dritter in der Gesamtwertung der Baianischen Meisterschaft und damit Baianische Meisterin im Gleitschirmfliegen. Was für ein wunderbares Team!

16. Oktober - Reisetag

Wieder ein kompletter Reisetag. Von Santa Teresinha ging es nach Salvador, und über Recife nach Natal. Hier wurde ich von Marcelinho erwartet,  gut  meinen Drachen und Gurtzeug verwahrt hat. Alle Vorbereitungen sind getroffen, heute Abend fahren wir raus nach Tacima. In die Gegend, wo eine Schweizer Gruppe Gleitschirmflieger um Chrigel Maurer dieser Tage sehr weit geflogen ist! 

17. Oktober - Vorbereitung 
In Natal ging ich nochmal in einem großen Supermarkt einkaufen, denn ich erwarte nicht die große Auswahl für Vegetarier in einer ländlichen Gegend wie im Outback von Paraiba. Outback ist ein passender Begriff, denn es erinnert vieles an Australien! Die schöne Landschaft, die Weite, freundliche, hilfsbereite Menschen - bloss die Sprache ist etwas anders. Abends kamen wir in Tacima bzw Araruna an, und Marcelinho hat mich im örtlichen Hotel einquartiert. Der Besitzer Edvaldo ist sozusagen für alles hier der Ansprechpartner. Er steuert nicht nur diese Unterkunft, sondern auch das angehörige Restaurant, ist Vorsitzender der örtlichen Tourismusbehörde und kennt wirklich jeden hier. Und ist sich auch nicht zu schade, für die vielen, flugverrückten Drachen-und Gleitschirmflieger höchstpersönlich morgens vor 6 Uhr das Frühstück zuzubereiten!!! 

18. Oktober - Die Gegend erkunden
Meinen ersten Flug nutzte ich, um mich in der Gegend einzugewöhnen. Starts bei etwa 35km/, in Böen auch deutlich drüber, sind hier normal. Gut, dass ich das Dünenflugtraining in Australien hatte! Direkt hinter dem Start gibt es eine weitere Ridge, an der man aufsparen kann, aber danach kommt etwa 20km Hochplateau mit vielen Canyons und wenigen Lademöglichkeiten. Geschenkt bekommt man hier nichts! Um 8.30 Uhr morgens ist die Basis auch noch nicht so hoch, dass man sich beim Überflug wirklich gut fühlt… ich hab das auf den zweiten Tag verschoben.

 

19. Oktober - die ersten Streckenflüge
Der Tag fing deutlich besser an, alle stellten sich auf einen weiten Flug ein. Camelbak, Varios, Fruchtriegel, Startmeldung, alles war vorbereitet. Dank meiner begabten Starthelfer gelang mir ein perfekter Start. Ich wartete, bis ich wirklich an der Wolkenbasis war, und bin mit einer Wolke über das Hochplateau gedriftet. Aber selbst danach gab es immer wieder kilometerweise hügeliges Buschland, das bei dem starken Wind nicht wirklich einladend aussah.

Zum Glück ging es unter den Woken fix dahin. Bis etwa um 10.00 plötzlich die Woken ausbreiteten und ich umkehrte, um auf einem sicheren Feld zu landen. Die „Hecken“ sind hier allerdings schwer bewaffnete Kakteen. Den Wind halten sie wunderbar ab, generieren aber auch kräftige Rotoren… Als die Farmer mich meinen Helm abnehmen sahen, fingen sie schallend an zu lachen. „E uma Senhora!!!“ Sie haben noch nie eine Frau gesehen, die fliegt! Schön, dass sie so leicht zu unterhalten sind :) Nachdem ich meinen Drachen abgebaut hatte, liessen sie es sich nicht nehmen, mir Gurt und Drachen zum Weg vorzutragen. Und luden mich gleich in ihre Hütte ein. Sie war sehr bescheiden, aber sauberer als meine eigene Wohnung. Die Menschen haben wenig, aber sind sehr achtsam und stolz auf das wenige. Und sie bieten einem das allerbeste an, was sie haben! Sehr warmherzige Menschen.

