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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Tödlicher Unfall; Trudeln mit einem Starren

Tödlicher Unfall mit einem Atos

Am 28.12.2001 verunglückte der 40- jährige Atos- Pilot Volker Hildebrand im Fluggebiet Macher auf Lanzarote tödlich.

Pilot

Volker Hildebrand war im Besitz eines Hängegleiter A- Scheines, Ausstellung 1984. Von befreundeten Fliegern wurde er als als erfahrener, regelmäßig fliegender aber relativ risikofreudiger Pilot beschrieben. Er hatte bereits Erfahrung mit den Starkwindbedingungen auf Lanzarote und flog den Atos seit dem Sommer 2000 regelmäßig.

Wetterbedingungen

Zum Unfallzeitpunkt herrschten Starkwindbedingungen. Nach Zeugenaussagen lagen die Windgeschwindigkeiten am Startplatz bei 30 - 40 km/h, über der Hangkante bei ca. 40 -50 km/h.

Gerät

Beim Unfallgerät handelt es sich um einen Atos von Air, Baujahr 2000. Nach Zeugenaussagen hatte der Starrflügler bei der Ankunft auf Lanzarote am 24.12. 01 einen Transportschaden am Kielrohr. Von dem Drachenpiloten Klaus Hartmann lieh sich Volker Hildebrand Werkzeug zur Reparatur des Schadens. Nach der Instandsetzung absolvierte er einen problemlosen zweistündigen Flug im Gelände Famara. Lt. Klaus Hartmann, der zur gleichen Zeit in der Luft war, waren die Flugbedingungen ruhig.

Unfallablauf

Volker Hildebrand startete am 28.12 01 gegen 15.00 Uhr vom Startplatz Mancher mit Starthilfe. Er stieg sofort im dynamischen Wind und soarte ca. 5 Minuten mit einer Maximalhöhe von 100 Metern über Startplatzhöhe. Gleichzeitig in der Luft befindliche Piloten von Flexiblen, berichteten einem Zeugen gegenüber, der Atos wäre, im Vergleich zu ihren Geräten, auffallend langsam geflogen.

In ca. 50 Meter Höhe leitete der Pilot einen steilen Vollkreis Richtung Hang ein. Nach diesem ersten Vollkreis folgte ein zweiter, noch steilerer, in dessen Verlauf es, nach Augenzeugenberichten, zum Strömungsabriß am Innenflügel kam. Beobachter wollen gesehen haben, dass die Arme des Piloten während des zweiten Vollkreises gestreckt waren. Über den weiteren Verlauf gehen die Berichte auseinander. Zwei Augenzeugen haben ein deutliches Trudeln über mindestens 270° Grad und den Aufschlag auf den Boden aus dieser Flugsituation beobachtet. Ein weiterer gibt an, das Gerät sei kurz nach dem Strömungsabriss steil nach unten abgetaucht und mit hoher Geschwindigkeit auf dem Boden aufgeschlagen.

Volker Hildebrand erlitt beim Aufschlag einen Genickbruch und war auf der Stelle tot.

Wahrscheinliche Unfallursache

Zu langsame Fluggeschwindigkeit war mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ausgangssituation des Unfallablaufes. Der erste Vollkreis brachte den Piloten bereits gefährlich nahe an den Hang. Möglicherweise hat er dies erkannt und nun versucht durch Drücken des Steuerbügels den Steilkreis zu beenden und vom Hang wegzukommen. Durch die jetzt zu niedrige Fluggeschwindigkeit kam es zum Strömungsabriss am Innenflügel und damit zum Trudeln. Selbst bei sofortiger und korrekter Pilotenreaktion hätte die Höhe von 20- 30 Meter über Grund zur Ausleitung des Trudelns nicht ausgereicht. Lt. Hersteller dreht der Atos nach dem Beginn des Trudelns in der Regel ca. 270° Grad negativ bevor er in einem steilen Abfangbogen selbständig ausleitet.

Inwieweit die von Volker Hildebrand durchgeführte Reparatur der Kielstange das Flugverhalten des Atos beeinflusst hat, konnte nicht untersucht werden. Ebenso wenig, ob das Gerät dem beim DHV eingelagerten Muster entsprach, oder modifiziert war. Die Angehörigen des verunfallten Piloten wollten einer technischen Untersuchung des stark beschädigten Gerätes leider nicht zustimmen.

Erkenntnisse aus dem Unfall

Der Unfall verdeutlicht einmal mehr die flugtechnischen Besonderheiten der Starren.

Im DHV- Info 110 vom Mai 2001 warnt Marcus Hoffmann -Guben im zweiten Teil seiner Gegenüberstellung Starre -Flexible: " Die Starren können wegen der geringeren Schränkungswinkel- Differenz nicht so in die Thermik hineingewürgt werden wie die Flexiblen. Setzt man sich über diesen Punkt hinweg, so besteht die Gefahr, ungewollt ins Trudeln zu geraten". Und weiter beschreibt er die Trudeleigenschaften:" Das vom Flexiblen gewohnte "Hinhungern" in der Thermik kann beim Starren zum ungewollten Trudeln führen........Je nach Modell wird ein Starrer beim unfreiwilligen Trudeln ½ bis 1 ½ Umdrehungen machen, selbständig auf die Nase gehen und relativ sanft abfangen. Der Abfangweg erfordert dann etwa 80 Meter. Beim unfreiwilligen Trudeln in Bodennähe kann es also schnell lebensgefährlich werden.

Beides ist beim vorliegenden Unfall wohl genauso eingetreten wie hier von Marcus beschrieben. Ein enger Kreis aus relativ niedriger Fluggeschwindigkeit oder das Herausdrücken des Steuerbügels beim Versuch den Kreis vom Hang weg auszuleiten führte zum Trudeln, die Höhe über Grund reichte dann zum Abfangen des Gerätes bei weitem nicht aus.