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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Unfälle beim Gleitschirm - Tandemfliegen

Letztes Jahr mussten alle Anbieter von Passagier- Haftpflichtversicherungen ihre Versicherungsprämien drastisch erhöhen. Grund war eine massive Ausweitung der Haftungsansprüche von geschädigten Passagieren durch den Gesetzgeber. Bei der vom DHV angebotenen kombinierten Halter- und Passagierhaftpflichtversicherung fiel die Prämienerhöhung besonders deutlich aus. Neben den gesetzlichen Änderungen in LuftVG (Haftungsgrenzen) und BGB (Anspruch auf Schmerzensgeld) war hierfür die stark angestiegene Zahl von Tandemunfällen mit geschädigten Passagieren verantwortlich. Eine, im Vergleich zu den Vorjahren deutlich größere Anzahl von Passagieren wurde bei Unfällen schwer verletzt, wie aus der Tabelle auf dieser Seite hervorgeht. Die Kosten eines einzigen schweren Schadensfalles können ohne weiteres die Prämienerlöse aus allen bestehenden Passagierhaftpflichtversicherungen eines Jahres übersteigen.

Hier zunächst einmal die Entwicklung der Unfallzahlen beim Tandemfliegen seit 1997 und der Vergleich mit der jeweiligen Anzahl gültiger Passagierflugberechtigungen. Die Tabelle zeigt, dass insgesamt ein Rückgang der relativen Unfallzahlen (Unfallquote = Verhältnis der Zahl der Unfälle zur Zahl der Piloten) seit 1997 zu verzeichnen ist.

 

 

Was führte nun zu diesem „negativen Schadensverlauf“ ? Die zweite Tabelle zeigt, dass nicht die Anzahl der Unfälle stark angestiegen ist, sondern dass die Verletzungen der Passagiere schwerwiegender waren. Dabei halten sich die erfahrenen bis professionellen Doppelsitzerpiloten zu den Tandemeinsteigern - und Gelegenheitsfliegern mit jeweils 4 Unfällen genau die Waage. Ein Muster ist jedoch erkennbar; während Routiniers (und ihre Passagiere) häufiger aufgrund erhöhter Risikobereitschaft verunglücken, trifft es wenig Erfahrene oft in Standardsituationen, aufgrund von Flugfehlern oder wegen (teilweise sträflicher) Unwissenheit.

Vergleich Unfälle Passagierflug Gleitschirm

Auf vielfachen Wunsch habe ich nachfolgend, mehr oder wenig ausführlich, (je nach Erkenntnislage und Auskunftsfreudigkeit von Piloten oder Zeugen) die „interessantesten“ Tandemunfälle 2002 aufgeführt. Vielleicht helfen diese Schilderungen sowie die entsprechenden Sicherheitshinweise, manchen Unfall in Zukunft zu vermeiden.

Karl Slezak

Sicherheitsreferent

 

Unfälle bei Start und Abflug

Unfall 1

Im Sommer 02 kam es an der Küste von Dänemark zu einem schweren Tandemunfall eines deutschen Piloten. Dabei wurde das mitfliegende Kind schwer verletzt. (Bein, - Arm, - Beckenbrüche)

Was war passiert?

Der Pilot führte eine Tandemflug mit seiner 6- jährigen Tochter durch. In ca. 15 Meter Höhe riss plötzlich einer der beiden Aufhängekarabiner des Pilotengurtzeuges aus der Tandemspreize heraus. Der Pilot kippte, nur noch an der zweiten Tandemspreize mit dem Schirm verbunden, nach hinten weg, der Schirm ging in eine Drehbewegung über. Der Aufprall auf dem Boden erfolgte mit hoher Sinkgeschwindigkeit und führt bei dem Kind zu den erwähnten schweren Verletzungen.