Als sie mich fragten, ob ich vom Himmel gefallen sei, antwortete ich nur, nein, ich bin gelandet und habe nur am Ende ein wenig Staub gegessen. Wieder schallendes Gelächter - und ich war glücklich, dass mein Portugiesisch für diesen kleinen Witz gereicht hatte!

20. - 22. Oktober - schlechtes Wetter
Auch in Brasilien kann es regnen und stürmen. Man muss hier der Dinge harren und einige Geduld mitbringen. Ab morgen soll es wieder besser aussehen. In der Zwischenzeit habe ich mich in die lokale Fauna und Flora einweisen lassen und herausgefunden, dass es hier sowas wie Brennnesseln gibt, nur viel fieser: Hortiga!!! Bloss nicht anfassen, das kann zu schlimmen Allergien führen! Beim Fotografieren eines Kolibrinestes hat mir der Stachel von so einem Teil durch die Kleidung gestochen. Zum Glück tat der Arm nur weh, ist aber nicht angeschwollen wie bei Falko, einem Fliegerkollegen. Drückt uns die Daumen, die folgenden Tage sehen recht vielversprechend aus!

 

23. Oktober - der erste Rekordversuch
Für heute war der erste rekordverdächtige Tag angekündigt. Die Gleitschirme starteten schon vor 6 Uhr morgens - und sind abgesoffen. Zweiter versuch dann um 7.00 Uhr lief besser. Leider verhielten sich weder Basis noch Steigwerte wie vorhergesagt. Stattdessen zogen Zirren rein, und die Wolken darunter breiteten sich aus, schirmten alles ab. Egal, der Wind war da, und ich beschloss um kurz nach 8 zu starten und in der Luft zu warten auf bessere Bedingungen. Meine drei Mitflieger ebenso. 

Leider wollte es nicht besser werden, und als dann auch noch Regen herangezogen kam, beschloss auch ich, bei Konrad und Thalis neben Tacima zu landen. Die Luft war dafür heute voller Urubus, lauter coole, brasilianische Geier sind mit mir geflogen. Die hätten sicher weniger Probleme, mit nur 300m über Grund ein nicht sehr landbares Hochplateau zu queren, aber für und Drachen war das heute nichts. Zurück am Hotel trafen wir auch schon alle Gleitschirmflieger und liessen uns deren Heldengeschichten berichten, wie sie in tiefsten Tiefen über das Plateau geackert sind. Aber viel weiter sind auch sie nicht gekommen. Morgen dann! Der Geduldmodus bleibt an.

 

24.-26. Oktober - kaputter Randbogen

Voller Hoffnung sind wir bei jedem Wetter an den Start gefahren. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass der Wind laut durch die Bäume rauscht und das Hotel, in dem ich versuche zu schlafen, nachts laut pfeift durch die Windgeräusche. Ohne Oropax geht hier wirklich nichts! Entweder der Wind, oder die Party in irgendeinem Nachbarhaus, der Caipirinha-Mixer im Zimmer nebenan, die mit riesigen Lautsprechern bestückten Autos, die mit Werbeslogans alle Gassen beschallen, oder der 24stündige Schrei-Wettkampf der Hähne… wenn hier wirklich einmal Ruhe wäre, würde den Brasilianern sicher etwas fehlen ;)

Bei einer Landung in Passa e Fica hat mich kurz über dem Boden eine Böe erwischt und ich habe mir den Randbogen geknickt. Zum Glück hat Konrad ein ganzes Moyes-Ersatzteillager in seinem Auto und hat mir kurzerhand einen Ersatz organisiert! Also wieder an den Start, neuer Versuch. Der Drachen fliegt wunderbar geradeaus. Testflug erfolgreich, leider trotzdem nicht sehr weit. Langsam halte ich es für ein Gerücht, dass das Weitfliegen hier so einfach sein soll…

