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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Erhöhung der Gerätesicherheit bei Drachenflugwettkämpfen

(Siehe hierzu auch den Bericht im DHV Info 139 Seite 60-62)

Seit vielen Jahren setzt sich der DHV dafür ein, dass auch bei internationalen Drachenflugwettkämpfen "technisches Doping" verhindert wird.  Wenn beispielsweise ein Teilnehmer, in der Hoffnung auf Leistungsvorteil, die pitch-Einstellung seines Flügels herunter dreht, handelt er sich dabei ein lebensgefährliches Risiko ein. Zahlreiche Überschläge und high speed tucks bei internationalen Wettkämpfen sprechen eine beredte Sprache. Der irrige Glaube: weil ich überdurchschnittlich gut fliege brauche ich weniger pitch, hat wiederholt zu Unfällen geführt. Das "gute Gefühl" des Piloten sagt über die tatsächliche Lufttüchtigkeit des Flügels nichts aus. Dass ihn sein Gefühl getrogen hat, bemerkt der Pilot erst, wenn es zu spät ist, wenn beispielsweise Turbulenzen den Flügel entlasten und dann zu wenig Pitch dem Überschlag entgegenwirkt.

Sehr guten Konstrukteuren gelingt es, Flügel mit sehr guter Leistung bei sehr hoher Endgeschwindigkeit zu bauen, die sogar bei weit gezogener VG noch ein akzeptables Handling bieten, bei sicherer Pitch-Einstellung.

Weniger guten Konstrukteuren gelingt dies nicht. Deren Flügel haben bei weit gezogener VG ein schlechtes Handling, bei sicherer Pitch-Einstellung. Wird die Pitch-Einstellung herunter gedreht, wird das Handling besser und die Endgeschwindigkeit höher, aber auch das Risiko steigt.

Da die Piloten die unfühlbare Gefahr nicht wahrnehmen, neigen viele dazu ihre Sicherheit gegen den Wettbewerbsvorteil einzutauschen. Diese Haltung hat sich in früheren Jahren im Abstimmungsverhalten der FAI/CIVL wiedergespiegelt.
 
Im Frühjahr 2006 setzte die CIVL/FAI immerhin einen Arbeitskreis unter der Leitung von Dennis Pagen ein, um das Problem anzugehen und sie ließ bei der EM 2006 in Kroatien auf freiwilliger Basis die Einstellung der Schränkungsanschläge bei einigen Drachen vermessen. Die Messungen wurden von Christof Kratzner durchgeführt (DHV-Prüfer für Hängegleiter) und die Kosten wurden vom DHV getragen. Die einzelnen Messergebnisse blieben, wie von der CIVL beschlossen, anonym. Wie befürchtet lag die Mehrheit der Geräte weit unter einer zulassungsfähigen Einstellung, sprich sie waren nicht lufttüchtig. Während des Wettkampfes kam es zum Überschlag eines französischen Teilnehmers aus dem Schnellflug heraus. Der Pilot konnte sich mit dem Fallschirm retten. Dieses Gerät ist zwar nicht per Winkelwaage vermessen worden, aber bei manchen Einstellungen reicht auch schon ein Blick aus einigen Metern Entfernung...
Man möchte meinen, dass dies die Spitzenpiloten der Wettkampfszene entsprechend beeindruckt hätte. Aber es gibt unter ihnen vehemente Gegner von Gerätekontrollen, welche die Mindestanforderungen der Testorganisationen DHV, BHPA, HGMA als übertrieben hoch ansehen und gar die Notwendigkeit von Flugmechanikfahrten negieren. Wozu diese Denkweise führen kann, zeigte kurz darauf das tragische Ereignis bei den Forbes Flatlands 2007 im Drachenfliegen. Der österreichische Team-Pilot Andreas Orgler verunglückte tödlich. Die zwei befragten Augenzeugen, die den Unfall aus der Luft beobachteten, gaben folgende Unfallbeschreibung:
Aus dem Geradeausflug mit 70-75 km/h ging der Litespeed S 3.5 in einen Außenlooping (langsamer Überschlag nach vorne) und stabilisierte sich im Rückenflug. Der Pilot wurde dabei vom Gerät getrennt.
Den Entfaltungsstoß des danach im Freifall ausgelösten Rettungsgerätes überstand das Gurtzeug nicht. Der Rettungsschirm trennte sich deshalb vom Pilot, welcher nun keine Überlebenschance mehr hatte. Das Gerät flog nach dem halben Außenlooping einige Minuten lang stabil auf dem Rücken weiter.
Eine Auswertung der Unfallfotos durch den DHV ergibt folgendes Bild: Bruch der Gurtzeug-Hauptaufhängung direkt über dem Slider. Mögliche Ursache: Vorschädigung. (Ob die Vorschädigung durch eine Fixierung des Sliders mittels eines Seils entstand ist ungeklärt.) Bruch der zweiten Sicherung der Gurtzeughauptaufhängung. Mögliche Ursache: Vorschädigung.
Bruch des Gurtverbunds im Schulterbereich an welchem die Hauptverbindungsleine befestigt ist. Ursache: Überlast durch Entfaltungsstoß.
Die Schränkungseinstellung des Gerätes wird von anderen Piloten als augenscheinlich sehr tief beschrieben. Das geschilderte Flugverhalten (negatives Abfangen mit Stabilisierung im Rückenflug) ist nur mit negativem Pitch up zu erklären.

