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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Unfallstatistik 2000 Gleitschirm

1. Unfallzahlen

Im Jahr 2000 wurden insgesamt 122 Unfälle und Störungen , davon 6 mit dem Doppelsitzer (Vorjahr 5) von deutschen Gleitschirmpiloten im In -und Ausland gemeldet. Damit liegt die Zahl der Meldungen in ähnlichem Rahmen wie 1998 und 1999. Beim Vergleich der Jahres- Unfallzahlen ist stets der einschränkende Faktor der Dunkelziffer zu beachten. Je glimpflicher ein Unfall verlaufen ist, desto wahrscheinlicher wird er nicht gemeldet. An dieser Stelle möchte ich erneut alle Piloten bitten, jede Störung und jeden Unfall mit dem Gleitschirm an den DHV zu melden. Absolute Vertraulichkeit ist garantiert. Nur mit Kenntnis des größten Teils des Unfallgeschehens ist eine vernünftige Analyse und darauf basierende Sicherheitsmaßnahmen möglich.

 

2. Unfallquote

Die absolute Zahl der Unfallmeldungen hat für sich genommen noch wenig Aussagekraft. Ein genaueres Bild ergibt sich bei Betrachtung der relativen Zahlen, also der Unfallquote gemessen an der Zahl der Piloten.

 

Jahr(1.1.)  Anzahl Luft-fahrerscheineAnzahl Unfälle Quote in %Anzahl Schwer-verletzteQuote in %Anzahl tödl. VerletzteQuote in %
1997162961661,01%820,50%100,061%
1998183311270,69%740,40%80,043%
1999200911160,58%650,32%70,035%
2000219431220,56%790,36%90,041%

 

 

3. Unfallursachen

Über 90% aller Gleitschirmunfälle sind selbstverschuldet. Die Hauptursachen sind, Fehleinschätzung der Wind- und Wettersituation und Mangel an Erfahrung bzw. Pilotenfehler. Unfälle durch Fremdverschulden (z.B. Kollision) oder versagender Technik (Leinenrisse, fehlerhafte Trimmung, Probleme mit dem Windenschleppgerät ) sind selten und mit deutlich weniger als 10% am Unfallgeschehen beteiligt.

 

 

3.1. Folgen fehlerhafter Wetterbeurteilung

Falsche Einschätzung der Wettersituation ist die häufigste Ursache insbesondere für schwere oder tödliche Unfälle. Dabei werden vor allem die Auswirkungen von Wettereinflüssen auf das Flugverhalten des Schirmes verkannt. Meist summiert sich ein Einschätzungsfehler noch mit mangelnder Gerätebeherrschung. In dieser Rubrik sind deshalb die Unfälle nach seitlichen oder frontalen Einklappern, bedingt durch turbulente Flugbedingungen aufgeführt. In der Praxis ist eine Zuordnung der Unfälle nach Einklappern in eine konkrete Ursachenschublade schwierig. Ursache für die Störung ist meist eine nicht erkannte, oder aber bewußt in Kauf genommene Wettergefahr (Lee, Föhn, turbulente Thermik etv.), Ursache für den Unfall fast immer mangelnde Gerätebeherrschung. Abtreiben ins Lee durch zu starken Wind mit Hindernis-berührung und Baumlandungen in Abwindbereichen sind weitere typische Folgen von fehlerhafter Wettereinschätzung.

 

3.1.1. Einklapper

Die Anzahl der gemeldeten Unfälle nach Einklappern (41) ist im Vergleich zum Vorjahr (33) wieder angestiegen. 35 Unfälle ereigneten sich nach seitlichen Einklappern. In den meisten Fällen (19) war fehlende oder ungenügende Korrektur bzw. extremes, nicht korrigierbares Wegdrehen des Schirmes, besonders in Bodennähe, nach dem Einklappen der Unfallgrund. 7 Piloten übersteuerten den Schirm nach dem Einklappen mit der Gegenbremse und provozierten damit einen Strömungsabriß. In zwei Fällen schoß der Schirm dabei so extrem nach vorne, dass die Piloten in die Kappe stürzten.