Ich lande neben einer Farm, deren Besitzer aussieht wie Compay Segundo. Wer sich an den Buena Vista Social Club erinnert, weiss wen ich meine. Seine Familie und er haben sichtlich Freude an meinem unerwarteten Besuch. Während ich auf meinen Rückholer warte, bietet der Herr mir an, doch auf seiner Farm bei ihm zu bleiben. Er sei Witwer und würde sich über meine Gesellschaft freuen. Höflich bedanke ich mich für das Wasser und sage ihm, dass ich noch einige Projekte hier vorhabe, bevor ich mich irgendwo niederlassen könnte. Lachend verabschieden wir uns von den humorvollen Leuten und fahren zurück nach Tacima. 

 

27.-29. Oktober - Ausflug ans Meer 

Zwei Tage Regen, tiefe Wolken, Zirren oberhalb. Also schlägt David vor, ans Meer nach Mamanguape zu fahren, wo er einen Tandemdrachen liegen hat. Einfach mal spielen in der angenehmen Meeresluft, wo wir an einem unendlich langen Strand komplett alleine sind, ist wirklich erholsam! 

Voll motiviert gehe ich danach wieder in Tacima an den Start. Schon früh morgens sieht es gut aus, ich mache mich bereits vor 8 Uhr morgens startbereit. Ich stehe schon im Gurtzeug, als David an hektisch an einem Ast herumschnitzt. Erst jetzt begutachte ich meinen Drachen genauer, denn ich hatte vollstes Vertrauen in meinen Assistenten, der normalerweise meinen Drachen gewissenhafter auf- und abbaut als ich selber. Leider hat er eine Segellatte auf der Farm von Compay Segundo liegen gelassen - und baut mir gerade einen Ersatz! 

Mit einem mulmigen Gefühl starte ich raus und bin überrascht, dass der Drachen nur ganz leicht nach rechts zieht, ansonsten aber fliegt wie immer. Es geht flugs über die Canyons des Hochplateaus, immer den Wolken entlang, die endlich mal zuverlässig funktionieren. Zumindest bis zum Ende vom Plateau. Danach bin ich wohl irgendwie falsch abgebogen, denn von der letzten Thermik aus ging es im Direktflug auf den Boden. 

Nach einer sauberen Landung habe ich keine Zeit, mich selbst zu Bemitleiden, dass der Flug schon wieder kaum zwei Stunden gedauert hat. Ich bin sofort von dem ganzen Dorf umringt und stelle fest, dass es hier wohl tatsächlich auch matriacharle Gesellschaften gibt :) die Mädchen und die Frauen stellen mir Fragen, wollen alles übers Fliegen wissen, und springen begierig in mein Trapez, als ich frage, wer mal versuchen möchte, meinen Drachen zu heben! Als ich zusammengepackt habe, weisen sie einige Männer an, wie sie den Drachen zur Strasse zu tragen zu haben. Bis zur Ankunft meines Rückholers werde ich weiter gelöchert, über Gott und die Welt, über Fliegen und mein Leben in einer anderen Welt. Sehr umsichtig befestigen sie gleich eine Hängematte in der Veranda für mich, damit ich es bequem habe beim Warten. Viele der Mädchen gehen schon auf die höhere Schule und möchten auch mal mehr von der Welt sehen. Als ich ins Badezimmer komme, hat weder die Toilette noch das Waschbecken einen Wasseranschluss… 

Von dem Dorf der starken Frauen aus geht es weiter nach Santa Cruz, um meine Segellatte zu suchen. Compay Segundo ist sichtlich erfreut über meinen erneuten Besuch und versucht wieder, mich zum Bleiben zu überreden. Auch dieses Mal muss ich ihn leider enttäuschen! Zum Glück haben wir die Segellatte wohlbehalten bergen können, und das Carbon hat es auch ausgehalten, als ich meinem Helfer aus Spass eins drübergezogen habe für seine Verträumtheit. 

