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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Fliegen wenn`s regnet- besser nicht!

Drachenflieger kennen die Problematik bereits seit Jahren. Wassertropfen auf der (mylarbeschichteten) Eintrittskante des Hängegleiters beeinflussen die Umströmung des Flügelprofils und können das Flugverhalten des Gerätes stark verändern.

Nun gibt es Hinweise darauf, dass auch Gleitschirme von einer ähnlichen Problematik betroffen sein könnten.

- Sommer 1999, Tegelberg

Während eines längeren Thermikfluges bemerkt ein Gleitschirmpilot das Herannahen eines Gewitters erst sehr spät. Beim Wegfliegen vom Berg Richtung Landeplatz durchfliegt der Pilot einen starken Schauer. Über dem Landeplatz will der Gleitschirmflieger eine Steilspirale zum Höhenabbau einleiten. Dabei reißt am Schirm, bereits bei geringem einseitigen Steuerleinenzug, die Strömung ab, der Schirm gerät ins Trudeln. Der Versuch, den Gleitschirm durch Lösen der Bremsen wieder in den Normalflug zu bringen scheitert, das Trudeln bleibt stabil. Die Entscheidung, den Rettungsschirm auszulösen erfolgt zu spät, der Pilot schlägt unweit des Landeplatzes auf einer Wiese auf und verletzt sich dabei schwer.

- Herbst 1999, Karwendel

Bei einem Soaringflug wird ein Gleitschirmfluglehrer beim Einfliegen eines fabrikneuen Gerätes von einem starken Regenschauer überrascht. Auf dem Flug zum Landeplatz stellt der Pilot fest, dass bereits geringster Steuerleinenzug den Schirm in den Sackflug, bzw. zum einseitigen Strömungsabriß bringt. Mit Gewichtssteuerung gelingt es dem erfahrenen Flieger den Schirm zu manövrieren und sicher zu landen. Tags darauf beim nächsten Flug mit dem wieder trockenen Schirm, verhält sich das Gerät völlig problemlos.

- Frühjahr 2000, Bassano

Nach einem einstündigen Flug mit seinem neuen Schirm in schwacher Thermik, fliegt ein Gleitschirmpilot den Landeplatz an. Während des Fluges hatte es ca. 15 Minuten lang geregnet. In 100 m Höhe über Grund leitet der Pilot einen leichten Wingover ein, worauf der Schirm unvermittelt in den Sackflug übergeht. Ausleitversuche des Piloten bleiben wirkungslos. In 50 m Höhe löst er das Rettungsgerät aus, das auch sofort öffnet. Bei der Landung am Rettungsgerät wird der Pilot leicht verletzt. Der Schirm wird zum Hersteller geschickt, vermessen und im trockenen Zustand von zwei Firmentestpiloten geflogen - mit gütesiegelkonformen Ergebnis.

Ursachen:

Recherchen bei Testpiloten und Gleitschirmkonstrukteuren ergaben mehrere unterschiedliche Ursachenmöglichkeiten.

1. Wassertropfen stören die Strömung am Profil

Alle Gleitschirmtücher sind wasserabweisend beschichtet. Im fabrikneuen Zustand ist diese Beschichtung relativ effektiv, sie lässt aber bereits nach kurzer Gebrauchsdauer deutlich in ihrer Wirksamkeit nach. Im Neu- oder neuwertigem Zustand ist ein Wasserperlen- Effekt zu beobachten, das Wasser sammelt sich auf dem Tuch in vielen großen Tropfen, ähnlich wir auf einem frisch poliertem Auto.

Beim Gleitschirmprofil bildet sich nur im vordersten Bereich, an und kurz hinter der Eintrittskante eine laminare Strömung (laminare Grenzschicht)aus. Der weitaus größte Teil des Flügels befindet sich in einer turbulenten Strömung (turbulente Grenzschicht).

Beim Flug durch einen Regenschauer, können sich große Wassertropfen auf dem Obersegel bilden, die im Bereich der Eintrittskante die laminare Grenzschicht zerstören. Der Flügel kann seine Aufgabe- Erzeugung von Auftrieb- nur mehr sehr unzureichend erfüllen. Geschwindigkeit und Flugleistung reduzieren sich deutlich, die Anfälligkeit auf Strömungsabrisse durch Vergrößerung des Anstellwinkels steigt rapide an.