8 Fälle von seitlichen Verhängern mit Spiralsturz, meist über mehrere 100 Höhenmeter wurden gemeldet. (Vorjahr 5) Erstmals betraf diese extrem gefährliche Flugsituation auch Schirme der Klasse 1-2 (2 Vorfälle).

Trotz richtiger Pilotenreaktion auf einen seitlichen Einklapper verunglückten 4 Piloten, einer davon schwer, einer tödlich. Dabei kam es zur Hindernisberührung mit dem stabilisierten Schirm oder zur Bodenberührung durch das erhöhte Sinken.

Frontales Einklappen war der Grund für 7 Unfallmeldungen. In 3 Fällen war dabei ein stabiler Frontklapper Ursache für den Absturz, jeweils mit Schwerverletzten. 2 Piloten überbremsten den Schirm nach dem Frontklapper, mit der Folge eines Strömungsabrisses, in einem Fall kam es zur Bodenberührung nach der selbständigen Wiederöffnung des Schirmes.

Die Unfälle nach Einklappern verteilten sich auf alle Geräteklassen: 1 und 1 GH: 1 Meldung, 1-2 und 1-2 GH: 12 Meldungen, 2 und 2 GH: 13 Meldungen, 2-3 und 2-3 GH: 10 Meldungen, 3: 1 Meldung, Prototyp oder ausländische Zertifizierung: 4 Meldungen.

28 der 35 Unfälle nach Segeleinklappern (ohne Verhänger) ereigneten sich bei einem Boden – bzw. Hangabstand von weniger als 50 Metern. Diese Tatsache verdeutlicht einmal mehr das Risiko von hangnahem Fliegen bei turbulenten Bedingungen.

 

3.2. Übersteuerung

In dieser Rubrik sind die Unfälle erfasst, die durch provozierte Strömungsabrisse, (Trudeln, Sackflug), Fehler beim Extremflug und Fehler beim Schnellabstieg (Steilspirale, B- Stall,) verursacht wurden. Häufigste Einzelursache: Sackflüge oder Stalls durch beidseitiges zu starkes Anbremsen, meist im Landeanflug und Trudeln (Negativdrehen), durch einseitiges Überbremsen des Schirmes. Stabile Steilspiralen forderten ein Todesopfer und einen Schwerverletzten.

Mit 14 Meldungen ist hier eine rückläufige Tendenz zu den Vorjahren (1999: 18 Meldungen) festzustellen.

 

3.4. Hindernisberührung

Zur Hindernisberührung kommt es im Abflug, beim hangnahen Fliegen am Relief, (Soaren) und am häufigsten bei der Landeeinteilung. Bei Kollisionen mit Felsen starben im Jahr 2000 zwei Piloten, einer verunglückte tödlich nachdem er in eine Starkstromleitung geflogen war.

Baumlandungen sind relativ häufig, nehmen jedoch meist einen glimpflichen Ausgang.

Die Zahl der diesbezüglichen Unfallmeldungen (17) bewegt sich auf dem Niveau der Vorjahre (1998 und 1999, je 15 Meldungen)

 

3.5. Startfehler

Hineinsetzen ins Gurtzeug bevor der Schirm trägt, - mit anschließender Bodenberührung, Überschießen und Einklappen des Schirmes, Stolpern und Straucheln beim Startlauf - dies sind die Hauptfehler, die meist aufgrund mangelnder Übung des Piloten, zu Unfällen im Startbereich führen.

Mit 23 Meldungen ist eine deutliche Zunahme der Unfälle im Startbereich zu verzeichnen. ( Vorjahr 15 Meldungen)

 

3.6. Fehler Landeeinteilung und Landung

21 Meldungen (Vorjahr 14) betreffen den Bereich Landeeinteilung und Landung. Besonders oft mißlingt die Landeeinteilung bei schwierigen Flugbedingungen (starker Wind, thermische Ablösungen, Turbulenzen). Auch Außenlandungen in unbekanntem oder schwierigen Terrain bergen ein hohes Unfallrisiko. Bei der Landung selbst sind die Hauptfehler; zu spätes Aufrichten, Überbremsen des Schirmes, Hindernisse , Sturz bei der Landung.