 

30. Oktober - toller Tag - Ergebnis unbefriedigend

Ein Traumhimmel erwartet uns, als wir morgens um 7 Uhr an den Start kommen. Endlich sieht es mal richtig gut aus! Ich bin dankbar für Davids Hilfe beim Drachenaufbau, denn ich bin mit den Vorbereitungen für Varios, Tracker, Funk, Kameras, Wasser verstauen, Fruchtriegel an die Steuerbügel kleben, Startmeldung ausfüllen doch vollbeschäftigt. Schon vor acht gehe ich an den Start. Diesmal wieder mit meinem Originaldrachen zum Glück! 

Nach einem wunderbaren Take off finde ich gleich ein wenig Thermik und merke, dass deutlich weniger Wind ist als die Vortage. Frech fliege ich zur nächsten Wolke vor - und sie funktioniert überhaupt nicht. Keine Geier in Sicht… oje. Oh WEH! Der Start hat nur etwa 240m über dem Landeplatz. Und ich habe glatte 20 Minuten an diesem Tag in der Luft verbracht. Manchmal fällt es schwer, sich über eine perfekte Landung zu freuen, wenn der Blick auf die anderen drei Piloten an den Himmel einen an seinen eigenen Fähigkeiten zweifeln lässt. 

Egal. Heute Abend kommen weitere, gute Freunde hier in Tacima an, ab morgen fliegen wir zu siebt, und die Wettervorhersagen sehen gut aus!

31. Oktober - Ruhetag

Mein Fahrer und Sportzeuge David hat beschlossen, nach Quixada zu fahren, um Konrad unterwegs einzusammeln. Damit hatte ich an diesem Tag weder Fahrer noch Sportzeugen. Da das Wetter eh nicht so einladend aussah, habe ich einen Ruhetag eingelegt und bin Rosenquarze sammeln gegangen. 

 

1.- 2. November - Küstenfliegen

Zwei Tage mit tiefer Basis und fast ohne Wind. Wir fahren an die Küste zum Fliegen. Leider ist auch hier am zweiten Tag fast kein Wind. Also gehen wir runter zum Strand und machen einen Spaziergang bis zur Lagune. Ich dachte, wir könnten rüberlaufen, aber das Wasser ist zu tief und die Strömung zu stark. Ich habe geschickterweise mein Handy in der Hand und kann nicht rüberschwimmen. Zu weit zum Werfen… Zum Glück rettet mich ein Fischer und setzt mich mit seinem Boot über. Mittlerweile waren unsere Freunde vom Startplatz nämlich schon auf dem Landweg zur Lagune. Eine traumhafte Gegend! 

 

3. November - Magenverstimmung

Zum ersten Mal hat es mich erwischt - mir ist übel und schwindelig. Vielleicht zuviel Sonne am Vortag, vielleicht lag es an der Tomatenscheibe, die ich am Strand vom Teller der anderen gegessen habe, oder das Wasser in der Lagune, in der ich geschwommen bin, war nicht sauber. Auf jeden Fall war für mich Ruhetag angesagt, gar nicht an fliegen zu denken. Dabei dachte ich, ich hätte einen Magen mit Stahlwand, denn ich bin bisher noch nie in der Welt wirklich so krank geworden, dass ich nicht hätte fliegen können. 

Ich verfolge die anderen per Spot Tracker und helfe ihnen mit Positions-Locations für die Rückholung. Keiner kommt ins Ziel an diesem Tag.

 

4. November - 259 km

Ich fühle mich wieder gut zum Glück. Fit und zuversichtlich gehe ich an den Start, denn der Tag sieht perfekt aus für den grossen Flug. Wäre da nicht wieder eine Schikane ins Spiel gekommen - die Jungs haben den Schlüssel zur Startrampe verbummelt! Statt gleich die Drachen über den Zaun zu tragen, fahren sie wild hin und her und suchen. Mit dem einzigen Erfolg, dass wir erst anfangen mit dem Aufbauen, als wir an anderen Tagen schon längst in der Luft waren. Zuviel für mein deutsches, durchgeplantes Gemüt! „Tranquilo - bleib gelassen“ ist ihre Antwort… Ich hab ja notfalls noch morgen. 

