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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Achtung Einklapper (Teil 2)

Zweiter Teil des im Info 126 begonnenen Artikels über die häufigste Ursache für Gleitschirmunfälle.

 

Einklapper aus dem beschleunigten Flug
Wegen des kleinen Anstellwinkels ist der Gleitschirm im Schnellflug generell einklappgefährdeter. Aktives Fliegen zur Klappervermeidung ist im beschleunigten Flug schwierig, denn neben den Steuerleinen muss nun auch mit dem Fußbeschleuniger auf Anstellwinkelveränderungen reagiert werden können. Kann man sich im Normalflug meist darauf verlassen, dass sich ein Klapper für einen sensibel fliegenden Piloten vorher "ankündigt", ist dies im Schnellflug in einem viel geringerem Maße der Fall. Die Anstellwinkelreserve in Richtung Einklapper ist so klein, dass sie bereits unterschritten und der Schirm eingeklappt ist, bevor der Pilot reagieren und das Entlasten verhindern kann. Die zusätzliche Kraft, die der Pilot mit dem Fußbeschleuniger auf die vorderen Leinenebenen ausübt, verursacht zudem aus dem Schnellflug besonders impulsive und weit in die Flächentiefe reichende Einklapper.

Videobeispiel

Nach einem seitlichen Einklapper aus dem beschleunigten Flug kann man sich Überlegungen, welcher Art die Schirmreaktion sein wird, getrost sparen. Bekanntlich steigt der Widerstand im Quadrat zur Geschwindigkeit. Eine Geschwindigkeitserhöhung von 25 %, z.B. von 35 km/h (Trimmgeschwindigkeit) auf 44 km/h (3/4-beschleunigt) bedeutet eine Verdoppelung des Widerstandes. Dies gilt auch für den Widerstand den ein eingeklappter Flügel bildet.  Der Schirm wird, gemessen an seinem Verhalten nach einem Klapper aus dem Normalflug, schneller und mit geringerer Verzögerung wegdrehen.

 

Neben dem generell dynamischeren Verhalten des Schirmes nach dem Einklappen, haben beschleunigte Klapper aber auch noch andere Besonderheiten. So kommt es relativ häufig zum Einklappen (Gegenklapper) der Flügelaußenseite (offene Seite), weil dort, wegen der starken Schräglage und hohen Geschwindigkeit, der Anstellwinkel zu klein wird. Dies muss keineswegs ein Nachteil sein, weil der Gegenklapper, dessen Widerstand entgegen der ursprünglichen Drehrichtung wirkt, die Wegdrehgeschwindigkeit dämpft. Andererseits sind Gegenklapper, wie weiter unten noch ausgeführt wird, generell stark verhängergefährdet. Ein sofortiges Gegenbremsen, wie es nach einem beschleunigten Klapper ohnehin Pflicht ist, kann Gegenklapper aber fast immer verhindern.
Ebenfalls zu beobachten ist eine steigende Twisttendenz je stärker der Schirm vor dem Einklappen beschleunigt worden war. Hier wirkt sich vor allem die größere Massenträgheit des Piloten aus, der im beschleunigten Flug eine gestreckte Position im Gurtzeug einnehmen muss.

 

Schnalzklapper; besonders wenn die eingeklappte Seite nicht ganz entleert, wie hier zu sehen, ist ein schlagartiges Öffnen ohne Wegdrehen möglich

 

"Schnalzklapper" ohne Wegdrehen des Schirmes
Diese besondere Form des Einklappens soll an dieser Stelle kurz erwähnt werden.
Manchmal öffnet ein großflächiger Klapper schnell und schlagartig wieder, bevor der Schirm Gelegenheit hat Fahrt aufzunehmen und wegzudrehen. In dieser Phase hat der Schirm - das wurde im ersten Teil dieser Artikelserie ausführlich beschrieben- einen hohen Anstellwinkel.  Das "Aufschnalzen" des Klappers erfolgt mit einem lauten Knall und überträgt sich mit einem heftigen Ruck auf den Piloten, der dadurch häufig stark erschrickt. Wichtig ist es in dieser Situation keine übereilten Steuerbewegungen zu machen, da der Schirm, wegen des hohen Anstellwinkel, stark strömungsabrissgefährdet ist. Ein kontrollierter Bremseinsatz sollte erst dann erfolgen, wenn der Schirm ein Nick- oder Drehbewegung beginnt.