3.7. Fehler Startvorbereitungen

Im Jahr 2000 wurde kein Unfall von deutschen Piloten gemeldet, (in A einer mit Schwerverletzten) der durch offene Beinschlaufen verursacht worden ist. Der "klassische" Fehler bei den Startvorbereitungen, verknotete Leinen bleiben unbemerkt, führte zu 3 Unfällen (Vorjahr 4), 2 davon mit Schwerverletzten. In allen drei Fällen geriet der Schirm in eine Drehbewegung, verursacht durch die verknoteten Leinen, die von den Piloten bis zum Aufprall nicht zu stoppen war.

 

3.8. Kollision mit Luftfahrzeug

4 Kollisionen Gleitschirm -Gleitschirm wurden im Berichtszeitraum gemeldet. Dabei verletzte sich ein Flieger schwer, weil die von beiden Piloten ausgelösten Rettungsschirme nicht mehr rechtzeitig vor dem Aufprall auf dem Boden öffneten. Gleiches überstanden zwei andere Piloten weitgehend unverletzt, weil sie in steiles Wiesengelände stürzten. Alle gemeldeten Kollisionen ereigneten sich in stark beflogenen Geländen. Ein Drachenflieger meldete 3 Beinahe- Zusammenstöße mit Gleitschirmen innerhalb 15 Minuten, teilweise mit Berührungen der Fluggeräte, am Treh, einem vielbeflogenen Fluggelände in Frankreich.

 

3.9. Unfälle beim Windenschlepp

7 Unfallmeldungen betrafen die Startart Windenschlepp. In 5 Fällen war ein Sackflug am Seil die Unfallursache. Lediglich zwei Unfälle (1998 und 1999 ebenfalls jeweils 2 Meldungen) wurden in Zusammenhang mit dem Windenschlepp- Equipments gemeldet. In einem Fall war ein Seilriß Auslöser für starkes Vorschießen der Kappe und, nach Fehlreaktion des Piloten, einen anschließenden unkontrollierbaren Flugzustand. Der Pilot überstand den Absturz dank seines Rettungsschirmes unverletzt. Im zweiten Fall führte eine Seilüberwurf an der Winde, verursacht durch einen Fehler des Windenfahrers zum Unfall mit sehr schweren Verletzungen des Piloten.

 

3.10. Technik Fluggerät

Zwei der beim Windenschlepp genannten Unfälle nach Sackflug am Seil wurden durch fehlerhafte Trimmung der Schirme verursacht. Leinenrisse oder sonstiges Versagen von Bauteilen des Gleitschirmes, wurden im Jahr 2000 nicht gemeldet.

 

4. Rettungsschirmauslösungen

6 erfolgreiche Rettungsschirmöffnungen wurden im Jahr 2000 gemeldet. Dabei blieben 4 Piloten unverletzt, während einer, bei der Landung am Rettungsschirm im felsigen Gelände schwere Verletzungen am Becken erlitt. Ein anderer brach sich bei der Landung das Handgelenk. In 5 weiteren Fällen öffnete der Rettungsschirm nicht mehr rechtzeitig vor dem Aufprall auf dem Boden, weil die Auslösung in zu geriner Höhe erfolgte. 4 Schwer -und ein 2 Leichtverletzte (Tandem) waren die Folge.

 

5. Unfallfolgen

Die Anzahl der Wirbelverletzungen (48) ist wieder deutlich angestiegen (Vorjahr 38).

Auffällig ist jedoch, dass fast die Hälfte dieser Verunfallten noch zusätzliche Verletzungen, meist an einem Bein oder am Becken erlitt. Das deutet darauf hin, dass der Aufprall auf den Boden nicht senkrecht sondern seitlich erfolgte, eine Position, in welcher der Rückenprotektor weitgehend unwirksam bleibt. Zusätzliche wirksame Seitenprotektoren könnten die Verletzungsschwere beim seitlichen Aufprall (meist aus einer Drehbewegung, z.B. nach einem Einklapper) mindern.