Als ich endlich in der Luft bin, brauche ich ein wenig, um mich zu beruhigen. Es geht schleppend los, aber da wir später unterwegs sind, ist die Basis schon auf 1400m, als wir das Plateau überqueren. Zum ersten Mal traue ich mich auch weiter Richtung Lagoa Nova. Die wildesten 25km, die ich je überquert habe. Nicht nur keine Landeplätze, sondern lauter rotorverseuchte Hügel mit Kaktusbäumen… Nur nicht nach unten schauen! 

Nach dem Plateau geht es ganz gut weiter, endlich etwas mehr Arbeitshöhe. Aber auch danach sehen die Lademöglichkeiten nicht wirklich einladend aus. 

Es geht zusammen mit Alipio weiter bis Apodi, wo er kurz vorher landen muss. Ich hätte noch ein wenig weiterfliegen können, aber dann wäre die Rückholung wesentlich langwieriger geworden, und ich wollte lieber einen ganzen Tag am nächsten Tag haben. Und 6 Stunden und 259km haben mir auch gereicht für einen Übungstag. Nach meiner Landung dann die nächste Hiobsbotschaft - da Alipio und ich die zweitweitesten des Tages sind, sollen wir mit dem Auto weiter nach Quixada fahren und dort übernachten!!! Ich drehe am Rad - das würde bedeuten, dass ich am nächsten Tag keine Chance mehr auf den Rekord bekomme. 

Über WhatsApp bettel ich, dass wir doch noch abgeholt werden. Konrad stellt fest, dass er nur 55km von mir entfernt ist. In Windeseile baue ich den Drachen zusammen und springe in seinen Wagen, ebenso Alipio. Zwei Rückholer haben wir schon im Auto, Dann sammeln wir noch Marcelinho und Joao unterwegs ein - und falten uns zu siebt in Konrads Auto zusammen. Für dreieinhalb Stunden Fahrt. 

Um 21.10 Uhr kommen wir endlich in Araruna an. Es war anstrengend, aber so hatte ich wenigstens die Chance auf noch einen letzten Flugversuch.

 

5. November (405 km Zielflug und 407 km freie Strecke)

Bei unserem Frühstück um 6.00 Uhr morgens wird diskutiert, dass wir heute die Zelte abbrechen in Araruna und alles ins Auto laden. Ein Auto ist in Quixada und wird von dort losfahren, das andere fährt in Araruna los, beide treffen sich in Assu, wo wir alle übernachten werden.Ein schöner Plan, den ich gerne am Abend vorher gekannt hätte, denn ich habe Sachen für 4 Wochen dabei und hätte gern in Ruhe gepackt. Egal, als Flugbegleiter bin ich gewohnt, in Windeseile die Koffer zu schliessen und wieder abzureisen. 

Also alles ins Auto und mit 6 Leuten an den Start. Wieder verspätet, weil wir ja alle noch unsere Rechnungen bezahlen mussten. Konrad hat das Auto wie ein professioneller Tetris-Spieler komplett zugepackt. 

Aufbauen, Startmeldung ausfüllen, Spots an, Fotos machen, Funktest, Fruchtriegel an den Steuerbügel kleben, Camelbak-Check, Vario-Check, und los gehts! Ich starte als erste, warte aber auf alle anderen, denn die Basis ist wieder recht niedrig. Zusammen fliegen wir übers Plateau und haben Spass, dass wir alle das gleiche Ziel vor Augen haben! Mit Marcelinho und Thalis quere ich das Lagoa Nova Plateau und treffe Alipio auf der anderen Seite. Es ist einfach das schönste, wenn man einen Grossteil des Fluges mit Freunden unterwegs ist! 