Bei einem "normalen" Klapper geht die Einklapprichtung nach hinten/außen
Beim Verhänger schlägt der Außenflügel nach unten/innen durch die unter Last stehenden Leinen
Auch kleine Verhänger, hier in Flugrichtung links, können gefährlich sein. Lässt der Pilot einen Spiralsturz zu, verursachen kleinere Verhänger - wegen des weit außen angreifenden Hebels - die höchsten Rotationsgeschwindigkeiten

Verhänger
Das Thema Einklapper wäre nicht komplett, wenn diese mögliche, besonders kritische Folgereaktion nicht angesprochen werden würde. Was passiert bei einem Verhänger ?
Nach einem Einklapper, häufig aber keinesfalls immer aus einer starken Schießbewegung der Kappe nach vorne, öffnet sich der Schirm nicht mehr komplett. Teil der Außenflügels haben sich zwischen den Fangleinen verhängt. Im Gegensatz zum "normalen" Einklapper bewirkt der verhängte Außenflügel nun anhaltenden Widerstand. Je nach dem, ob der Schirm beim Verhängen bereits in einer Drehbewegung ist, oder diese erst mit dem Verhänger beginnt, wird die Reaktion des Geräts ausfallen. Ist der Schirm bereits in einer Drehbewegung bewirkt der Verhänger eine rasche Zunahme der Drehgeschwindigkeit und den Übergang in einen Spiralsturz. Wird der Beginn der Drehbewegung erst durch den Verhänger verursacht, verhält sich der Schirm zunächst nicht anders wie nach einem "normalen" Einklapper. Die Drehung beginnt normal, sie steigert sich zum Spiralsturz, meist nach etwa einer vollen Umdrehung, wenn der anhaltende Widerstand des Verhängers die Kappe "auf die Nase" zwingt.

Verhänger sind in bestimmten Flugsituationen wahrscheinlicher als in anderen. Die Unfallanalyse zeigt die besonders kritischen Bereiche:

- Am häufigsten kommt es beim Einklappen nach starkem Vorschießen der Kappe zu Verhängern. Grund: Nach dem Einklappen schlägt der entleerte Flügelteil nach oben / innen, oft durch die noch unter Last stehenden Fangleinen durch.  Hier fallen zwei Situationen besonders ins Auge; einmal das asymmetrische Vorschießen des Schirmes nach einem zu spät erkannten einseitigen Strömungsabriss (Trudeln). Ebenfalls häufig; zu frühes Anbremsen des Schirmes nach einem Frontklapper, was zu einem Strömungsabriss mit anschließendem, meist seitlichem Vorschießen führt.

- Beim Einklappen aus dem (voll) beschleunigten Flug. Hier ist es oft einfach die durch die hohe Geschwindigkeit (=hoher Widerstand) verursachte Kraft, die verursacht, dass Teile des Einklappers zwischen Fangleinen durchschlagen.

