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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Tödliche Verwechslung; Karabiner falsch eingehängt

Tödlicher Unfall beim Gleitschirm - Windenschlepp am 23.06.02

Bei der Gleitschirm- Windenschleppausbildung kam es am 23.06.02 zu einem tödlichen Unfall.

Pilot

Der 45- jährige Flugschüler hatte die Gleitschirm- Grundausbildung absolviert und am Tag vor dem Unfall die ersten 4 Windenschleppflüge erfolgreich durchgeführt.

Unfallablauf

Zweiter Tag der Windenschleppausbildung. Der Flugschüler bittet den Fluglehrer um eine anderes Gurtzeug, da das bisher verwendete zu klein und zu unkomfortabel war. Der Fluglehrer bietet dem Flugschüler an, für die weiteren Flüge ein größeres,

am Vortag von einem anderen Flugschüler verwendetes Gurtzeug zu benutzen. Der Flugschüler begibt sich zum Standort der Winde, wo sich dieses Gurtzeug befindet. Er kommt anschließend zum Fluglehrer zurück und berichtet ihm, dass die Schraubschäkel für die Schleppklinkenbefestigung an dem Gurtzeug fehlen. Der Fluglehrer weist den Flugschüler an, die Schraubschäkel aus dem bisher verwendeten Gurtzeug auszubauen und an das neue Gurtzeug zu montieren. Die Flugschüler des Kurses waren am Vortag in diesen Vorgang praktisch eingewiesen worden.

Wenig später erscheint der Flugschüler an der Startstelle. Dort sind der Fluglehrer, sowie ein Flugschüler, der in die Startleitertätigkeit eingewiesen werden sollte, anwesend. Der Fluglehrer überwachte die Arbeit des Startleiters und leitete die Flugschüler während des Schleppvorganges und des Fluges über Funk.

Den Check des startbereiten Flugschülers übernimmt der einzuweisende Startleiter. Dieser signalisiert dem Fluglehrer, dass alles in Ordnung ist.

Start und Abflug des Flugschülers erfolgen normal. Kurz darauf, in ca. 20 Meter Höhe, kippt der Gleitschirm plötzlich schlagartig nach hinten ab, Tragegurte und Schleppklinke trennen sich vom Gurtzeug. Der Flugschüler stürzt senkrecht nach unten. Die Wucht des Aufpralls ist so groß, dass er sofort tot ist.

Was war geschehen?

Das von dem Flugschüler verwendete Gurtzeug besitzt, wie andere Gurtzeuge auch, nahe der Hauptaufhängungen jeweils einen Metallring zum Einhängen der nachrüstbaren Kreuzverstrebung. (Abbildung 1) Dieser Ring ist mit einem Polyestergurt am Hauptgurt vernäht. Bei der Musterprüfung des Gurtzeuges wurde dieses Bauteil als Schleppklinkenbefestigung geprüft. ( Belastung mit dem dreifachen des maximal zulässigen Startgewichtes = 360 kg) In der Betriebsanleitung des Gurtzeuges wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Vorrichtung keine Schleppklinkenbefestigung ist, sondern nur dem Einschlaufen der nachrüstbaren Kreuzverstrebung dient.

Entgegen den Äußerungen des verunglückten Flugschülers gegenüber dem Fluglehrer, haben an dem betroffenen Gurtzeug nicht nur die Schraubschäkel für die Klinkenbefestigung gefehlt. Auch die Karabiner der Hauptaufhängung waren nicht vorhanden. Unbemerkt von den Fluglehrern sind sie vermutlich am Vortag von einem Flugschüler entfernt worden, da sie beim Öffnen klemmten.

Der verunglückte Flugschüler entfernte nun beide Karabiner der Hauptaufhängung sowie beide Schraubschäkel zur Klinkenbefestigung von seinem bisher verwendeten Gurtzeug und montierte diese Bauteile in die beiden Kreuzverstrebungsringe des neuen Gurtzeuges. (Abbildung 2)

Obwohl eine Kontrolle von Vorseil und Klinke vor dem Start durchgeführt wurde, bemerkten weder Fluglehrer noch Startleiter den fatalen Fehler. In ca. 20 Meter Höhe rissen die Nähte der Schlaufen, in welchen die Kreuzverstrebungsringe befestigt waren. Die Ringe, mit den darin befestigten Karabinern der Hauptaufhängung und der Schleppklinke, wurden vom Gurtzeug abgerissen -der Gleitschirm hatte sich vollständig vom Gurtzeug getrennt. (Abbildung 7) In der Folge kam es zu dem tödlichen Absturz.

