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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Sicherheitstest von Gleitschirmen der Klassen LTF A und LTF B - Teil 1

 
Text: Karl Slezak
Videos: Reiner Brunn, Harry Buntz
Fotos: Reiner Brunn, Björn Klaassen, Ben Liebermeister

„Vertraue auf Allah, aber binde Dein Kamel an“, diese muslimische Weisheit legt uns nahe, bei allem Gottvertrauen den eigenen Verstand nicht zu vergessen. Für Einsteiger und Wenigflieger gehört dazu, bei der Auswahl seines Fluggerätes besonders sensibel zu sein. Groß sind die Unterschiede hinsichtlich des Anspruchs ans Pilotenkönnen bereits in den „zielgruppengerechten“ Klassen LTF A und LTF B, das ist bekannt. Wie groß die Spanne wirklich ist und vor allem, wie geeignet für Piloten, die wenig in die Luft kommen, aktuelle A- und B-Schirme sind, wollten wir wissen.Wir haben dazu 16 verschiedene Modelle getestet. Dabei haben wir die Geräte besonders darauf geprüft, welchen Anspruch sie an den Piloten in den bekannten Haupt-Unfallszenarien, Einklapper, Steilspirale und Starthandling stellen. Daneben wurde geprüft, wie praktikabel die Schnellabstiege Ohrenanlegen und B-Stall sind. Die Flugtests wurden von den DHV-Testpiloten Reiner Brunn und Harry Buntz durchgeführt. Die Flüge wurden mit GoPro-Onboard und Bodenkamera gefilmt und auf Datenloggern (siehe Infokasten) aufgezeichnet. Tech-Admin für das komplexe technische Equipment war der Dipl. Ing. Peter Wild. Zwei volle Tage am Übungshang mit den Fluglehrern Babsi Lacrouts, Björn Klaassen, Ben Liebermeister und Karl Slezak brachten ca. 300 Starts und einen fundierten Überblick über die Starteigenschaften der Testgeräte.

Geräteauswahl
Wir wollten die ganze Bandbreite der Klassen A und B erfassen. Deshalb haben wir, neben den reinen A-Schirmen, im B-Segment Geräte sowohl aus dem „Low-Level-Bereich“ ausgewählt (Kriterium war die Bestätigung der Schulungstauglichkeit durch den Hersteller) aber auch in der „High-Level-Ecke“ ins Regal gegriffen. 

Info: Datenlogger-Technologie

Seit zwei Jahren erproben die DHV-Testpiloten die Testflugdokumentation mittels Datenloggern. Die Geräte wurden von einem Messtechnik-Ingenieurbüro in Zusammenarbeit mit dem DHV-Techniker Peter Wild entwickelt.

Ein Datenlogger wird am Testpilot befestigt, möglichst stabil am Gurtzeug-Haupttragegurt.
Ein zweiter kleinere Datenlogger wird im Schirm montiert, mit zwei Magnetplatten um eine innere Zellwand. Die Montageposition liegt auf Höhe der dritte Leinenebene (C-Ebene) im Schirm, in eine Linie unterhalb der 70% Einklapper Markierung. Loggerdaten werden kontinuierlich von Flugbeginn bis zum Flugende aufgezeichnet. Beide Loggerdatensätze werden durch Kurzstreckenfunksignale miteinander synchronisiert. Nach dem Testflug werden die Micro-SD-Karten auf einem Laptop ausgelesen.

Die Logger zeichnen folgende Messwerte auf:
Nick-, Rollwinkel- und Gierwinkel
Geschwindigkeit von Winkeländerungen
Vertikalgeschwindigkeit: Das Vario-Signal wird errechnet über einen 0,5 Sekunden- Durchschnittswert vom barometrischen Höhenwert.
Speed: Im Piloten-Sensor ist ein 5-Hz-GPS-Empfänger eingebaut. Die Geschwindigkeit wird von diesen Sensor dargestellt.
G-Belastung: G-Belastung wird aus den Piloten-Beschleunigungswerten berechnet und ist das, was direkt am Pilot wirkt.
Höhenaufzeichnung: Es wird sowohl ein 5-Hz-GPS-Höhensignal, wie auch ein 100-Hz- barometrisches Höhensignal aufgezeichnet.

Die Auswertungs-Software ist so programmiert, dass Beginn und Ende eines Manövers automatisch erkannt werden. Die grafische Darstellung der Datenaufzeichnung kann mit den Testflugvideos synchronisiert werden. So kann noch eine zusätzliche Kontrolle der zu den jeweiligen Flugmanövern aufgezeichneten Daten auf Plausibilität erfolgen.
Die Datenlogger-Technologie soll den Testpiloten in seiner Tätigkeit unterstützen. Sie soll ihm ermöglichen, für schwer einschätzbare Parameter, wie Roll- und Nickwinkel, Höhenverluste, Drehwinkel und Zeitdauer, objektive Werte zu bekommen.

 

 

Die Datenlogger am Piloten und in der Kappe des Gleitschirms kommunizieren mittels Kurzstreckenfunksignalen
Position des Datenloggers in der Gleitschirmkappe