Unfallanalyse

Der Pilot benutzte eine veraltete, nicht vom DHV geprüfte, starre Tandemspreize mit einer Einhängeschlaufen für den Passagier und einer für den Piloten. Neuere Spreizen sind mit mindestens zwei Passagierschlaufen, die in unterschiedlichen Höhen angebracht sind ausgerüstet, um eine Anpassung der Aufhängehöhe an die Größe des Passagiers zu ermöglichen. Wegen des Größen- und - Gewichtsunterschiedes Pilot – Passagierin erschien dem Piloten die Passagieraufhängung an der Tandemspreize nicht ausreichend tief. Er befürchtete, dass sein wesentlich höheres Gewicht das Kind im Flug über den Hebelarm der Tandemspreize weit nach oben ziehen und ihm das Gesichtsfeld versperren würde.

Er suchte nach einer Möglichkeit, die es ihm erlauben würde, seinen Aufhängepunkt möglichst hoch zu wählen. Da keine weiteren Schlaufen an der Tandemspreize vorhanden waren, wählte er als Einhängepunkt für sich als Piloten den inneren Winkel im Dreieck der Tandemspreize(siehe Bild). Das Gurtzeug seiner Tochter wurde korrekt in der Passagieraufhängung fixiert. Kurz nach dem Abheben rissen die durch den Aufhängekarabiner auf Scherung nach unten belasteten Nähte komplett aus und der Pilot trennte sich einseitig von der Tandemspreize.

Abbildung: Die Unfall- Tandemspreize. Der Pilot hatte seine Aufhängekarabiner wie hier dargestellt in den inneren Winkel eingehängt. An dieser Stelle ist der Steg der Spreize mit den Aufhängegurten einfach vernäht (!). Durch die Belastung des Pilotengewichtes wurde der Karabiner nach unten gezogen und scherte die Nähte vollständig ab. Dies hätte mit einer DHV- geprüften Tandemspreize nicht passieren können. Bei der Musterprüfung wird auch diese (fehlerhafte) Einhängemöglichkeit mit sehr hohen Lasten auf Festigkeit getestet, um auch die Möglichkeit abzudecken, dass an dieser Stelle fälschlicherweise die Rettungsgeräteaufhängung erfolgt .(Nach Murphys Erkenntnis, dass alles was falsch gemacht werden kann irgendwann mal auch falsch gemacht wird)

Sicherheitshinweise

· Es ist wichtig, sich mit den verschiedenen Einhängemöglichkeiten seiner Tandemspreize vertraut zu machen (siehe Zeichnung). Also unbedingt die Betriebsanleitung lesen.

· Ein verantwortungsbewusster Tandempilot wird vor dem ersten Flug mit einer unbekannten Tandemspreize, alle Einhängemöglichkeiten an einer Gurtzeugaufhängung testen (möglichst mit unterschiedlich großen und schweren „Passagieren“).

· Er wird dann auch die Feststellung machen, dass selbst sehr leichte Passagiere - korrekt in die entsprechend tiefe Schlaufe eingehängt - die Tandemspreize nicht in so starke Schräglage bringen können, dass eine Sichtbehinderung des Piloten zu befürchten ist. Selbst wenn die Passagieraufhängung völlig unbelastet ist, verschiebt sich die Pilotenaufhängung maximal um die Hälfte der Gesamtlänge der Spreize nach unten also ca. 20 cm. Die tiefere Aufhängung (ca. 10 cm) sowie die in der Regel sehr viel geringere Körpergröße leichter Passagiere kompensieren die leichte Schrägstellung der Spreize bei weitem.

· Viele Tandempiloten benutzen beim Fliegen mit Kindern eine flexible Aufhängung ohne starre Waage. Den Vorteilen der gewichtsunabhängigen Aufhängeposition von Pilot und Passagier, sowie der weichen Konstruktion, ohne starre, möglicherweise verletzungsträchtige Bauteile, stehen jedoch auch einige Nachteile gegenüber. Der Startlauf, besonders bei wenig Wind, ist wegen der fehlenden Distanz Pilot- Passagier schwieriger, das Kind muss länger laufen und hebt später ab, im Flug ist es für den Piloten schwieriger die Sitzposition einzunehmen. Deshalb empfiehlt sich auch für das Fliegen mit (älteren) Kindern eine Tandemspreize.

