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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Tödlicher Unfall mit Starrflügel beim Windenschlepp

Diesem Unfallbericht liegt das Flugunfallgutachten von Klaus Irschik zugrunde.

Am 11.10.07 verunglückte ein erfahrener Drachenflieger mit einem Starrflügler A.I.R Atos VQ beim Windenschlepp tödlich.
Nach übereinstimmenden Zeugenaussagen startete der Pilot gegen 16.45 zu einem Schleppflug an der Winde. Anwesend waren mehrere Personen, der Windenfahrer, der Seilrückholer und der Startleiter. Die Aussagen eines weiteren unbeteiligten Zeugen deuten darauf hin, dass sowohl die Startvorbereitungen als auch der notwendige und übliche Sprechfunkverkehr regelgerecht durchgeführt wurde.
Nach den entsprechenden Startkommandos hob der Pilot mit wenigen Schritten ab und wurde zunächst schwach, später stärker steigend in Richtung Winde geschleppt.  Dies entspricht der normalen Vorgehensweise beim Windenschlepp. (Sicherheitsschlepp)

Nicht üblich ist allerdings dass offensichtlich zum Zeitpunkt der Steuerbügel-Umgreifphase der linke Arm des Piloten im Bereich des Steuerseils links hängen geblieben ist. Der Drachen wurde zunächst auf Sicherheitshöhe (ca. 50-100m) geschleppt und in dieser Zeit wurde er mit nur leichtem Versatz nach Nord vom Piloten gesteuert.
Nach übereinstimmenden Zeugenaussagen steuerte der Pilot nicht wie sonst üblich mit beiden Armen sondern nur mit dem rechten Arm. Ebenfalls übereinstimmend sind die Zeugenaussagen, dass der Windenfahrer aufgrund des Versatzes nach Nord nicht mit vollem Zug (ca.1000-1200 N) geschleppt hatte.
Da der Pilot nach Aussage mehrer Zeugen nur eine Hand an der Basis des Steuerbügels hatte, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es zu keiner Umklinkaktion seitens des Piloten kam.
In der Höhe von 50-100m über Grund (Zeugenaussagen s.o.) kam es dann zu einer heftigen atypischen Richtungsumkehr nach links wobei das Fluggerät mehr oder weniger schlagartig auf die „Nase“ ging, d.h. die Flügelnase in Richtung Erde zeigte.
Im folgenden dauerte es mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger als 2-3 Sekunden, bis der Hängegleiter kopfüber, vermutlich mit einer Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h mit der Flügelnase voraus auf dem Boden aufschlug. Die Beschädigung des Hängegleiters deutet auf diesen Einschlagwinkel hin. Aufgrund der Untersuchungen an der Winde und am Unfallort kann davon ausgegangen werden, dass das Seil noch während dieser Beschleunigung dann richtigerweise vom Windenfahrer gekappt wurde.
Beim Aufprall auf dem Boden muss es dann zu den tödlichen Verletzungen gekommen sein.

Zum Absturz mit hoher Geschwindigkeit kam es aufgrund der plötzlichen Richtungsumkehr in ca. 50-100 Metern. Die unfallentscheidende Richtungsänderung kann 2 Gründe haben.
Der Pilot hat mit hoher Wahrscheinlichkeit versucht den links eingeklemmten Arm  vermutlich mit seinem gesunden rechten Arm zu befreien. Um dies zu bewerkstelligen, musste der Pilot den rechten Arm vom Steuerbügel lösen, so dass die bisher einarmigen Steuerkorrekturbewegungen nicht mehr möglich war. Das sehr heftige und dann folgende Beschleunigen ist noch dadurch zu erklären, dass das Schleppseil welches durch den Steuerbügel ging noch nicht aus- bzw. umgeklinkt war und somit über die Steuerbügelbasis ziehend die Beschleunigung in Richtung Erde noch erhöhte.

An der Leiche des Verunglückten wurden Fleischwunden an der linken Hand im Bereich des Handrückens festgestellt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war die linke Hand zwischen Steuerbügelseitenrohr und Steuerseil eingeklemmt und der Pilot konnte sich aus dieser Situation aufgrund einer Beweglichkeitsstörung von Arm/Schulter aus dieser Situation nicht befreien. (Siehe Bilder, Nachstellung der Steuersituation)


(Im Kreis: Stelle der Verletzungen des verunglückten Piloten)

Aufgrund der Zeugenaussagen und der Aussage des behandelnden Arztes sowie der Untersuchungen des Flug- und Schleppgeräts kann davon ausgegangen werden, dass der verunfallte Pilot während des Unfallfluges eine erhebliche Einschränkung im linken Arm hatte. Unter den besonderen Bedingungen des Windenstarts, insbesondere den plötzlich auftretenden Beschleunigungen und Notwendigkeiten von speziellen Griffwechseltechniken kam es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem fatalem Steuerfehler. Die Verletzungen am linken Handrücken und Handgelenk des Piloten deuten auf ein Einklemmen der Hand im Steuerbügel/Stahlsteuerseil und dem eventuell gewaltsamen Befreiungsversuch hin.


Aufgrund der Zeugenaussagen ist davon auszugehen, dass keine der beteiligten Personen schuldhaft gehandelt haben. Auch das verwendete Schleppmaterial sowie das Fluggerät und übrige Flugausrüstung stand in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem tragischen Unfall. Das Resümee des Unfalls wird durch die Aussage des Windenschleppreferenden des Verbanden, Horst Barhelmes gegenüber dem Gutachter untermauert, der von einem ähnlichen Vorfall bei einem Windenschlepp mit dem gleichen Baumuster in der Nähe von Hamburg berichtete. Der Pilot berichtete von einem eingeklemmten Arm während des Start- und Steigvorgangs, welcher aber aufgrund uneingeschränkter Bewegungsfähigkeit wieder gelöst und so ein Unfall verhindert werden konnte.

2.11.07
Karl Slezak
DHV-Ausbildung/Sicherheit