Startvorbereitungen

Unsere Tests begannen da, wo jeder Flug beginnt, bei den Startvorbereitungen. Im Hinblick auf die Ergonomie, also dem Bestreben, die Maschine (Gleitschirm) möglichst optimal auf den Nutzer (Pilot) bei einer bestimmten Tätigkeit (Startvorbereitungen) abzustimmen, zeigten sich ganz erhebliche Unterschiede. Es geht wirklich sehr, sehr einfach, wie beim Skywalk Mescal 3, beim Nova Prion, und beim Paratech P 12. Wenige, solide Stammleinen, ein leicht überschaubares Leinenkonzept, weich fallende Galerieleine ohne Tendenz zum Verschlingen und eine saubere farbliche Trennung der Leinengruppen. Die Freigängigkeit aller Leinen ist mit wenigen Handgriffen und Blickkontrollen zweifelsfrei zu erkennen.
Überall da, wo sehr dünne, unummantelte Galerieleinen zum Einsatz kommen (Nova Mentor 2, Swing Mistral 6, Ozone Rush 3, Gradient Golden 3, Skywalk Chili 2, Nova Ion light), wird es erheblich anspruchsvoller. Die „Zahnseide“ lässt sich nicht nur optisch schlechter kontrollieren, sie neigt auch stärker zum Verschlingen und zum Verhängen an kleinen Hindernissen, wie einem getrockneten Kuhfladen. Die höchsten Anforderungen stellt hier der Ozone Rush 3. In dem Gerät sind unummantelte Leinen nicht nur in der obersten Galerie verbaut sondern auch im mittleren Stockwerk. Im Stabilo-Bereich ist ein Vielzahl von dünnen Leinen aufgehängt, was eine sehr gründliche Kontrolle erfordert. Erschwerend kommt hinzu, dass die unummantelten Aramidleinen relativ steif sind und deutlich zum Ineinander-Verhaken tendieren.
Die Konkurrenz geht sparsamer mit den Rennleinen um. Sie finden sich meist nur in der kurzen oberen Galerie und an den Brems-Galerieleinen. Diese Leinen lassen sich sehr viel einfacher auf Freigang kontrollieren als die durchhängenden und auf dem Boden aufliegenden Leinen der C/D-Ebene.

Bei den Tragegurten war stets ein deutliches „Ergonomie-Minus“ zu vermerken, wenn sie besonders dünn konstruiert waren (Nova Mentor 2, Ozone Rush 3, Swing Mistral 6, Gradient Golden 3). Diese „Schnürchen“ liegen einfach schlechter in der Hand, besonders mit dickeren Handschuhen. Ein echtes Problem ist, dass die im Verhältnis zum Tragegurt teils massiven Leinenschlösser und Bremsgriffe ein Eigenleben führen. Das Gewicht der Leinenschlösser dominiert, dort wo es hin will (um einen anderen Gurt herum, zwischen den Fangleinen durch), folgt der Tragegurt. Beim Ozone Rush 3 und Nova Mentor 2 muss immer der hintere Tragegurt beim Startcheck gesondert kontrolliert werden. Der dünne, weiche und lange Tragegurt verdreht sich gerne um 180°, was, unbemerkt geblieben dazu führt, dass die Bremsleine einmal um den Gurt gewickelt ist. Beim Swing Mistral 6 ist der A-Gurt zur äußersten Leine so kurz ausgeführt, dass er beim Aufnehmen zum Aufziehen kaum in die Handfläche passt, was alle Testpersonen zunächst irritiert hat.   
Solide und übersichtlich sind die Tragegurte aller LTF-A-Schirme ausgeführt, die wir im Test hatten. Konstruktiv unterschieden sie sich wenig. Aber auch hier kann man eben noch ein Stückchen perfekter sein. Nova hat beim Prion wirklich alles richtig gemacht. Farblich unterschiedlich markierte Tragegurte, B-Gurt und Ohren-Anlegegurt mit aufgedrucktem Verwendungszweck, um Verwechslungsgefahr zu vermeiden.

Ob ein Gleitschirm es seinem Piloten leicht oder eher schwer macht die Startvorbereitungen sauber durchzuführen, ist nicht ganz ohne Belang. Jedes Jahr kommt es zu etlichen Unfällen mit Schwerverletzten und zu vielen Flügen voller Angst und Ungewissheit, weil Leinenknoten bei den Startvorbereitungen nicht erkannt werden und der Flug zum Vabanquespiel wird. Ob der Coolnessfaktor dünner Rennleinen und filigraner Tragegurte den echten Sicherheitsnachteil dieser Konstruktionen aufwiegt, muss jeder Pilot für sich entscheiden. Fest steht jedenfalls, dass die dadurch gewonnenen paar Gleitzahl-Zehntel für die überwiegende Mehrheit der Gelegenheitspiloten schlichtweg keine Rolle spielen.

Überprüfung des Leinen-Handlings..
..und Besprechung im Team
Dünn und filigran sind die Tragegurte bei den meisten High-Level-B-Schirmen...
...solide und übersichtlich die der A-Geräte
Vorbildlich: Kennzeichnung der Tragegurte für den B-Stall und das Ohrenanlegen beim Nova Prion
Bedarf hoher Konzentration beim Sortieren: Dünne Rennleinen beim Ozone Rush 3.

Startverhalten

Einsteiger und Gelegenheitspiloten sind dankbar, wenn ihr Gleitschirm ohne Spezial Effects zu starten ist. Aber kann man denn ein Ideal-Startverhalten für die Pilotengruppe der „Weekend-Warrier“, der Wochenend-Piloten spezifizieren? Man kann und es ist ganz simpel. Je einfacher die vom Piloten erforderlichen Bewegungsabläufe gehalten werden können, desto sicherer. Ideal ist folgende Charakteristik: Beim Aufziehen steigt der Schirm selbständig oder mit leichter Unterstützung des Piloten gemütlich nach oben. Ein gesunder Druck auf den A-Gurten signalisiert, wo sich der Kappe befindet. Der Druck ist anfangs deutlich und lässt mit zunehmendem Hochsteigen nach. Nach oben hin verlangsamt die Kappe das Steigen selbständig und bleibt über dem Piloten stehen. Es ist nicht notwendig, den Schirm durch deutliches Anbremsen am Vorschießen zu hindern.
Ein solcher Flügel möchte in Ruhe aufgezogen werden und er schenkt dem Piloten damit den wichtigsten Faktor für einen kontrollierten Start; Zeit. Zeit, die Kontrollphase ohne Hektik durchzuführen und die Startentscheidung zu treffen. Erst dann geht der Pilot in den Startlauf über.