 

Unfall 2

Im Sommer 2002 kam es zu einem schweren Tandemunfall in einem oberbayerischen Fluggebiet. Dabei erlitt der Passagier schwere Halswirbelverletzungen.

Was war geschehen?

Der Pilot, ein Fluglehrer mit langjähriger, regelmäßiger Tandemerfahrung, hatte einen Freund zu einem Tandemflug eingeladen.

Am Startplatz herrschte zunächst leichter Aufwind, der aber während der Startvorbereitungen ganz einschlief. Aufgrund der 0- Wind- Bedingungen wurde der bereits ausgelegte Schirm vom Piloten in einen höheren Bereich des Startplatzes gebracht um eine längere Anlaufstrecke zur Verfügung zu haben.

Beim Startlauf musste das Gespann wegen des fehlenden Windes auf die volle Abhebegeschwindigkeit beschleunigen. Kurz vor Erreichen derselben zog der Passagier die Beine an und setzte sich ins Gurtzeug. Dem versierten Piloten gelang es, den Schirm unter Kontrolle zu halten, den Passagier wieder aufzurichten und zum Weiterlaufen zu bewegen. Der Schirm hatte aber nun ca. 30° Grad zur Seite gedreht, die weitere Anlaufstrecke führte direkt auf eine Reihe abgesägter Baumstümpfe zu. Mit hoher Geschwindigkeit kam es zur Kollision der Körper mit den Hindernissen. Der Pilot und Passagier überholende Schirm verstärkte die Wucht des Aufpralles zusätzlich und zog beide noch mehrere Meter durch ein Gewirr abgesägter Bäume. Dabei kam es zu den schweren Verletzungen des Passagiers, während der Pilot nur harmlose Blessuren erlitt.

Unfallanalyse

Es kann davon ausgegangen werden, dass der erfahrene Pilot keine vermeidbaren Anfängerfehler gemacht hat. Er selbst bezeichnete den Unfall als „nicht vorhersehbar“ und als „bei aller Sorgfalt nicht auszuschließendes Restrisiko“. Tatsächlich war ein Fehlstart in der geschilderten Unfallsituation wahrscheinlich unvermeidlich. Die Problematik, dass sich ein Passagier zu früh ins Gurtzeug setzt, muss als das unfallträchtigste „Restrisiko“ beim Passagierflug angesehen werden. Diesem Problem sollte deshalb besondere Aufmerksamkeit gelten.

0-Wind- Starts mit dem Doppelsitzer sind in jedem Fall riskant. Alle den Start beeinflussende Faktoren verschlechtern sich. Die Startstrecke verlängert sich, die Startgeschwindigkeit erhöht sich bis an die Grenze des Erlaufbaren, die Wahrscheinlichkeit eines zu frühen Hinsetzens des Passagiers steigt und damit die Gefahr eines Fehlstarts. Kommt es dazu, ist die Verletzungswahrscheinlichkeit, wegen der hohe Laufgeschwindigkeit sehr hoch.

Sicherheitshinweise

Bei Doppelsitzerstarts ohne Wind von vorne muss der Pilot mit erheblich größeren Sicherheitsmargen einkalkulieren, als bei optimalen Windbedingungen.

· Das Startgelände muss einen Startabbruch auch nach der eigentlichen Startentscheidung, während der Beschleunigungsphase zulassen. Vor dem Start muss der Pilot abschätzen können, wie lange die Startstrecke bis zum Abheben auch im schlechtesten Fall sein wird und sicher sein, dass auch noch über diesen Punkt hinaus ein Startabbruch ohne offensichtliche Verletzungsgefahr möglich ist. Das muss auch dann gelten, wenn das Gespann im Startlauf von der geplanten Startrichtung abweicht.