2. Wasseraufnahme des Gleitschirmtuches verändert das Flugverhalten

Nach einigem Gebrauch, durch Auslegen und Zusammenfalten des Schirmes, entstehen in der Beschichtung des Tuches feine Risse, das Wasser wird durch diese von der Oberfläche in das Gewebe geleitet- das Tuch durchfeuchtet. Durch die Wasseraufnahme wird das Gleitschirmgewebe schwerer. Auch das führt zu Veränderungen im Flugverhalten des Gerätes. Am auffälligsten ist dies beim Starten. Der Schirm hebt nur unwillig vom Boden ab, füllt sich schlecht und muß zum Abheben ungewöhnlich lange beschleunigt werden. Bedingt durch die gößere Massenträgheit der schweren Gleitschirmkappe, erfolgen Kurvenmanöver träge und zögerlich. Dadurch steigt die Gefahr, eines provozierten einseitigen Strömungsabrisses. Die Gewichtszunahme verursacht zudem eine Anstellwinkelvergrößerung, indem der hintere Bereich der Kappe nach unten "gedrückt" wird. Dadurch steigt die Sackflugtendenz und zudem die Wahrscheinlichkeit, dass der Schirm stabil in einem Sackflugzustand bleibt, diesen also nicht selbständig ausleitet. Computerberechnungen haben ergeben, dass eine Verdoppelung des Kappengewichtes durch Wasseraufnahme, die Trimmung des Schirmes, auch völlig ungebremst, nahe an den Sackflugbereich bringt.

Das nasse Tuch hat auch Einfluß auf das Verhalten des Schirmes nach seitlichen Einklappern. Einklapper können sich allenfalls sehr zögerlich oder nur durch Eingreifen des Piloten wieder öffnen. Ein frontales Einklappen der Kappe kann zum stabilen Frontstall führen, der ebenfalls aktiv vom Piloten ausgeleitet werden muss.

3. Die Leinenlängen können sich durch Wasseraufnahme verändern

Falls die Leinen des Schirmes ebenfalls gründlich naß geworden sind, kann dies zu einer Änderung der Trimmung durch Dehnung/Schrumpfung während des Fluges aber auch nach der Trocknung des Gerätes führen. Ungewohnte Reaktionen ( verzögertes Startverhalten, geringere Geschwindigkeit, trägeres Handling, Sackfluganfälligkeit) sollten dann Anlaß dafür sein, die Leinenlängen bei einem Fachbetrieb überprüfen zu lassen.

Sicherheitshinweise

Grundsätzlich sollte man nicht bei Regen oder absichtlich durch einen Schauer fliegen. Neben den beschriebenen Gefahren gibt es auch meteorologische Gründe dies nicht zu tun. Häufig bilden sich in der Umgebung von Regenschauern Kaltluftausflüsse, die zu äußerst turbulenten Flugbedingungen führen können. Auch die Annäherung an eine abregnenden Wolke, gekennzeichnet durch den typischen grau- streifigen Bereich unterhalb der Basis, sollte vermieden werden.

Hat einem der Niederschlag während des Fliegens überrascht, sollte das Schauergebiet auf direktem Weg verlassen werden. Während des weiteren Fluges muß sich der Pilot darüber bewußt sein, dass sein Schirm anders als gewohnt reagieren kann. Er sollte:

- turbulente Bereiche meiden

- beschleunigt fliegen, um den erhöhten Anstellwinkel zu kompensieren

- keine Manöver fliegen, die mit starkem ein- oder beidseitigem Anbremsen verbunden sind. (Wingovers, Steilspirale, Anbremsen im Aufwind)

- keinen B-Stall fliegen und nicht die Ohren anlegen

- auch im Landeanflug darauf achten, den Schirm nicht anzubremsen

Wird der Gleitschirm vor dem Start von einem Regenschauer durchnässt, sollte man auf die Sonne und eine zumindest teilweise Trocknung seines Fluggerätes warten. Aufziehen des Schirmes bei geeignetem Wind beschleunigt den Trocknungsvorgang. Hält der Regen weiter an, sollte aus Sicherheitsgründen auf den Flug verzichtet und der Gleitschirm vor dem nächsten Einsatz gründlich getrocknet werden.

Karl Slezak

DHV- Sicherheitsvorstand