Die meisten der von uns getesteten Gleitschirme der Klassifizierung A zeigten die beschriebene Startcharakteristik. Dabei gefiel den Testpersonen das besonders ausgewogene Verhalten von  Skywalk Mescal 3, Niviuk Koyot und Paratech P 12 am besten.
Nicht überzeugen konnte im A-Segment der Mojo 3 von Ozone. Die Kappe steigt stark verzögert und nur mit deutlicher Pilotenhilfe und der indifferente, schwammige Druck auf den Tragegurten gab den Testpersonen ein schlechtes Feedback beim Aufziehen.

Deutlich sportlicher geht’s auch! Zügiges Hochsteigen der Kappe, verbunden mit spürbarer Tendenz zum Vorschießen und der Notwendigkeit den Schirm über die Bremsen abzustoppen. Dieses Verhalten zeigte am deutlichsten der Ozone Rush 3. Im steilen Startgelände erfordert dieses Starthandling viel Fingerspitzengefühl um den Schirm jederzeit unter Kontrolle zu haben. Einen Tick zahmer gebärdeten sich diesbezüglich Nova Mentor 2, Skywalk Chili 2 und der Golden 3 von Gradient. Ein zu dynamisches Aufziehen oder ein zu spätes Lösen der Hände von den A-Gurten quittieren aber auch diese Geräte mit deutlichem Vorschießen.
Ein dynamisches Startverhalten des Gerätes macht dem Erfahrenen Spaß, verlangt aber vom Piloten ein nicht zu unterschätzendes Mehr an motorischen Fähigkeiten, besonders im steilen Startgelände. Ein gelände- und windabhängiges Dosieren des Aufziehimpulses, das Gespür für den richtigen Moment um die Hände von den A-Gurten zu lösen, die Fähigkeit, die schießende Kappe mit einem raschen und dennoch genau dosierten Steuerleinenimpuls zu stoppen. Und damit nicht genug. Wenn der Schirm stark abgebremst werden muss, um nicht zu überschießen, verlangt die nächste notwenige Aktion viel Feingefühl. Um nicht mit den tief gezogenen Bremsen an der Sackfluggrenze abzuheben, ist ein weiches Freigeben der Steuerleinen erforderlich. Geschieht dies zu plötzlich, wird die Kappe wieder vorschießen und kann gefährlich weit vor den Piloten kommen.

Vor dem Hintergrund zahlreicher Startunfälle ist ein einfaches Startverhalten des Schirmes ein sehr wichtiges Sicherheits-Feature. Die Haupt-Unfallursache bei Starts, Vorschießen und Einklappen der Kappe mit Crash zurück in den Hang, kann auch durch eine überlegte Wahl des Schirmmodells minimiert werden.   

Videobeispiele Startverhalten  

                                          

                                      verzögert                                      ausgewogen                                             dynamisch
      

                                                             

 

Jeder Schirm wurde von allen Testern sowohl im flachen..
..wie auch im steilen Gelände gestartet.
Unmittelbar nach der Landung wurden die Eindrücke erfasst.
 

Stabilität im Flug

Wer im Theorieunterricht aufgepasst hat, weiß, dass jeder Gleitschirm durch den weit unterhalb der Kappe befindlichen Piloten in seiner Pendelneigung stabilisiert wird. Wie weit aber das Pendel Kappe-Pilot ausschlagen kann, ist durchaus sehr unterschiedlich. Stark nickstabile Gleitschirme dämpfen turbulenzbedingte Vorwärtsbewegungen der Kappe deutlich. Dynamische, wenig gedämpfte Schirme reagieren aggressiver und wollen von einem aktiv fliegenden Piloten am zu weiten Vornicken gehindert werden. Einklapper während einer Nickbewegung der Kappe nach vorne sind allgemein eine ernste Sache, weil der Schirm im Regelfall schneller in Einklapprichtung wegdreht.
Die beim provozierten Nicken erreichten Winkelgrade (Nickwinkel nach vorne) sind ein Indikator für die potentielle Dynamik, die das Gerät in dieser Situation entwickeln kann. Es wurde der beim dritten Vornicken erreichte Vornickwinkel aufgezeichnet.

                   

 

Datenlogger-Diagramme des provozierten Nickens von Paratech P12 (links) und Niviuk Hook 2 (rechts). Der P 12 baut, trotz weiten „Schwung-Holens“ nach hinten, nur geringe Dynamik auf und nickt wenig (ca. 15°) nach vorne. Umgekehrt beim Hook 2. Seine Dynamik zeigt sich beim starken Vornicken von deutlich über 60°. Beim dritten Mal Vornicken muss der Schirm über die Bremsen abgefangen werden, um einen drohenden Einklapper zu verhindern.

Seitliche Einklapper

Videobeispiel seitlicher Einklapper mit aufgezeichneten Loggerdaten (Bild anklicken)

Stell Dir vor, Du hast einen richtig fetten seitlichen Einklapper in Bodennähe. Wirst Du richtig reagieren? Nicht gleich in die Bremsen hacken, um keinen Strömungsabriss zu provozieren, aber dann das beginnende Wegdrehen/Vornicken durch angepasstes Gegensteuern und Gewichtsverlagerung dämpfen und schließlich stoppen. Wenn Du Dir in dieser Frage nicht sicher bist, befindest Du Dich in bester Gesellschaft. Viele, auch erfahrene Piloten, machen in dieser Situation Fehler. Das Hauptproblem (siehe GS-Unfallstatistik 2010) dabei: Den Piloten geling es nicht, die Drehbewegung zu dämpfen/stoppen, weil sie zu spät oder gar nicht reagieren. Es ist deshalb von großer Bedeutung was Dein Gerät macht, wenn Du nichts machst.
Die DHV-Testpiloten haben mit allen Geräten mehrere (in der Regel mindestens sechs) seitliche Einklapper gemäß LTF ausgeführt, unbeschleunigt und beschleunigt. Dabei wurde besonders darauf geachtet, dass nur solche Klapper in die Bewertung einflossen, die „sauber“ in dem am Untersegel markierten Messfeld lagen und den Schirm bis über die Hinterkante deformierten. Mit den Datenloggern wurden dabei Messwerte erfasst, genauer als was bei den Flügen zur Musterprüfung ermittelt wird.