· Bei Windstille ist eine andere Starttechnik erforderlich als bei Wind. Der Schirm muss rasch steigen, damit nicht ein großer Teil der verfügbaren Anlaufstrecke für die Aufziehphase benötigt wird. Dazu sollte die Kappe eher „spitz“ ausgelegt werden und das Aufziehen nicht mit gestrafften, sondern deutlich durchhängenden Leinen erfolgen. Der Schirm steigt schneller hoch und die ersten Anlaufschritte ohne Zug auf der Aufhängung verleiten den Passagier nicht zum Verlangsamen oder Hinsetzen.

· Generell, aber ganz besonders in dieser Situation, muss der Pilot sicherstellen, dass der Passagier zuerst abhebt. Umgekehrt ist die Katastrophe vorhersehbar. Ist der Pilot bereits in der Luft und der Passagier verweigert die Laufarbeit bei hoher Geschwindigkeit, gibt es nur mit Glück keinen granatenmäßigen Fehlstart. Der Passagier wird also besser in die höhere Einhängeschlaufe der Tandemspreize eingehängt, auch wenn das für den Piloten eine Einschränkung des Blickfeldes nach vorne bedeutet. In diesem Fall wird der Pilot dem Passagier „über die Schulter schauen“ und so die Laufrichtung kontrollieren.

· Ist der Passagier schwerer als der Pilot, sollte bei Windstille kein Start mit dem Doppelsitzer erfolgen. Dasselbe gilt für Startplätze die offensichtlich zu flach sind, um mit dem Tandem die Abhebegeschwindigkeit zu erreichen.

Unfall 3

Beim Windenschlepp ereignete sich ein folgenschwerer Tandemunfall. In 20 Meter war die Sollbruchstelle gerissen. Der Schirm geriet daraufhin außer Kontrolle schließlich kam es, vermutlich durch eine Überreaktion des Piloten (Überbremsen), zu einem Strömungsabriss. Beim Aufprall zog sich der schwere Passagier (Gewichtsunterschied zum Piloten mehr als 20 kg) mehrere Frakturen zu (Becken, Arme, Nasenbein). Der Pilot wurde nur leicht verletzt. Seine Flugpraxis gab er mit insgesamt 20 – 25 Flügen im Jahr an, seine Tandemerfahrung mit insgesamt 15 Flügen und einer Flugerfahrung von einem Jahr.

Unfall 4

Glimpflich verlief ein Unfall, der sich mit einem doppelsitzig geflogenen Soloschirm zutrug. Die Pilotin wollte mit einem Kind einen Tandemflug mit einem Einsitzer der Größe L durchführen. Dabei übersah sie, (neben der Tatsache, dass doppelsitziges Fliegen mit Soloschirmen verboten ist) dass die Bremsleineneinstellung eines Einsitzers nicht für die Kombination mit einer Tandemaufhängung ausgelegt ist. Der tiefer hängende Pilot bremst hierbei den Schirm kontinuierlich stark an. Bei optimalen Startbedingungen gelang der Start bedauerlicherweise, im Abflug, ca. 5 Meter hoch, kam es jedoch zu einem Strömungsabriss. Im Sackflug erfolgte der Aufschlag, glücklicherweise genau auf den sehr guten Protektor der Pilotin. Eine stark blutende Zungenverletzung (die Pilotin hatte sich daraufgebissen) sowie ein paar Prellungen waren die Folgen für die Pilotin, dem Kind geschah nichts.

 

Unfälle im Flug

Unfall 1

Mit lebensgefährlichen Verletzungen des Piloten und einer schwerverletzten Passagierin endete ein Tandemflug in Österreich.

Was war passiert?

Nach Augenzeugenberichten war bereits der Start des Tandems problematisch gewesen. Es wäre beinahe zu einem Fehlstart gekommen.

