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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Anforderungen an einen Schuh für das Gleitschirm- und Drachenfliegen

Dem Schuhwerk kommt für die Verletzungsprävention beim Gleitschirm-/ Drachenfliegen eine große Bedeutung zu! So ist die untere Extremität in der Unfallstatistik des DHV aus dem Jahr 2002 bei Gleitschirmfliegern zu 38 % betroffen. Zu beachten ist hierbei aber eine hohe Dunkelziffer von so genannten Bagatellunfällen, die häufig nicht gemeldet werden. Der gleiche prozentuale Anteil an Verletzungen der Beine und Füße ergibt sich bei einer Metaanalyse von fast einem Dutzend Veröffentlichungen in medizinischer Fachliteratur (1 - 4, 6 - 10, 12, 13). In Frankreich haben alle Verbandsmitglieder eine Unfallversicherung. Das dadurch andere Meldeverhalten für Flugunfälle mag ein Grund dafür sein, dass in der Unfallstatistik des französischen Verbandes (FFVL) von 1997 mit 300 Verletzungen über die Hälfte die untere Extremität betrifft.

Diese Zahlen verwundern nicht wenn man bedenkt, dass schon der Startlauf meist auf unebenem Terrain mit „dem Blick in die Luft“ erfolgt. Und bei der Landung hat man den (ersten) Bodenkontakt wieder mit den Füßen.

Was für Anforderungen haben wir also an einen Schuh für das Gleitschirm- und Drachenfliegen?

Zunächst ist eine rutschfeste Schuhsohle mit sicherer Standfläche und ohne Kipptendenz die Basis. Dabei sollte eine fußgerechte Flexibilität der Sohle für einen ungestörten Lauf- und Abrollvorgang sorgen. Um Stöße abzufangen muss die Sohle auch adäquate Dämpfungseigenschaften aufweisen. Ein anatomisches Fußbett sorgt für optimale Kraftübertragung und Propriozeption (Zusammenspiel von sensiblen Informationen und muskulärer Antwort des Körpers). So ist auch eine gute Passform des gesamten Schuhs notwendig. Dazu wird ein hakenfreies, gut anpassbares Verschlusssystem benötigt (hohe Schnürung, ergänzender Klettverschluss). Drachenflieger sollten darauf achten, dass keine langen Schuhbänder sich im Reißverschluss des Gurtzeuges verhängen können. Bei Gleitschirmfliegern wiederum sollten keine Haken an den Schuhen sein, dass sich die Fangleinen nicht in ihnen verhängen können.

So ein Schuh sollte für ein gutes Fußklima atmungsaktiv sein. Je nach Jahreszeit oder Region muss der Kälteschutz entsprechend angepasst sein. Dabei sollte im Winter auf sulzigen Starthängen auch darauf geachtet werden, dass der Schuh wasserdicht ist. Nasse Füße sind im Fahrtwind doppelt so schnell durchgefrohren.  Wichtig für die Verletzungsprophylaxe ist ein über den Knöchel reichender, hoher Schaft mit Sprunggelenk-stabilisierenden Eigenschaften. Er kann bei der richtigen Kombination von Elastizität und Stabilisation gegen seitliches Umknicken auch die Propriozeption fördern. Optimal dabei ist ein integratives Gesamtkonzept des Schuhs.

Das gelegentlich empfohlene Tragen von medizinischen Sprunggelenksorthesen (Schienen) in flachen Sportschuhen ist da nur ein fauler Kompromiss. Die von verschiedenen Herstellern angeboten Schienen (z.B.: Aircast Sportschiene, Bauerfeind MalleoLoc oder AirLoc, Ligafix Air) zeigen in klinischen Studien eine Verminderung der Verletzungshäufigkeit beim Basketball oder Volleyball (5, 11). Aber wer würde sich denn auf den in Zeiten von „Fullys“ auf den Sattel seines Mountainbikes ein Kopfkissen schnallen? Bei so einem "Doppelt gemoppelt" wird entweder ein ungenügend hoher oder schlecht sitzender Schuh verwendet. Wir können uns für unseren Sport einen entsprechend hohen, festen und gut schützenden Schuh leisten, da wir in der Regel nicht wie ein Volleyballer zum Absprung tief in die Hocke gehen müssen.