 

                                                     

Abbildung: Die roten Linien zeigen die Markierungen, die am Untersegel des Testschirms anzubringen sind. In der rechten Flügelhälfte das Messfeld, innerhalb dem die großen (75%) Klapper,  über die gesamte Flächentiefe, bis zur Hinterkante, platziert werden müssen. Im linken Flügelteil befindet sich die Markierung für den 50%-Klapper.

 

                                                     

                                                                 

 

Abbildung: Schematische Darstellung der in den LTF vorgeschriebenen Einklappform. Der Klapper muss innerhalb des Messfeldes liegen und die Kappe von der Eintrittskante bis über die Hinterkante deformieren. Einklapper mit flacherer Knicklinie als hier dargestellt, defomieren in der Regel die Hinterkannte des Gleitschirms nicht innerhalb des Messfeldes. Bei den Musterprüfungsflügen würden solche Einklapper zu einem verfälschten, nämlich zu gutmütigem Klappverhalten des Gerätes führen.

Erklärungen zur Tabelle

Höhenverlust in Metern: Es wurde der gesamte Höhenverlust, von der Einleitung des Einklappers bis zur Stabilisierung im Normalflug erfasst.

Nickwinkel in Grad°: Gemessen wurde, wie weit die Kappe des Gleitschirms durch den Einklapper nach vorne genickt (auf die Nase gegangen) ist.

Nickwinkel-Geschwindigkeit pro Sek. in Grad°: Die Auswertungssoftware errechnet aus den Parametern Zeit und maximaler Nickwinkel einen weiteren Wert. Nämlich den, wie weit der Schirm innerhalb einer Sekunde vornickt. Dieser Wert ist ein guter Maßstab für das „Dynamikpotential“ eines Gleitschirms. Je geringer, desto gedämpfter die Kappe, je höher, desto dynamischer.

G-Force in G: Im stationären Geradeausflug wirkt 1 G (einfache Erdbeschleunigung) auf das System Gleitschirm-Pilot. In der durch den Einklapper initiierten Drehbewegung erhöht sich diese Last durch die Zentrifugalkraft. Bei 2 G wirkt die doppelte Erdbeschleunigung. Der Pilot merkt dies, weil es ihn (mit doppeltem Gewicht) „in die Kurve presst“.

Wegdrehwinkel: Die Auswertungssoftware ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage, den gesamten Wegdrehwinkel, bis zur Stabilisierung im Normalflug zu berechnen. Dies erfolgte durch Auswertung der Testflugvideos.

V/sink maximal in m/s: Gibt den höchsten aufgezeichneten Sinkwert beim getesteten Manöver wieder.



Klappertests: Auf die Größe kommt es an.

Aus der Unfallanalyse wissen wir, dass es fast immer die großen, flächentiefen seitlichen Einklapper sind, die zu Unfällen führen, weil diese Einklappform das maximal dynamische Verhalten des Gleitschirms generiert. Der Flügel ist dabei großflächig von der Eintrittskante bis zur Hinterkante eingeklappt. Solange noch ein Teil der Hinterkante "steht", ist die Schirmreaktion im Regelfall viel gutmütiger.

Deshalb schreiben die Prüfvorschriften vor, dass nur solche Testklapper gewertet werden dürfen, die im Messfeld liegen und zur Gänze über die Flächentiefe gehen.

 

Dieser Klapper mit dem Mentor 2 liegt sauber im Messfeld. Der Schirm ist bis über die Hinterkante eingeklappt.
Dieser Klapper mit dem Hook 2 ist zu klein. Er liegt nicht im Messfeld und die Hinterkante ist zum größten Teil nicht vom Klapper betroffen.

Seitliche Einklapper LTF A

 

 

Seitliche Einklapper LTF B Low Level

Seitliche Einklapper LTF B High Level

Zusammenfassung Einklapper

Zwei der LTF-A-Geräte zeigten bei Massivklappern...
ein dynamisches Verhalten mit weitem Vorschießen.
"Messfeld-Einklapper" sind beim Rush 3 auch ohne Faltleinen möglich, der Schirm kann dabei sowohl mit normaler....
...aber auch mit sehr steiler Knicklinie einklappen.
Je steiler die Knicklinie beim Einklappen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Stabilo zwischen die Leinen schlauft...
...und verhängt.
Die vom außen her öffnende Fläche des Chili 2....
kann im Einzelfall mit dem Stabilo verhängen.
Gleiches gilt für den Mentor 2 bei Klappern an der Grenze des Messfeldes
 

 

 

Die Auswertung der Loggerdaten war sehr spannend. Würde die Elektronik bestätigen, was bisher Testpilotenbeurteilung und Videoauswertung erbrachten? Überrascht waren wir von den insgesamt relativ hohen aufgezeichneten Vornickwinkeln bei den Einklappern. Die LTF erlauben für Schirme der Klassen A und B einen maximalen Vornickwinkel von 45°. Den konnten bei unseren Tests aber nur wenige Schirme annähernd einhalten. Bei den B-Geräten wurden teils wesentlich höhere Nickwinkel aufgezeichnet, bis deutlich über 60°. Die Erklärung dürfte darin liegen, dass bisher die Nickwinkel Pi x Auge am Testflugvideo beurteilt wurden. Weil hierbei ein fester Bezugspunkt zur Messung fehlte, konnte die Einschätzung des Winkels nur ein ungefährer Näherungswert sein.