Wie sollte der Pilot nach einem Verhänger reagieren ?
Analog zum Einklapper hat der Pilot nicht auf den Verhänger selbst, sondern auf die Reaktion des Schirmes zu reagieren. Betrachtet man eine Videosequenz einer Verhängersituation wird schnell klar, warum die Stabilisierung des Schirmes in dieser Extremsituation so schwierig ist. Der Verhänger bringt den Schirm in kürzester Zeit in eine so heftige Rotation, dass einfaches Gegenbremsen keine Wirkung mehr zeigt. Wird vom Piloten die 1- 3-sekündige Übergangsphase zwischen Verhängen und Beginn des Spiralsturzes nicht konsequent und sofort zur Stabilisierung der Flugbahn mit Gegenbremse und Gewicht genutzt, ist die Situation außer Kontrolle. Der Steuerdruck auf der kurvenäußeren Bremse wächst derart stark an, dass die Kräfte des Piloten in der Regel nicht genügen um dieses so weit herunterzuziehen, dass der Schirm die Drehung verlangsamt. Ein verhängt abspiralender Schirm kann durch nichts, außer dem Erdboden, gestoppt werden. Ratschläge für diese Situation, wie beidhändiges extrem kräftiges Herunterziehen der kurvenäußeren Bremse oder das Erfliegen eines Fullstalls sind allenfalls für extrem versierte Piloten von Bedeutung. Sie sind oft wirkungslos, kosten Zeit und- besonders entscheidend bei einem Höhenverlust von 40 - 60 Metern pro Umdrehung - wertvolle Höhe. Derweil der Schirm abspiralt wirken starke Fliehkräfte auf den Piloten, die den Körper bis zur Handlungsunfähigkeit belasten können.
Es gibt deshalb nur ein Mittel um die Extremsituation Verhänger ohne Schaden zu überstehen. Sobald der Schirm in den Spiralsturz beschleunigt muss sofort der Rettungsschirm ausgelöst werden. Dieses Beschleunigen in den Spiralsturz ist durch eine markante Zunahme des durch die Fliehkraft auf den Piloten wirkenden Drucks gekennzeichnet. Ab diesem Moment sind alle Stabilisierungsversuche aufzugeben. Rettungsgerätegriff suchen (jetzt zahlt es sich aus, wenn man durch vorheriges Üben genau weiß wo dieser ist) Außencontainer öffnen und das Päckchen mit Schwung wegschleudern. Das Entfalten des Rettungsgerätes stoppt sofort die Rotation des Gleitschirms. Moderne Rettungsschirme bringen den Piloten in der Regel völlig verletzungsfrei zu Boden.

Manchmal gelingt es dem Piloten jedoch, den verhängten Schirm vor dem Übergang in den Spiralsturz zu stabilisieren. Jetzt muss mit einem Gerät manövriert werden, dessen extreme Drehtendenz meist nur mit hart am Strömungsabriss befindlicher Gegenbremse und starker Gewichtsverlagerung zur offenen Seite kompensiert werden kann. Bei kleineren Verhängern, deren Drehimpuls durch Gewichtsverlagerung ausgeglichen werden kann, ist eine Stabilisierung der Flugbahn durch das Anlegen des "Ohres" an der offenen Seite möglich. Bei größeren Verhängern mit starker Drehtendenz funktioniert das aber nicht, weil hierzu die Gegenbremse gelöst werden müsste, was zu einem sofortigen Beschleunigen des Schirmes in die Kurve führen würde. Das Lösen des Verhängers ist häufig schwierig. Befindet sich dieser (selten) im Bereich der vorderen Leinengruppen, kann das bewusste Einklappen der betroffenen Flügelseite zum Entlasten der entsprechenden Leinen und dem Lösen des Verhängers führen. Meist ist der Außenflügel jedoch zwischen den zentralen Leinengruppen verhängt. Das Lösen erfolgt in diesem Fall am besten durch möglichst weites Herunterziehen der Stabiloleine. Um diese in dem Wirrwarr der herunterhängenden Leinen zu erkennen, ist sie meist anders gefärbt als alle anderen Leinen des Schirmes. Als letzte am Außenflügel angreifende Leine ist die Stabiloleine auch immer das "Ende" des Verhängers. Das Ziehen an dieser Leine bewirkt oft ein allmähliches Herausarbeiten der verhängten Flügelteile aus den Leinen.
Was aber, wenn sich der Verhänger nicht lösen lässt und der Schirm nur mit starker Gegenbremse unter höchster Strömungsabrissgefahr noch halbwegs auf Kurs zu halten ist ? Der Pilot muss jetzt entscheiden. Ruhige Flugbedingungen und einfache Landemöglichkeiten die keinen Kurvenflug erfordern, können eine Notlandung mit verhängtem Schirm rechtfertigen. Thermische oder turbulente Konditionen oder schwierige Landebedingungen verschärfen die Gefahr eines Strömungsabrisses in geringer Höhe drastische. In diesem Fall ist ein kontrollierte Rettungsschirmauslösung, möglichst dann, wenn man sich über gut landbarem Gelände befindet in jedem Fall die sicherere Alternative. Man bedenke; in den letzten Jahren ist kein Pilot der mit dem Rettungsschirm niederging schwer verletzt worden. Es gab aber eine ganze Reihe von Toten, weil der Schirm in geringer Höhe außer Kontrolle geriet.