In einem Fall führte die Wirbelverletzung zur Querschnittlähmung; der Pilot hatte keinen Rückenschutz verwendet.

 

6. Tödliche Unfälle

1. Der Pilot will am Hang des Fluggeländes soaren. Nach einiger Zeit bemerkt er, dass die verbleibende Höhe für einen Anflug zum Landeplatz nicht mehr ausreicht und will auf halber Hanghöhe einlanden. Dabei übersieht er eine Stromleitung und fliegt direkt in diese hinein. Er stirbt noch an der Unfallstelle an seinen schweren Verbrennungen.

2. Boeiger Ostwind und teilweise am Startplatz aufliegende Wolkenbasis. Der 72-jährige Pilot ist bereits seit einiger Zeit in der Luft als er, durch Einfliegen in die Wolke, die Orientierung verliert und gegen eine Felswand prallt. Er verstirbt noch an der Unfallstelle.

3. Start am Nebelhorngipfel bei turbulenten Bedingungen. Leesituation durch hochreichenden Talwind. Nach längerer Flugstrecke klappt der Schirm großflächig ein, und verhängt, ca. 200 Meter abspiralen ohne Pilotenreaktion bis zum Aufschlag in felsigem Gelände. Pilot ist sofort tot.

4. Nach dem Start, Einfliegen in sehr starke Thermikablösung, die den Schirm extrem verlangsamt. Einklapper recht, Spiralsturz knapp eine Umdrehung bis zum Aufschlag. Pilot erleidet lebensgefährliche Verletzungen und stirbt nach Helibergung einige Stunden später im Krankenhaus.

5. Klapper von 50% bei ca. 100 Meter Hangabstand. Nach 90° Grad Wegdrehen Stabilisierung durch den Piloten. Anschließend Kurskorrektur nach links vom Hang weg. Seitliche Kollision mit einem Baum, die Leinen der linken Seite verfangen sich in den Ästen und deformieren den Schirm. Spiralsturz in das sehr steile felsdurchsetzte Gelände. Die gesamte Sturzhöhe betrug 200- 300Meter.

6. Steilspirale die vom Piloten nicht mehr ausgeleitet werden konnte. Mit voller Geschwindigkeit in einen Laternenmasten spiralt und tödlich verletzt worden.

7. Großflächiger Einklapper während eines Streckenfluges. Anschließendes Trudeln. Bis zum Aufschlag gelingt es dem Piloten nicht, sein Gerät unter Kontrolle zu bringen. Er verstirbt an der Unfallstelle durch Genickbruch.

8. Lt. Polizeibericht, Einklapper von über 50% und Spiralsturz bis zum Aufschlag. Pilot stirbt noch an der Unfallstelle an seinen schweren inneren Verletzungen.

9. Beim Hangsoaren fliegt der 65-jährige Pilot ohne jede Reaktion mehrere hundert Meter geradeaus auf eine Felswand zu und kollidiert mit dieser und zieht sich dabei tödliche Verletzungen zu. Ursache vermutlich Bewußtlosigkeit, Herzanfall oder Schlaganfall.

 

7. Weitere statistische Angaben

7.1. Unfallverteilung nach Geschlechtern

Der Unfallanteil von weiblichen Piloten ist etwas höher als der Frauenanteil der DHV-Mitglieder (9%).

 

7.2. Unfallverteilung nach Scheinarten

A-und B-Schein-Piloten sind praktisch zu gleichen Teilen in der Unfallstatistik vertreten. Die auf den ersten Blick hohe Prozentzahl der Schulungsunfälle erklärt sich mit den strengen Vorschriften zur Unfallmeldung für Flugschulen.

 

7.3. Unfallverteilung nach Flugerfahrung.......

 

.................und dem Jahr der Scheinerteilung