Die Tabelle mit den aufgezeichneten Werten lässt die generellen Zusammenhänge, die ein gutmütiges oder eher anspruchsvolles Geräteverhalten bedingen, gut erkennen:

Großer Nickwinkel – hohe Nickwinkelgeschwindigkeit – hohe G-Kräfte – hohe V/sink = großer Höhenverlust
Kleinerer Nickwinkel - geringere Nickwinkelgeschwindigkeit – niedrigere G-Kräfte – niedrigere V/sink = geringerer Höhenverlust

Bei unseren Einklapper-Tests mit den in der Tabelle aufgeführten Schirmen, zeigte sich:
Die gutmütigsten A-Schirme Paratech P12, Gradient Bright 4 und Skywalk Mescal 3, benötigten knapp über 30m, um nach einem „Messfeld-Klapper“  wieder im Normalflug zu sein. Der Nova Prion war einen Tick dynamischer. Niviuk Koyot und Ozone Mojo 3 brauchten fast die doppelte Höhe, um sich wieder zu fangen, auch entwickelten diese Geräte eine wesentlich höhere Sinkgeschwindigkeit. Diese Bandbreite des Geräteverhaltens bei den A-Schirmen ist nicht wirklich erfreulich. In dieser sichersten Gleitschirmklasse sollten sich die Piloten auf die höchstmögliche technisch machbare Gerätesicherheit verlassen können. Die Reaktionen auf Klapper reichen hier von „gutmütig“ bis „unerwartet anspruchsvoll“. Positiv ist hervorzuheben, dass bei keinem der A- Schirme Bosheiten wie z.B. Verhänger aufgetreten sind.

Im Bereich LTF-B waren die Unterschiede, wie erwartet, noch größer. Die Low-Level-B-Schirme Paratech P28 und Swing Arcus 6 zeigten sich den gutmütigen A-Schirmen fast ebenbürtig. Der Rest der Kandidaten verhielt sich etwas dynamischer aber keineswegs auffällig.

Anders in der oberen Segment der B-Klasse: Die Streuung des Geräteverhaltens nach Einklappern ist viel größer. Bei einem Teil der Klapper zeigen sich die Schirme absolut normgerecht. Immer wieder sind aber auch Reaktionen dabei, die ein für die Klasse viel zu anspruchsvolles Verhalten generieren. Der Skywalk Chili 2 klappt allgemein ungewöhnlich weich und unspektakulär. Beim Wiederöffnen belüftet der Außenflügel zuerst, dies kann, jedoch selten, dazu führen, dass der Stabilo nach vorne schlägt und sich in den Leinen verhängt. Der Nova Mentor verträgt Klapper aller Größenordnungen recht gut, kann aber im Einzelfall auch „anders“. Sehr große Klapper, an der Grenze des LTF-Messfeldes, können zum Verhängen des Außenflügels führen. Der Pilot muss dann aktiv eingreifen, um einen Spiralsturz zu verhindern. Verhänger, Worst Case für den Gelegenheitspiloten, kamen auch beim Ozone Rush 3 bei Klappern mit steiler Knicklinie vor. Der Schirm wurde mit Faltleinen mustergeprüft und verträgt Klapper über die normalen A-Leinen schlecht. Hier muss kritisch angemerkt werden, dass dieses Gerät keine Faltleinen benötigt, um normgerecht eingeklappt zu werden. Bei Niviuks Hook 2 fällt die hohe Dynamik des Gerätes nach Einklappern auf, die zu schneller Drehbewegung, hohe Sinkgeschwindigkeiten und besonders markantem Höhenverlust von fast 70 m führt.

Einige der im oberen Bereich angesiedelten Geräte haben das Potential mit ihren Reaktionen den klassischen Gelegenheitspiloten klar zu überfordern. Es wurde deutlich, dass der Grat zwischen "klassengerechtem Geräteverhalten" und "nicht zulassungsfähig" in diesem Gerätebereich teilweise schmal ist.

Frontklapper

Unfallmäßig spielen Frontklapper eine weniger große Rolle, „holen aber auf“ in den letzten Jahren. In der Praxis „zerlegt“ es die Schirme oft vollständig über die ganze oder annähernd die ganze Flächentiefe. Das zu testen ist bei den Musterprüfungen nicht immer Praxis, denn die LTF-Prüfvorschriften können so ausgelegt werden, dass Frontklapper nur bis 40% Flächentiefe getestet werden müssen. Deshalb lag unser Hauptaugenmerk darauf, bei den Testschirmen die maximal erreichbare Flächentiefe einzuklappen. Bei allen Geräten gelangen die Totalzerstörer, bis auf den Paratech P12. Der erwies sich als so stabil, dass die Testpiloten nicht über die ganze Flächentiefe einklappen konnten.

 

So kann’s in der Praxis aussehen: Turbulenzbedingter Frontklapper über die gesamte Flächentiefe bei einem Nova Ion. (Bild anklicken für Video) Quelle:youtube
Videobeispiel frontaler Einklapper mit aufgezeichneten Loggerdaten (Bild anklicken für Video)

Frontklapper LTF A

Frontklapper LTF B (Low Level)

 

Frontklapper LTF B (High Level)

Zusammenfassung Frontklapper

Nova Mentor 2: Ausgeprägte Tendenz zum Abknicken in der Mitte...
...im Einzelfall mit Verhängern
Niviuk Hook 2: Frontrosette mit Drehung
Jetzt Vorsicht mit den Bremsen! Mit eingeklappten Flügelenden und kurzzeitig im Sackflug (sichtbar an der nach oben gebogenen Mitte der Hinterkante) fährt der Ozone Mojo 3 nur zögerlich aus der Deformation des Frontklappers an.