Wer sich jedoch das obere Sprunggelenk durch Umknicken schon einmal verletzt hat, hat eine erhöhte Gefahr sich diese Verletzung erneut zuzuziehen (14). Die beste Prophylaxe in diesem Fall ist ein Stabilitätstraining für das Sprunggelenk (zum Beispiel auf einem Balance-Brett)(15).

Das richtige Schuhwerk zum Fliegen erfordert also eine sorgfältige Auswahl. Aber das sollte es uns für viele weitere Flüge mit unseren fußstartfähigen Sportgeräten wert sein!

 

Dr. med. Eckhart Schröter

Verbandsarzt des DHV

(6/2005)

Literatur:

(1) Ballmer FT, Jakob RP; Gleitschirmunfaelle. Verletzungsmuster und Unfallanalyse.; (Hanggliding accidents. Distribution of injuries and accident analysis); SCHWEIZERISCHE ZEITSCHRIFT FUR SPORTMEDIZIN; 37; 4; 247-9; 1989 Dec

(2) Billing A, Lob G, Zeller T; Gleitschirmfliegen--das Ikarus-Syndrom.; (Hanggliding--the Icarus syndrome); UNFALLCHIRURGIE; 16; 6; 286-90; 1990 Dec

(3) Exadaktylos AK, Sclabas G, Eggli S, Schoenfeld H, Gygax E, Zimmermann H; Paragliding accidents-the spine is at risk.; EUROPEAN JOURNAL OF EMERGENCY MEDICINE; 10:27-9; 2003

(4) Fasching G, Schippinger G, Pretscher R; Paragliding accidents in remote areas; WILDERNESS AND ENVIROMENTAL MEDICINE; 8:129-33; 1997

(5) Feuerbach JW, Grabiner MD, Koh TJ, Weiker GG. Effect of an ankle orthosis and ankle ligament anesthesia on ankle joint proprioception. AMERICAN JOURNAL OF SPORTS MEDICINE; 22(2):223-229; 1994 Mar-Apr

(6) Foray J, Abrassart S, Femmy T, Aldilli M ; Les accidents de parapente en haute montagne. A propos de 200 cas.; (Hang-gliding accidents in high mountains. Apropos of 200 cases); CHIRURGIE; 117; 8; 613-7; 1991

(7) Krauss U, Mischkowsky T; Der schwerwiegende Gleitschirmunfall. Analyse von 122 Fällen.; (Severe parachuting accident. Analysis of 122 cases); UNFALLCHIRURG; 96; 6; 299-304; 1993 Jun

(8) Krueger-Franke M, Siebert CH, Pfoerringer W ; Paragliding injuries. ; BRITISH JOURNAL OF SPORTS MEDICINE; 25; 2; 98-101; 1991 Jun

(9) Lautenschlager S, Karli U, Matter P; Gleitschirmunfaelle--Eine prospektive Analyse in den Schweizer Berggebieten.; (Paragliding accidents--aprospective analysis in Swiss mountain regions); ZEITSCHRIFT FUR UNFALLCHIRURGIE UND VERSICHERUNGSMEDIZIN; Suppl 1; 55-65; 1993

(10) Schulze W, Hesse B, Blatter G, Schmidtler B, Muhr G; Verletzungsmuster und -prophylaxe beim Gleitschirmfliegen; SPORTVERLETZUNG SPORTSCHADEN; 14: 41-49; 2000

(11) Sitler M, Ryan J, Wheeler B, McBride J, Arciero R, Anderson J et al. The efficacy of a semirigid ankle stabilizer to reduce acute ankle injuries in basketball. A randomized clinical study at West Point. AMERICAN JOURNAL OF SPORTS MEDICINE; 22(4):454-461; 1994 Jul-Aug

(12) Stricker U, Noesberger B; Unfaelle und Verletzungen beim Gleitschirmfliegen.; (Accidents and injuries in hanggliding) ; ZEITSCHRIFT FUR UNFALLCHIRURGIE UND VERSICHERUNGSMEDIZIN; 83; 3; 168-71; 1990

(13) Zeller T, Billing A, Lob G; Injuries in paragliding.; INTERNATIONAL ORTHOPAEDICS; 16; 3; 255-9; 1992

(14) Bergfeld J; Epidemiology of Ankle Instabilities. ISAKOS - FIMS World Consensus Conference on Ankle Instability; 2005

(15) Verhagen E, Van den Beek et al; The Effect of Proprioceptive Balance Board Training Programm for the Prevention of Ankle Sprains. AJSM 32; 1385-1393, 2004