Nach längerem Geradeausflug begann der Pilot ca. 400 Meter über Grund den Schirm seitlich aufzuschaukeln. Es war jedoch kein harmonisches Rollen, sondern kurze, abgehackte Steilkurvenansätze, offensichtlich verursacht durch ein wechselseitiges ruckartiges und weites Herunterziehen der jeweiligen Steuerleine. Ein am Landeplatz befindlicher Fluglehrer beschrieb es so:

“Der Pilot ließ dem Schirm keine Zeit in die Kurve zu tauchen, schon im Kurvenansatz zog er ziemlich abrupt die Bremse der Gegenseite herunter“.

Unvermittelt kam es dann zu einem einseitigen Strömungsabriss und zum sofortigem Trudeln des Schirmes. Der Schirm blieb bis zum Aufschlag in der Trudelrotation.

Der Aufprall erfolgte auf dem Gleiskörper einer vielbefahrenen Eisenbahnstrecke. Der Rettungsschirm lag, noch im Innencontainer mit teilweise gestreckten Fangleinen, neben den Verunglückten.

Ein Spaziergänger erkannte sofort die Gefahr und brachte die Verletzten aus dem Gefahrenbereich der Gleise. Der Rettungshubschrauber war keine 10 Minuten später am Unfallort und flog die Verletzten ins Krankenhaus.

Unfallanalyse

Der Pilot ist im Besitz einer gültigen Passagierflugberechtigung, flog allerdings sehr unregelmäßig mit dem Tandem. Der Schirm hatte eine gültige Nachprüfung.

Ausgangspunkt des Absturzes war vermutlich ein Pilotenfehler beim Wingovern (Rollen). Harte, kurz gesetzte Bremsimpulse in zu raschem Wechsel, verbunden mit ungenügender Gewichtsverlagerung zur Kurvenseite (beim Doppelsitzer aufhängungsbedingt) erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines einseitigen Strömungsabrisses deutlich.

Die Wirkung ist ähnlich wie bei einer Kurveneinleitung über eine Bremse und gleichzeitiger starker Gewichtsverlagerung zur Gegenseite (Kurvenaußenseite).

Es entsteht ein aufrichtendes Moment, die Folge ist eine deutlich steigende Tendenz zum Strömungsabriss auf der angebremsten Seite. Möglicherweise wollte der Pilot eine Steilspirale aus der Rollbewegung einleiten und provozierte dabei unabsichtlich den einseitigen Strömungsabriss.

Warum der Schirm nun über 400 Höhenmeter bis zum Aufschlag im Negativdrehen blieb ist unklar. DHV- geprüfte Gleitschirme leiten nach Freigeben der Bremse dieses Flugmanöver umgehend selbständig aus, es sei denn:

· Der Pilot hat den Strömungsabriss und das anschließende Trudeln nicht bzw. zu spät als Gefahrensituation registriert und aktiv die Bremse einseitig über dem Stallpunkt gehalten.

· Der Pilot flog mit gewickelten Bremsen und konnte diese deshalb nicht vollständig freigeben. Einmal im Trudeln reicht bei manchen Schirmen ein leichter Bremsimpuls, um eine selbständige Ausleitung zu verhindern oder stark zu verzögern.

· Der Pilot hatte sich vertwistet, die Bremsen waren blockiert

· Die Bremsen des Schirmes waren zu kurz eingestellt.

· Die heruntergezogene Bremse hatte sich am Gurtzeug verhängt. (z.B. Reißverschluss)

· Der Schirm war stark vertrimmt und trudelte stabil.

Sicherheitshinweise

· Manöver, die der Pilot nicht wirklich sicher beherrscht, sind beim Tandemfliegen tabu.

· Ohnehin sind gerade „Fußgänger“ bei ihrem ersten Tandemflug in der Regel besonders dankbar, wenn der Pilot mit dynamischen Manövern zurückhaltend umgeht. Gelegentlich beobachtet man Tandempiloten, die es sich scheinbar buchstäblich zur Aufgabe gemacht haben, ihre Passagier „zum Kotzen“ zu bringen.