Aus der Unfallanalyse wissen wir, dass es in der Praxis zwei Hauptprobleme bei frontalen Einklappern gibt: Zeigt ein Schirm stark verzögertes Anfahren bei der Rückkehr in den Normalflug, oft verbunden mit noch eingeklappten Flügelenden, kann schon geringes Anbremsen im falschen Moment zum Strömungsabriss führen. Wenn der Pilot zu früh versucht, über beidseitiges Anbremsen die eingeklappten Flügelenden zu öffnen, kommt es nicht selten zum Stall mit allen denkbaren Folgeerscheinungen und oft großem Höhenverlust. Deshalb ist gerade bei solchen Gleitschirmen die Lehrmeinung „Pfoten hoch nach Frontklappern, bis der Schirm wieder sicher im Normalflug ist“ ganz besonders zu beachten.
Ein weiteres Praxisproblem- wegen der zunehmenden Streckung der Schirme mit steigender Tendenz- ist die Deformation der Kappe durch den Frontklapper in Längsachsenrichtung. Sehr oft füllt der Schirm aus dieser Deformation einseitig, während der andere, noch eingeklappte Flügelteil, sich an die Leinen anlegt oder mit diesen verhängt. Die nachfolgende Drehbewegung ist oft nicht ohne Strömungsabriss zu stoppen. Seit langem kennt man dieses Verhalten stärker gestreckter Flügel. Trotzdem bleibt es bei den Musterprüfungen oft verborgen. Die Schirme werden teilweise bei den Testflügen nicht mit ausreichend Flächentiefe eingeklappt um das Problem sichtbar zu machen. An den Piloten stellt diese Form des Frontklappers deutlich erhöhte Anforderungen. Ein sehr kurzer, deutlicher Bremsimpuls im Moment der Deformation hilft, das Abknicken in Längsachsenrichtung zu verhindern. Aber wehe, wenn man auch nur einen Moment zu lange auf den Bremsen bleibt. Der Schirm wird dadurch am Anfahren gehindert und es kann unvermittelt direkt in den Fullstall gehen.
Eine Frontrosette, wie sie bei den Tests nur der Niviuk Hook 2 zeigte, ist immer mit der Gefahr einer schnellen Drehung mit möglichem Vertwisten des Piloten verbunden.
„Verzögerungsfreies, symmetrisches Anfahren“ nach einem massiven Frontklapper, wie es in unseren Tests u.a. die Nova’s Ion Light und Prion, sowie Skywalk Mescal 3 und Gradient Bright 4 gezeigt haben, ist für den Hobbypiloten natürlich das Geräteverhalten, das am wenigsten fordernd ist. Deutlich verzögertes Anfahren, Tendenzen zum Abknicken in Längsachsenrichtung oder Frontrosetten stellen viel höhere Anforderungen an die Reaktionen des Piloten und sind auch stets mit einem größeren Höhenverlust verbunden.

Steilspirale

Videobeispiel Steilspirale mit aufgezeichneten Loggerdaten (Bild anklicken)

Schwere und tödliche Unfälle bei Steilspiralen sind eines der großen Sicherheitsprobleme des Gleitschirmsports. Dabei ist das Geräteverhalten meist nur die kleinere Gefahr. Viele Piloten unterschätzen die hohen körperlichen Belastungen dieses Manövers. Die meisten der Spiral-Unfälle sind auf Blackout und Bewusstlosigkeit durch die hohe G-Kraft zurückzuführen. Viel wäre gewonnen, wenn nicht wirklich gut trainierte Piloten auf dieses Manöver ganz einfach verzichten würden. 
 
Die Steilspirale ist ein ewiges Thema in den EN- und LTF-Arbeitsgruppensitzungen. Bei keinem anderen Manöver hat das Vorgehen des Testpiloten soviel Einfluss auf das Schirmverhalten. Unterschiedliche Geschwindigkeiten beim Herunterziehen der Innenbremse oder geringfügige Anweichungen von der vorgeschriebenen neutralen Pilotenposition, können das Manöver stark differieren ausfallen lassen.
Bislang werden Gleitschirme nach den Prüfnormen auf ihr Verhalten bei Steilspiralen mit maximal 14 m/s getestet. Künftig, so das letzte Ergebnis der EN-Arbeitsgruppe, soll das Ausleitverhalten nach der zweiten vollen Spiraldrehung bewertet werden. Da haben die meisten Schirme schon erheblich höhere Sinkgeschwindigkeiten erreicht.
In unseren Tests haben die Piloten dieses künftige, strengere Testprozedere angewandt. Die Ergebnisse sind also nicht direkt vergleichbar mit den Resultaten der aktuellen Zulassungstests.
Zwei Umdrehungen Vollgas-Spirale und dann die Bremsen freigeben; die Anforderungen an die Gleitschirme (und teilweise auch an die Testpiloten) sind knallhart. Dementsprechend waren auch die Resultate. Auch ansonsten gutmütige Gleitschirme, ja gerade diese Gerätegruppe, zeigte teils ausgeprägte Tendenzen zu beschleunigen und nur sehr zögerlich selbständig auszuleiten. Es ist bekannt, dass kompakte, wenig gestreckte Schirme eher Ausleitprobleme zeigen, als stärker gestreckte Geräte.
Die Datenlogger lieferten hier wieder interessante Informationen, die so vorher nicht verfügbar waren. So zeigen beispielsweise die Aufzeichnungen der Sinkgeschwindigkeiten und der benötigten Zeit nach einer bzw. zwei vollen Spiraldrehungen sehr gut die sich entwickelnde Dynamik des Manövers an. Hohe Sinkgeschwindigkeiten und wenig benötigte Zeit sind typisch für Geräte, die schnell in die Spirale hineinbohren. Geringere Sinkgeschwindigkeiten und längere Zeitspannen sprechen für eher moderate Zunahme der Beschleunigung. Aber auch das gefürchtete plötzliche Abkippen in eine dynamische Spirale, nach zunächst zögerlicher Einleitphase kann gut dokumentiert werden. Die Schirme zeigen dann, zwischen dem Ende der ersten und dem Ende der zweiten Spiraldrehung, einen sprunghaften Anstieg der Sinkgeschwindigkeit und eine zeitlich sehr rasche zweite Umdrehung.
Die G-Kräfte lagen bei diesen massiven Spiralen meist bei über 3,5 G. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen (Download auf dhv.de unter „Sicherheit und Technik“) ist dies ein Belastungsbereich, der Untrainierte bereits nahe an körperliche Ausfallerscheinungen bringt. Auch die Erfahrungen im G-Forece-Trainer bestätigen dies. Einzelne Gleitschirme entwickelten noch höhere G-Kräfte, Spitzenreiter der Swing Mistral 6 mit 5,5G bei einem Sinken von 27 m/s. Das die G-Kraft, die auf den Piloten wirkt, auch von den Leinenlängen des Gleitschirms beeinflusst wird (kurze Leinen, weniger G-Kraft, lange Leinen, höhere G-Kraft) sei hier nur am Rande erwähnt.