 

 

Das Sicherheitstraining über Wasser.....
...ist der richtige Ort, um sich.........
...mit dem Einklappverhalten seines Schirmes...
...intensiv vertraut zu machen

Einklapper-Training
Schon in der Ausbildung wird der Flugschüler mit kleineren Einklappern an das Schirmverhalten und die richtige Pilotenreaktion herangeführt. Das Erfliegen von großflächigen Klappern muss aus Sicherheitsgründen in jedem Fall in einem Sicherheitstraining über Wasser erfolgen.
Einklapper-Training ist das Kernstück jedes Sicherheitstrainings. Das Kennen lernen seines Schirmes bei Einklappern aller Größenordnungen und das Erlernen der richtigen Pilotenreaktion ist das mit Abstand wichtigste Trainingsziel. Dabei ist es mit zwei oder drei Klappern nicht getan. Einklappertraining ist ein Lernprozess, der relativ viel Zeit und eine ganze Reihe von Einklappern in Anspruch nimmt. Ein seriöser Trainer ist erst dann zufrieden, wenn der Pilot das Ziel- den Schirm nach großflächigen Einklappern schnellstmöglich unter Kontrolle haben - erreicht hat. Gar nicht so selten stellt sich aber heraus, dass dieses Ziel vom Piloten nicht erreicht werden kann, weil ihn das Klappverhalten des Schirmes überfordert. Entsprechende Hinweise vom Trainer müssen wirklich ernst genommen werden. Im letzten Jahr verunglückte eine Gleitschirmfliegerin tödlich, weil ihr Leistungs-1-2 er nach einem großen Klapper verhängt bis zum Boden spiralt war. Wenige Wochen vorher hatte sie ein Sicherheitstraining besucht und dort vom Trainingsleiter den dringenden Rat erhalten, auf ein gutmütigeres Gerät umzusteigen.
Bei vielen gutmütigen Schirmen ist es schwierig, im Training großflächige Einklapper zu simulieren. Auch mit kräftigem Ruck am A-Gurt bleibt der Klapper klein oder geht nur wenig in die Flächentiefe. Erfahrene Trainingsleiter kennen aber Tricks, wie z.B. Einklappen aus dem Vornicken, um auch mit solchen Geräten "trainingsgeeignete" Einklapper zustandezubringen.  

Tipps für das Trainieren von Einklappern im Sicherheitstraining

- Einen Trainingsbetrieb wählen, der Wert legt auf ein intensives Einklapper-Training. Stallen und Trudeln mag spektakulärer aussehen, wirklich wichtig ist es für den Normalpiloten aber nicht.

- Ohne Videodokumentation ist das Training weniger als die Hälfte wert. Bei der Auswahl des Sicherheitstrainings sollte deshalb darauf geachtet werden, dass ein eigener Kameramann/frau zur Verfügung steht, der/ die vom Handwerk etwas versteht (und nicht etwa eine schnell als Kamerabedienung angeheuerte Begleitperson eines Teilnehmers). Der individuellen Videoanalyse sollte ausreichend Zeit eingeräumt werden.

- Jeder Flug im Sicherheitstraining unter den Augen eines erfahrenen Trainers ist kostbar - und teuer. Deshalb müssen diese Minuten intensiv genutzt werden. Einklapptraining über Wasser ist weit weniger riskant als Strömungsabrisse oder Steilspiralen. Vorhandene Ängste lassen sich durch stufenweises Trainieren wirksam abbauen

Testergebnisse und Praxisprobleme
Das in den DHV-Testflugprotokollen beschriebene Geräteverhalten nach seitlichen Einklappern liest sich bei den Schirmen der unteren Klassen 1 und 1-2 recht unspektakulär. Jeder Pilot muss sich aber darüber bewusst sein, dass das tatsächliche Verhalten eines Schirmes bei einem Einklapper niemals bei einem Testflug wirklich realistisch simuliert werden kann. Hierfür gibt es mehrere Gründe.
- Bei den DHV-Testflügen erfolgt das Einklappen aus dem normalen Anstellwinkelbereich. Einklapper mit hohem Anstellwinkel werden nicht simuliert, Einklapper mit kleinem Anstellwinkel nur über das Beschleunigen des Schirmes.