· Wingovers oder Steilspirale; es ist ein Riesenunterschied ob diese Manöver mit wendigen, dynamischen Soloschirmen oder trägen Doppelsitzern geflogen werden. Die hohe Rolldämpfung und längeren Rollzeiten letzterer sowie die stark eingeschränkte Möglichkeit zu Gewichtsverlagerung, erfordern eine andere Flugtechnik. Das Training hierzu mit dem Doppelsitzer sollte man ahnungslosen Passagierin nicht zumuten. Ein flugerfahrener Freund, sowie sichere Trainingsumgebung (Sicherheitstraining) sind hierfür angesagt.

· Die Auslösung des Rettungsschirmes hätte mit Sicherheit zu weniger gravierenden Verletzungen geführt. Manche Piloten betrachten eine Rettungsschirmauslösung als „fliegerische Bankrotterklärung“. Mit dem Soloschirm mag das jeder mit sich selbst ausmachen. Beim Tandemfliegen ist die Auslösung des Rettungsschirmes in unkontrollierten Flugsituation dagegen ein Pflicht gegenüber dem Passagier.

Unfall 2 und 3

Zwei Tandemunfälle bzw. Vorfälle wurden durch unabsichtliche Rettungsschirmöffnung verursacht.

1. Die Passagierin half beim Auspacken der Ausrüstung am Startplatz. Offensichtlich zog sie das Pilotengurtzeug mit dem Rettungsschirmgriff aus dem Packsack. Dabei muss sich der Sicherungssplint aus dem Containerverschluss gelöst haben, der Außencontainer selbst blieb aber vorerst durch den Klett verschlossen. Genau bis zur ersten scharfen Kurve. Klett auf, Rettungsschirm raus, beide landeten unverletzt am Rettungsschirm in einem Baum. Der Pilot stand noch in der Ausbildung

2. Starke Thermik an der Emberger Alm. Beim Einfliegen in einen kräftigen Bart bäumt sich der Doppelsitzer weit auf. Nach Aussage des Piloten greift die Passagierin, seine Freundin, reflexartig nach hinten um sich festzuhalten, erwischt dabei den Rettungsgerätegriff am Pilotengurtzeug und zieht diesen versehentlich heraus. Bei der Landung am Rettungsschirm im steilen Gelände erleidet die Passagierin mehrere Knochenbrüche. Der Unfall hat ein juristisches Nachspiel. Die Kärntner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Piloten wegen fahrlässiger Körperverletzung. Die Geschichte mit der Freundin glaubt man nicht, ihm wird zur Last gelegt, die Überprüfung der Ausrüstung vor dem Start nicht mit der notwendigen Sorgfalt vorgenommen zu haben.

Aus Ungarn wurde ein tödlicher Doppelsitzerunfall bekannt. Falsche Ausrüstung und Unkenntnis des Piloten haben hier dem Passagier das Leben gekostet.

Der Pilot verwendete zum Tandemfliegen ein Rettungsgerät für Soloschirme. Zudem war die Hauptaufhängung des Rettungsschirmes nicht an den Tandemaufhängung, sondern an der Schulteraufhängung des Pilotengurtzeuges befestigt. Auch hier kam es zu einer versehentlichen Rettungsschirmauslösung. Durch die fehlerhafte Anbringung der Rettungsschirmaufhängung, hing der Pilot direkt senkrecht über dem Passagier. Mit extrem hoher Sinkgeschwindigkeit erfolgte der Aufprall, zudem stürzte der Pilot von oben auf den Passagier. Dieser starb an einem Genickbruch.

Sicherheitshinweise

· Der Vorflugcheck prüft vor jedem Start den Verschluss des Rettungsgerätecontainers

· Niemand anders als der Pilot sollte den Rettungsschirm auslösen können. Pilotengurtzeuge, bei welchen der Auslösegriff des Rettungsgerätes im Griffbereich des Passagiers liegt, sind für das Tandemfliegen nicht geeignet.