Solange der Boden weit genug weg ist, geht meist nochmal alles gut. Das bestätigte sich in unseren Tests. Nur der Swing Mistral 6 spiralte wirklich stabil und musste durch Piloteneingriff ausgeleitet werden. Die anderen Schirme kehrten, manchmal freilich nach starkem Höhenverlust, selbständig wieder in den Normalflug zurück. Ein erneuter Beweis dafür, dass ausreichende Sicherheitshöhe für das Manöver Steilspirale lebensnotwendig ist.

 

Steilspirale LTF A

Steilspirale LTF B (Low Level)

Steilspirale LTF B (High Level)

B-Leinen-Stall

Videobeispiel B-Leinen-Stall mit aufgezeichneten Loggerdaten (Bild anklicken)

Die Abstiegshilfe mit den B-Gurten genießt in „gehobenen“ Gleitschirmkreisen keinen guten Ruf. Besonders im Segment der LTF-A- und B-Schirme ist ein sauberes Geräteverhalten im B-Stall aber sehr wichtig. Denn wer keine längeren Steilspiralen fliegen kann oder will, ist im Notfall froh, wenn sein Gerät eine andere gut handhabbare Schnellabstiegsmethode hat. „Gut handhabbar“ heißt: Die B-Gurte sind gekennzeichnet, um gefährlicher Verwechslungsgefahr vorzubeugen, lassen sich mit moderater Kraft herunterziehen und über einen längeren Zeitraum halten, ohne dass dies zu einem Kraftakt wird, die Sinkgeschwindigkeit sollte deutlich höher sein als beim Ohrenanlegen, der Gleitschirm neigt nicht zum Deformieren in Längsachsenrichtung und die Ausleitung erfolgt ohne Sackflugphase.

In unseren Tests haben die Testpiloten mit allen Schirmen längere B-Stalls über etwa 10 Sekunden Dauer durchgeführt. Das ist deshalb wichtig, weil sehr kurze B-Stalls, wie sie in der Regel bei den Musterprüfungen ausgeführt werden, kaum Aufschluss über mögliche Deformationstendenzen der Gerätes geben. Diese treten meist erst nach längerer B-Stall-Phase auf.
Mit den Datenloggern wurde festgehalten, wie weit die Kappe bei der Einleitung des B-Stall abkippt und bei der Ausleitung vornickt. Ebenso die Höhe, die für die Ausleitung, bis zum Übergang in den Normalflug benötigt wurde.

                  

B-Leinen-Stall LTF A

 

B-Leinen-Stall LTF B (Low Level)

B-Leinen-Stall LTF B (High Level)

Zusammenfassung B-Leinen-Stall

Die A-Geräte machten durchwegs einen guten Eindruck, auch längere B-Stalls sind problemlos durchführbar. Je höher die Streckung, desto weniger sind die Gleitschirme für das Manöver B-Stall geeignet. Bei einigen der B-Geräten besteht eine deutliche Deformationstendenz. Nicht rechtzeitig erkannt- und sofort ausgeleitet- kann eine Deformation in Längsachsenrichtung zum Verhängen des Gleitschirms führen. Eine Begrenzung des Zugwegs der B-Gurte, wie beim Swing Mistral 6, könnte eine konstruktive Maßnahme sein, um B-Stall-Deformationen zu verhindern. Sackflüge waren, bei richtiger, nämlicher schneller Ausleitung des B-Stall, nicht zu beobachten. Lediglich der Swing Arcus 6 zeigte eine etwas verzögertes Anfahren in den Normalflug. 

Immer wieder kommt es zu Vorfällen und Unfällen, weil meist weniger erfahrene Piloten beim B-Stall die falschen Gurte herunterziehen. Deshalb sollte es im Bereich der Schirme für Einsteiger Standard sein, die B-Gurte zu markieren. Am besten mit deutlich sichtbarer Aufschrift „B-Stall“, wie beim Nova Prius, zumindest aber mit einer farblichen Kennzeichnung.

Ohrenanlegen

Swing Arcus 6
Gradient Bright 4
Skywalk Chili 2
Niviuk Hook 2
Nova Ion Light
Niviuk Koyot
Nova Mentor 2
Skywalk Mescal 3
Swing Mistral 6
Ozone Mojo 2
Paratech P 12
Paratech P 28
Nova Prion
Ozone Rush 3
Skywalk Tequila 3

Das Ohrenanlegen ist die mit Abstand wichtigste Abstiegshilfe. Es wirken weder hohe G-Kräfte, wie bei der Steilspirale, noch befindet man sich in einem extrem hohen Anstellwinkelbereich, wie beim B-Stall. Durch die Vorwärtsfahrt „gewinnt man Land“, was oft wichtiger ist als der absolute Höhenverlust. Über Gewichtsverlagerung bleibt der Schirm steuerbar. Für die Zielgruppe der A- und B-Schirme muss das Manöver deshalb einfach und sicher durchführbar sein. Will heißen: Einfache Einleitung, auch längeres Halten des Manövers möglich, der Schirm muss stabil fliegen und nicht mit den Ohren zu schlagen beginnen, brauchbare Sinkwerte und eine möglichst selbständige Ausleitung. Daneben sollte es bei diesem Manöver zu keinerlei Sackflugtendenzen des Gerätes kommen.