- Turbulenzen können den Schirm anders einklappen lassen als dies bei der Simulation im Testflug erfolgt. So kann beispielsweise ein Einklapper einen größeren Anteil der Flächentiefe betreffen als beim Gütesiegeltest. Bei den DHV-Testflügen werden die seitlichen Einklapper so ausgeführt, dass die Knicklinie zur Querachse etwa 45 ° Grad beträgt. Wenn dieser Winkel größer ist, beispielsweise 60 ° Grad, betrifft der Einklapper einen größeren Anteil der Flächentiefe. Die Größe der eingeklappten Fläche ist dann höher, der Widerstand des Einklappers größer, die Tendenz zum Wegdrehen oder zum Strömungsabriss ist stärker, der Pilot kippt im Gurtzeug weiter ab, etc. Zudem können Turbulenzen das Folgeverhalten des Schirmes nach dem Einklappen negativ beeinflussen.

- Das verwendete Gurtzeug. Die DHV-Testflüge werden mit Gurtzeugen durchgeführt, die den Bauvorschriften des DHV entsprechen. Diese lassen jedoch einen breiten Spielraum für unterschiedlichste Gurtzeugkonstruktionen. So kann beispielsweise die Aufhängehöhe (Sitzbrettfläche bis Karabiner) 35cm aber auch 65 cm betragen. Der horizontale Abstand der Aufhängung (Tragegurt zu Tragegurt) kann sich zwischen 25 und 55 cm bewegen. Bei Gurtzeugen mit besonders tiefen Aufhängepunkten und großem horizontalem Abstand der Tragegurte, ist ein stärkeres Abkippen des Piloten zur Seite der eingeklappten Flügelhälfte zu erwarten. Umgekehrt wird ein Gurtzeug mit besonders hoher Aufhängung und geringem Abstand zwischen den Tragegurten eine verstärkte Tendenz zum Eintwisten (Eindrehen des Piloten in die Tragegurte) aufweisen.

- Die Position des Piloten im Gurtzeug. Die DHV-Testpiloten absolvieren das Testflugprogramm in aufrechter Sitzposition. Eine halbliegende oder liegende Pilotenposition wirkt sich im Extremflug stets negativ aus. Nach Einklappern steigt besonders die Twisttendenz, da sich bei liegender Pilotenposition eine größere Massenträgheit ergibt und der Pilot einer möglichen schnellen Drehbewegung nicht schnell genug folgen kann. Auch die Kontrolle des eingeklappten Schirmes über die Bremsen und die Beobachtung des Flugweges ist erheblich erschwert.

Wichtig scheint mir, aus diesen Tatsachen die richtigen Schlüsse zu ziehen und dies bei der Auswahl seines Gleitschirms zu berücksichtigen. Die Reaktionen des Schirmes beim "DHV-Standardklapper" (75 % in Spannweitenrichtung mit Knickwinkel 45 ° Grad zur Querachse) zeigen das "Verhaltensmuster" des Gerätes. Verschieben sich die Parameter in eine ungünstige Richtung (größerer Klapper, Einklappen aus einer Nickbewegung, ungünstige Pilotenposition, ungünstige Gurtzeugeinstellung, anhaltende starke Turbulenzen), muss mit einer Verschärfung des Geräteverhaltens gerechnet werden.