 

Unfälle bei der Landung

Unfall 1

Bei kräftigem Wind leitet der Tandempilot in niedriger Höhe (ca. 8 Meter) die Kurve in den Endanflug ein. Um den Windversatz zu kompensieren, fällt die Kurve recht dynamisch aus. Hohe Kurvengeschwindigkeit und starke Schräglage verursachen einen raschen Höhenverlust. Die Landung erfolgt aus der Kurve, Pilot und Passagier stürzen zu Boden. Dabei bricht sich der Pilot ein Bein, der Passagier bleibt unverletzt.

Unfall 2

Tandemprüfung; bei starkem Talwind erfolgt die Kurve in den Endanflug zu spät, der Windversatz in der Kurve ist so stark, dass es zur Kollision mit einem Heustadel kommt. Trotz hoher Aufprallwucht überstehen Pilot und Passagierin den Unfall unverletzt. Schirm kaputt, Prüfung nicht bestanden!

Unfallanalyse

Hier liegen typische Anfängerfehler vor, die schon für unzählige Unfälle verantwortlich waren.

Unterschätzt werden sowohl der Einfluss des Windes auf Geschwindigkeit und Gleitzahl, als auch der Windversatz bei Kurvenmanövern. Eben ist man noch mit 60 Sachen und Gleitzahl 9 im Gegenanflug über den Landeplatz gebrettert, um dann festzustellen, dass das Einkurven gegen den Wind ewig dauert und mit unerwartet hohem Versatz mit dem Wind erfolgt. Anschließend geht es nur noch mit 20 km/h und Gleitzahl 3 gegen den Wind voran. Die unerwartet weite Abdrift mit dem Wind in der Kurve, verleitet manchen Piloten zum Nachziehen der Innenbremse um schneller „um`s Eck“ zu kommen. In dieser Situation kommt es häufig zum einseitigen Strömungsabriss oder zu ungewollt dynamischen Kurvenmanövern.

Sicherheitshinweise

· Mit dem Tandem ist eine eher großräumige Landeeinteilung, in jedem Fall aber ein langer geradliniger Endanflug erforderlich. Letzteres schon deshalb, um zusammen mit dem Passagier genug Zeit für die Landevorbereitungen zu haben. 15 - 20 Sekunden sollten hierfür schon Zeit sein, der Endanflug muss demnach in einer Höhe von mindestens 20 Meter über Grund beginnen. Bei Windstille bedeutet dies, dass am Landeplatz mindestens 100 Meter für den Endanflug zur Verfügung stehen müssen.

· Herrscht starker Wind, sollte generell nur mit der Starkwind- Landeeinteilung angeflogen werden. Dabei fällt der Gegenanflug weg und damit auch die Probleme mit der Windabdrift beim Herausdrehen aus dem Rückenwind. In etwa auf der Höhe des geplanten Landepunktes (bei sehr starkem Wind luvseitig davor) wird quer zum Wind angeflogen, um dann mit einer sanften Kurve in ein kurzes Endteil einzudrehen.

· Windabdrift einberechnen. Wird beispielsweise bei 30 km/h Wind aus dem Gegenanflug direkt in den Endanflug gedreht, wird der Tandem in der ca. 7-8 Sekunden dauernden 180° Grad- Kehre noch etwa 40 Meter leeseitig mit dem Wind versetzt.

· Scharfe Kurvenmanöver in Bodennähe müssen unbedingt unterbleiben. Bodenberührung aus dem Durchpendeln führen häufig zu schwersten Verletzungen. Wenn man sich einmal verschätzt hat, und die Höhe für einen kontrollierten Übergang in den Endanflug zu gering ist, sollte man sich für eine Seitenwindlandung quer zum Wind entscheiden. Pilot und Passagier wird es wahrscheinlich auch hier „schmeißen“, die große Verletzungsgefahr durch dynamische Pendelbewegungen aus der Steilkurve ist aber gebannt.