Keiner der getesteten Gleitschirme hatte markante Probleme bei diesem Manöver. Unterschiede gab es bezüglich der erreichbaren Sinkgeschwindigkeiten. Die meisten Geräte sanken unbeschleunigt mit ca. 2,5 m/s, die beiden Nova's, Prion und Ion Light, legten hier noch etwa 1 m/s mehr zu. Diese Schirme haben nur zwei A-Stammleinen, entsprechend klappt an der Fläche mehr weg als bei Geräten mit drei A-Stammleinen. Beschleunigt lagen dann die schnelleren B-Geräte deutlich im Sinken vorne. Spitzenreiter der Nova Mentor 2 mit ca. 5,5 m/s. Der Rest in der B-Klasse erreichte zwischen 4 und 4,5 m/s, die A-Schirme zwischen 3 und 3,5 m/s, auch hier hatte der Nova Prion, mit 4 m/s die Nase vorne.

Natürlich reduziert sich die Fluggeschwindigkeit mit Big Ears gegenüber dem Trimmflug. Bei allen Geräten bewegte sich diese Reduzierung bei ca. 5-8 km/h, abhängig vor allem von der Einklappgröße. Wird mit den angelegten Ohren beschleunigt, steigt der Speed wieder an. Die A-Schirme erreichen etwa wieder ihre Trimmgeschwindigkeit, bei den B-Geräten geht es um ca. 5 km/h darüber hinaus, im oberen B-Segment fast an die 10 km/h.

Bei keinem der Schirme wurden Sackflugtendenzen festgestellt. Beschleunigt zeigte sich der Niviuk Hook 2 etwas unruhig (Gierbewegung durch "schlagende Ohren"). Bei den anderen Geräten fielen keine Instabilitäten auf.

Alle Geräte hatten separate A-Gurte für das Manöver, aber selbst im LTF-A-Bereich ist es noch nicht selbstverständlich, dass der "Ohren-Tragegurt" farblich gekennzeichnet ist. Nova und Skywalk haben die Sorgen der Flugschulen ernst genommen und machen es dem Flugschüler und Wenigflieger einfach, den Ohren-Tragegurt an der entsprechenden Beschriftung zu erkennen.

Zusammenfassung

Was sowieso schon jeder gewusst hat, wurde bei unseren Tests noch einmal sehr deutlich. Die Musterprüfung durch die Prüfstellen ist ein grobes Sieb. Die großen Brocken bleiben hängen, wirklich gefährliche Geräte sind in den Klassen LTF A und B nicht zu finden. Aber etwas erschreckend ist es schon, dass es in der sichersten LTF-Klasse Gleitschirme gibt, die nach einem Massivklapper annähernd 60 Meter Höhe benötigen, um sich wieder zu stabilisieren. Die dabei markant nach vorne schießen, fast einen vollen Kreis beschreiben und Sinkgeschwindigkeiten jenseits der 20 m/s-Marke aufnehmen. Das hat mit Anfängertauglichkeit wenig zu tun. Aus der Unfallanalyse wissen wir, was wenig geübte Piloten im Falle eines Massivklappers tun; nichts! Sie sind viel zu erschrocken und unerfahren, um, in der Schnelligkeit des Ablaufs, kühl und koordiniert zu handeln. Sie wären jetzt, egal welchen Einschätzungs- oder Flugfehler sie vorher begangen haben, auf ein besonders gutmütiges Flugverhaltens ihres Schirmes angewiesen. Dies wird ihnen zwar uneingeschränkt für die LTF-Klasse A versprochen, aber nur eingeschränkt eingelöst.

Die Leistungsflügel im oberen LTF-B-Bereich werden von den Herstellern, vollkommen zu Recht, als Streckenflugmaschinen vermarktet. Sie gehören in die Hand erfahrener Piloten, ein Sonntagsflieger hat absolut nichts unter ihnen zu suchen. Was in dieser Klasse bedenklich stimmt, ist die Gratwanderung zwischen „noch machbar“ und „absolut überfordernd“. Ein Tick steilere Knicklinie beim Klapper, etwas mehr Flächentiefe beim Frontklapper, ein bisschen mehr Sinken bei der Steilspirale, können ausschlaggebend sein, ob klassentypisches Verhalten oder Extremreaktionen, wie Verhänger mit Spiralsturz oder stabile Steilspirale die Folge sind. Die Geräte in diesem Segment benötigen die Führung eines wirklich aktiv fliegenden Piloten, der Störungen im Ansatz erkennt und darauf richtig reagiert.

Insgesamt bleibt der Eindruck: Man müsste die Kisten intensiver testen. Nicht bloß die zwei Testflüge bei der Musterprüfung. Um eine realistische Gerätebeurteilung abgeben zu können, wäre eine echte Erprobung, mit einer Vielzahl von Klappern, Frontstalls, Steilspiralen, etc. erforderlich. Dies würde es ermöglichen, die ganze Bandbreite des Geräteverhaltens zu erkennen und die Piloten entsprechend zu informieren.

Leider erleben wir in der Praxis immer wieder böse Überraschungen, was das Verhalten von Gleitschirmen in Extremsituationen betrifft. So wie der tödliche Unfall eines Flugschülers in der letzten Saison, der mit einem LTF 1-2-er nach Klapper mit Verhänger im Spiralsturz in die Felsen gecrasht war.

Oder der Fall eines langjährigen Gelegenheitspiloten, der es eigentlich immer bewusst gemütlich angegangen ist und sich damit 20 Jahre lang die Freude am Fliegen bewahren konnte. Den Umstieg auf ein High-Level-B-Gerät hat er nicht überlebt, weil er eine stabile Steilspirale nicht ausleiten konnte.

Einfach zu sagen "Pilotenfehler, Pech gehabt", greift zu kurz. Denn Gleitschirme werden für Menschen gebaut und Menschen machen Fehler. In den Gleitschirmklassen für Einsteiger und Wenigflieger muss das Schutzziel besonders hoch sein. Und da hat der Ist-Stand teilweise noch deutlich Luft nach oben, wie unser Serientest gezeigt hat.

Karl Slezak
Referat Sicherheit und Technik