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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Tödlicher Gleitschirmunfall am 25.4.07 am Tegelberg

Am Nachmittag des 25.4.07 verunglückte ein 58-jähriger deutscher Gleitschirmflieger am Tegelberg-Landeplatz und erlag wenige Stunden später im Krankenhaus seinen schweren inneren Verletzungen.

Flugwetter
Der 25. April war ein Tag mit ausgesprochen starker Ostwindlage und turbulenter Thermik. Für die 850 hPa (1500 m NN) war ein Ostwind mit 25-30 kn für den Alpenrand vorhergesagt.
Gegen Mittag stellten die professionellen Tandempiloten am Tegelberg, wegen der zunehmend schwierigen Bedingungen, den Flugbetrieb ein. Außer dem verunglückten Piloten und möglicherweise noch einem anderen Flieger war, nach Zeugenangaben, zum Unfallzeitpunkt kein weiterer Gleitschirmflieger in der Luft sichtbar. Am Landeplatz herrschte gegen 15.30, dem Unfallzeitpunkt, ein Wind aus ONO mit ca. 30 km/h, in Böen auch stärker. Ein erfahrener Pilot hatte ca. 30 Minuten vor dem Unfall seinen Flug wegen der starken Turbulenzen abgebrochen. Er berichtete von 35-40 km/h Wind und für ihn "fast unfliegbaren Bedingungen".

Unfallursache
Ein Augenzeuge, Gleitschirmfluglehrer, hat den Schirm des später Verunglückten in größerer Höhe mehrmals in Extremsituationen beobachtet. Mehrere Einklapper,  Trudeln, unkontrolliertes Pendeln. Es schien ihm, als herrschten stark turbulente Bedingungen und die habe der Pilot absolut nicht im Griff.

Ein weiterer Augenzeuge, selbst Gleitschirmflieger, hat den gesamten Unfallablauf beobachtet und konnte sehr detaillierte Angaben machen. Demnach hat der Pilot den Landeplatz Tegelberg aus einer Höhe von ca. 300 m GND praktisch ohne Vorwärtsfahrt angeflogen. In ca. 30-40 m Höhe GND über der Landewiese klappte der Schirm einseitig mäßig ein (30-40%), dieser Klapper, ebenso wie ein darauf folgender etwa gleich großer auf der anderen Seite, konnte vom Piloten stabilisiert werden, bzw. sie öffneten sich schnell ohne Eingreifen des Piloten. Anschließend begann der Pilot den Schirm stärker anzubremsen, er verlor deutlich an Fahrt
Den jetzt stark gebremsten Schirm erfasste plötzlich eine kräftige Böe. Dadurch wurde der Schirm zu langsam, die Kappe kippte hinter den Piloten in den Fullstall. In diesem Moment (ca. 10 m GND) gab der Pilot die Bremsen frei, die Kappe schoss nach vorne, der hinterher stürzende Pilot schlug im Durchpendeln mit großer Wucht auf der Landewiese auf.
Der Zeuge leistete sofort Erste Hilfe und alarmierte den Rettungsdienst. Der Verunglückte wurde mit einem Hubschrauber in ein Münchner Krankenhaus geflogen, wo er kurz darauf starb.

Fluggerät
Die Flugausrüstung wurde von mir am 26.4.07 bei der PI Füssen in Augenschein genommen. Bei dem Unfallgerät handelt es sich um einen Gradient Golden 2/26 mit DHV-Klassifizierung 1-2 in neuwertigem Zustand, Stückprüfdatum 1/2007. Gurtzeug Perche Magic in gebrauchtem Zustand. Keine Hinweise auf ein Geräteversagen.

Flugerfahrung des Piloten
A-Schein seit 1995. Keine weiteren Berechtigungen. Flugerfahrung nicht bekannt. Mit dem Unfallgerät hatte der Verunglückte jedoch erst wenige Flüge gemacht, bzw. es war überhaupt sein erster Flug mit diesem Schirm (hier gibt es unterschiedliche Aussagen).

Unfallanalyse
Durch starkes Anbremsen des Schirmes und gleichzeitiger Böeneinwirkung geriet der Schirm aufgrund des dadurch zu hohen Anstellwinkels in einen Fullstall. Warum der Pilot den Schirm so stark angebremst hat, kann nur vermutet werden. Da der Schirm kurz vorher zweimal seitlich eingeklappt war, wollte der Pilot möglicherweise, nun in unmittelbarer Bodennähe, durch das starke Bremsen weitere Einklapper verhindern. Der Augenzeuge beschrieb das Anbremsen als sehr stark, mit weit heruntergezogener Hinterkante des Gleitschirms. Sicher war der Pilot nach dem"Horrorflug" mit mehreren markanten Kappenstörungen stark unter Stress. Da es sich um einen der ersten Flüge mit einem neuen Schirm gehandelt hat, waren dem Piloten wahrscheinlich Steuerweg und Steuerkraftanstieg des Gerätes noch nicht allzu vertraut.
Im ungünstigen Moment, als die Kappe im Stall hinter den Piloten gekippt war, löste dieser die Bremsen, was ein starkes Vorschießen zu Folge hatte.

Die Beobachtungen der Augenzeugen lassen den Schluss zu, dass der Pilot mit den herrschenden stark turbulenten Flugbedingungen ganz offensichtlich deutlich überfordert war.

Sicherheitshinweise:
· Ostwindlagen sind häufig böig-turbulent. In alpinen Ost-West-Tälern oder am Alpenrand (wie am Tegelberg) verstärken sie zusätzlich den aus östlichen Richtungen wehenden Talwind. Die tatsächlich herrschenden Windbedingungen waren aus den Flugwettervorhersagen gut ersichtlich.
· Einklapper müssen durch einen aktiven Flugstil (siehe Artikel „Aktiv Fliegen“) verhindert werden, nicht durch bloßes starkes Anbremsen.
· Stellt sich der Schirm aufgrund Böeneinwirkung auf, muss dies durch unverzügliches Nachlassen der Bremsen kompensiert werden.
· Kippt der Schirm in den Fullstall, müssen die Bremsen unten gehalten werden, bis sich die Kappe über dem Piloten stabilisiert hat. Im vorliegenden Fall hätte ein solches Pilotenverhalten einen Absturz nicht verhindert, aber der Pilot wäre zumindest auf den protektorgeschützten Rücken aufgeprallt und nicht völlig ungebremst mit dem Oberkörper auf den Boden gestürzt.

 


27.04.07

Karl Slezak
DHV-Sicherheitsreferent