Erst kurz vor Apodi hängen mich die beiden ab, als ich eine Thermik nicht richtig erwischt habe. Es ist schon recht spät, um noch 150km zu fliegen, aber ich versuche trotzdem, weiterhin die besten Wolken anzufliegen. Dass ich jemals in Quixada ankomme, habe ich eigentlich nicht mehr geglaubt, aber ich wollte einfach nur zu einladenderen Landefeldern in der Ferne kommen. In der Ferne angekommen, habe ich plötzlich richtig nette Thermik gefunden, und ein paar Wolken Richtung Kurslinie. Auch der Wind hat wieder aufgefrischt und auf Rücken gedreht - vielleicht schaffe ich es doch noch?

Etwa 20km vorm Ziel steht die Sonne schon recht tief, und die Gegend ist schwer zu erkennen, denn das Licht blendet. Weil man über einen riesigen See fliegen muss!!! Wirklich? Endanflug über einen See in einer Hügellandschaft??? Nach kurzem Zweifel, ob ich hier richtig bin, setze ich den Gleitflug fort. Meine Gleitzahl wird zunehmend besser, langsam werde ich zuversichtlicher! Plötzlich klingelt mein Flytec, und ich bin am Ziel meiner Träume! Mit genügend Höhe, um noch etwas übers Ziel hinaus zu fliegen, für die freie Strecke. Juatama! Alipio, Marcelinho und Macae stehen schon unter mir auf dem Quixada-Landeplatz und funken mir den Wind zu. 

Mit letzter Kraft lande ich nach 8.45 Stunden. Nicht eine meiner schönsten Landungen, aber ich bin heilfroh, es geschafft zu haben! Zwei Weltrekorde neu aufgestellt, 405km Zielflug und 407,8 km freie Strecke! Mit grosser Begeisterung werde ich im Ziel empfangen und gleich mal in die Luft geworfen! Zum Glück helfen mir alle, den Drachen abzubauen. 

Oben im Hotel in Quixada essen wir mit unglaublich schöner Aussicht, und mit einem fetten Grinsen im Gesicht! Begeistert werde ich von jeder Menge Deutschen, Schweizern und Amerikanischen Piloten gefeiert! Michael Gebert tippt mir auf die Schulter und gratuliert, auch Verena Siegel aus der Rhön ist dort, und noch ein Highlight - endlich treffe ich Jeff Shapiro mal wieder! Unerwartet tolle Überraschungen, so viele vertraute Gesichter im Brasilianischen Outback zu sehen! 

Und wie zivilisiert - ich darf durch den wunderbaren Swimming Pool pflügen und meine Flugmuskeln wieder sortieren, eine heisse Dusche gibt mir das Gefühl, sauber in unser wieder überfülltes Auto steigen zu können. Wir haben unverhofft noch einen weiteren Mitfahrer bekommen, denn Patrick Collin war auch nach Quixada geflogen, aber sein Flugkollege Thalis hat das Rückholauto in Beschlag genommen. Also quetschen wir uns wieder zu viert auf die Autorückbank. Aber auch diese Stunden werden vorübergehen… Um 1.30 Uhr morgens kommen wir in Assu an, und ich falle tot ins Bett, kann aber kaum schlafen. Vor lauter Aufregung, aber auch, weil mir das Bein schmerzt von der eingequetschten Fahrt ;) alles egal, Hauptsache über 400km geflogen :)))

 

6. November

Es geht weiter nach Natal, wo ich anfange, die ganze Papierarbeit zu erledigen, um meine Flüge offiziell als neue Rekorde einzureichen. Alles sieht recht gut aus. Ich freue mich, die Rekorde in dieses wunderschöne Land zu bringen! Chico Santos ist begeistert, und wie Jörg immer wieder „Bronzeeeee“ gerufen hat nach unserer WM, grinsen wir und werfen uns immer wieder „400!!!“ zu. 

Kaum zu glauben, dass ich es nach so vielen Schikanen doch noch geschafft habe! 

Danke für Euer Interesse - wir sehen uns in zwei Wochen auf der DHV-Jahreshauptversammlung!