Diese "worst case" Szenarien erklären, warum Gleitschirme in der Praxis ein anspruchsvolleres Verhalten nach Einklappern aufweisen können als im Gütesiegeltest. Der Pilot, der sich beispielsweise auf die Einstufung 1-2 bei einem Klapper verlässt, kann plötzlich mit einem Schirmverhalten konfrontiert werden, dass dem eines höher eingestuften Gerätes entspricht.
Die Konsequenz kann eigentlich nur sein, seinen Gleitschirm so zu wählen, dass Pilotenkönnen und Schirmverhalten nach Einklappern auch unter ungünstigen Bedingungen noch korrespondieren. Das bei den DHV-Testflügen gezeigte Verhalten nach Einklappern muss ohne Schwierigkeiten vom Piloten bewältigt werden können, es darf keinesfalls die Grenze dessen sein, was er noch handeln kann. Nur dann bleibt noch genügend Kapazität um richtig zu handeln. Wer wenig fliegt, wer gerade mit dem Fliegen angefangen hat, wer sich nicht intensiv mit dem Klappverhalten seines Schirmes befasst hat (Sicherheitstraining), wer Flugfehler bei sich nicht ganz ausschließen kann, wer Luv und Lee manchmal verwechselt, wer auf die ganz großen Adrenalinschübe verzichten kann, muss bei einer vernünftigen Risikoanalyse zu dem Schluss kommen, dass nur ein Gleitschirm mit maximal sicherem Verhalten nach Einklappern - ein 1-er - in Frage kommt, wenn man seine persönliche Sicherheit ernst nimmt. Jede andere Entscheidung - vernünftige Risikoanalysen sind gnadenlos - wäre nichts weiter als ein Tribut an die eigene Eitelkeit.

 

 

Bodennahes Fliegen bei turbulenten Bedingungen erfordert höchste Konzentration, Beschleunigen muss tabu sein

Zusammenfassung Einklapper

- Gleitschirme sind nicht für`s Fliegen in starken Turbulenzen geeignet. Lassen die Flugbedingungen, z.B. starke Thermik, Einklapper wahrscheinlich werden, muss sich ein vernünftiger Pilot gegen einen Start entscheiden. Wer bei seiner Flugplanung Einklapper einkalkuliert handelt leichtsinnig. Wer sich seiner Klapper brüstet ist ein Angeber.

- Starker Wind, zusammen mit Thermik entsprechen einer Einklappgarantie, weil die Scherungsturbulenzen besonders stark ausgeprägt sind. Gleitschirme haben bei solchen Bedingungen nichts in der Luft zu suchen.

- In Bodennähe verzehnfacht sich die Gefahr, die von einem Einklapper ausgeht. Turbulente Bereiche in Bodennähe müssen wie Gift gemieden werden. Beschleunigtes Fliegen mit geringem Bodenabstand ist Wahnsinn !

- Ein gutmütiger Schirm ist keine Lebensversicherung. Oder doch ? Ich habe gerade ein Video gesehen, dass ein Tourist Anfang März zufällig als Zeuge eines tödlichen Gleitschirmunfalls filmte. Nach einem 70 %- Einklapper im Lee einer Soaringkante in etwa 15 Meter Höhe, schoss der 2 Jahre alte Leistungs- 1-2 er innerhalb einer Sekunde ca. 80 ° Grad nach vorne und drehte dabei 180 ° Grad Richtung Hang. Bei optimaler Reaktion hätte der Pilot eine Chance gehabt er blieb jedoch passiv, stürzte im freien Fall seiner vorschießenden Kappe hinterher und schlug mit brutaler Wucht auf dem Boden auf. Ein weniger aggressiv vorschießender Schirm, z.B. ein moderner 1- er hätte einen weitaus geringeren Pendelausschlag verursacht und höchstwahrscheinlich noch vor der Bodenberührung abgefangen. Es sind stets diese Grenzsituationen, geringe Höhe, unvorhergesehen starke Turbulenzen, verzögerte Pilotenreaktion etc. in welchen, auch für erfahrene Piloten, besonders gutmütiges Geräteverhalten über Leben und Tod entscheiden kann.

- Wer nicht ausschließlich in Bedingungen fliegt, die keine Einklapper verursachen können, muss trainieren. In einem Sicherheitstraining über Wasser bis er das Einklappverhalten seines Schirmes wirklich beherrscht

  

 

Für die Mitarbeit an diesem Artikel danke ich Peter Cröniger, dem Leiter des DHV-Lehrteams, Manfred Kistler, Andreas Pfister, Hannes Schmlazl, Sepp Gschwendtner und dem Technikreferat des DHV.

 

Karl Slezak

Sicherheitsreferent