Dieser Unfall zeigt auf tragische Weise, dass eine Überprüfung der Wettkampfgeräte bezüglich ihrer Lufttüchtigkeit während des Wettkampfes dringend erforderlich ist.

Mit gedämpften Erwartungen fuhren DHV Geschäftsführer Klaus Tänzler und Christof Kratzner zur FAI/CIVL Sitzung am 2.2.07-4.2.07 in Talloires. Denn noch immer gab es große Widerstände gegen den DHV-Antrag auf Überprüfung in der FAI/CIVL Arbeitsgruppe. Nach zähen Verhandlungen im Sub-Committee Hang Gliding kam schließlich ein Kompromiss zustande, der immerhin in die richtige Richtung führt. Dieser wurde tags darauf im FAI/CIVL Plenum einstimmig bestätigt. Hier der Wortlaut des Beschlusses:

1. Von Mai 2007 an wird es obligatorische Kontrollen der Einstellhöhen von Schränkungsanschlägen geben und Aufzeichnungen darüber, von einer Strafe wird abgesehen. Die Daten aus diesen Messungen werden im Interesse der CIVL, der Hersteller, und der Piloten veröffentlicht.
2. Von Mai 2008 an wird die CIVL obligatorische Kontrollen der Einstellhöhen von Schränkungsanschlägen mit Bestrafung einführen.
3. In der Zwischenzeit wird die CIVL die Hersteller konsultieren, um Messmethoden und geeignete Messtoleranzen festzulegen.
4. Die CIVL Offiziellen der Vormeisterschaft in Greifenburg und der Weltmeisterschaft in Texas werden die Messungen durchführen.
5. Die CIVL wird dafür sorgen, dass es beim obligatorischen Sicherheitsbriefing vor jedem Wettkampf eine informative Präsentation und Diskussion gibt.

Inzwischen hat der Beschluss Eingang gefunden in die aktuelle Fassung des FAI sporting codes. Siehe http://www.fai.org/hang_gliding/documents/sc7

Auch bei der German Open 2007 wird der DHV die Pitch-Einstellung der Drachen kontrollieren. Dabei kommt zwar eine Messtoleranz zur Anwendung, denn beim Messen im Freien herrschen keine Laborbedingungen. Aber auch so kann verhindert werden, dass Geräte mit pitch-Einstellungen, die deutlich unter dem vom amerikanischen, englischen und deutschen Verband geforderten Mindestmaß liegen, am Wettkampf teilnehmen.


DHV Redaktion