Warum die als Schleppschlaufen geprüften Ringe der relativ geringen Belastung des Schleppvorganges nicht standhielten, lässt sich nicht schlüssig beantworten. Möglicherweise waren die Nähte vorgeschädigt oder die Belastung erfolgte in einer für die Festigkeit ungünstigen Zugrichtung. Auch ein Herstellungsfehler ist nicht auszuschließen.

Abbildung 7: Das Unfallgurtzeug. Eingekreist, die zerstörten Nähte der Schlaufen, an welchen die Ringe zur Einschlaufung der Kreuzverstrebung angebracht waren. Die herausgerissenen Ringe sind an den Schraubschäkeln der Schleppklinke zu sehen. Dort befanden sich auch die Hauptkarabiner, die vor der Aufnahme dieses Bildes entfernt worden waren.

 

Erkenntnisse aus dem Unfall

Technik

Ohne montierte Karabiner sind die Hauptaufhängungen mancher Gurtzeuge erschreckend unauffällig und für den Unerfahrenen als solche nicht ohne Weiteres zu erkennen. Ein massiv wirkender Metallring in unmittelbarer Nähe der Hauptaufhängung verlockt geradezu zum Einhängen der Karabiner. (Abbildung 1)

Die Montage der Aufhängekarabiner darf nur in der Hauptaufhängung erfolgen. Aufhängekarabiner niemals an anderen Befestigungsmöglichkeiten anbringen. Auch hier sind unbedingt die Hinweise in der Betriebsanleitung zu beachten.


Musterprüfung

Der DHV wird dem LBA eine Änderung der Lufttüchtigkeitsforderungen für Gleitschirmgurtzeuge vorschlagen. Demnach müssen die Hauptaufhängungen der Gurtzeuge mit Leuchtfarbe gekennzeichnet sein

Flugbetrieb

Ob beim Windenschlepp oder in der Flugausbildung; - der Check des Startleiters konzentriert sich meist auf die bekannten Problematiken, offene Beingurte, verdrehte Steuerleinen, richtige Aufnahme der Tragegurte, Knoten und Verhängungen in den Fangleinen etc.

Der DHV bittet darum, den Check der Anbringung von Hauptkarabinern und Schleppklinke routinemäßig hinzuzufügen.

Es ist durchaus erklärbar, dass die Anbringung der Hauptkarabiner an den Schleppschlaufen beim Check vom Startleiter unbemerkt bleibt. Dieses Problem liegt soweit außerhalb des Denkbaren für einen routinierten Piloten, dass es deswegen möglicherweise gar nicht wahrgenommen wird - selbst wenn man direkt davor steht.

Die Montage der Aufhängekarabiner setzt Fachkenntnis voraus. Die Situation, dass Flugschüler, Anfänger und Unerfahrene selbständig und ohne Kontrolle eines Erfahrenen die Montage der Aufhängekarabiner vornehmen, sollte unbedingt vermieden werden.

 

01.07.02

Karl Slezak

DHV Sicherheitsreferent

 

Abbildungen:

Abbildung 1: Bereich der Hauptaufhängung bei einem Gurtzeug mit Einschlaufringen für die Kreuzverstrebung

 

Abbildung 2: Konfiguration am Unfallgurtzeug. Aufhängekarabiner und Schleppklinke sind in die Ringe der Kreuzverstrebungsbefestigung montiert. Lebensgefahr!!

 

Abbildung 3: Hauptaufhängung und Schleppklinke sind in den Schleppschlaufen montiert. Lebensgefahr, Schleppschlaufen werden nur mit 300 kg geprüft

 

Abbildung 4: Befestigung der Schleppklinke in den Ringen der Kreuzverstrebungsbefestigung. Gefahr! Herausreißen während des Schleppvorganges möglich.

 

Abbildung 5: Sichere Befestigung der Schleppklinke mit einem Schraubschäkel an der Hauptaufhängung. Korrekte Anbringung der Aufhängekarabiner an der Hauptaufhängung.

 

Abbildung 6: Sichere Befestigung der Schleppklinke an der geprüften Schleppschlaufe. Korrekte Anbringung der Aufhängekarabiner an der Hauptaufhängung.