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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV
16.08.2011

Vorläufige Erkenntnisse zum Tandem-Unfall am Tegelberg

Vorläufige Erkenntnisse zum Tandem-Unfall am Tegelberg nach Auswertung von Fotos und einem Video

Ein Doppelsitzer-Gleitschirm war nach dem Abheben vom Tegelberg-Nordwest-Startplatz nach links abgedriftet und mit den Seilen der Tegelbergbahn kollidiert. Durch den Stillstand der Bahn und die Evakuierung von Besuchern der Gipfelstation und Passagieren der Seilbahn-Gondeln entstanden hohe Kosten. Bei dem Unfall verletzte sich der Passagier des Doppelsitzer-Gleitschirms leicht.

Nach derzeitigem Kenntnisstand war eine Verkettung von Pilotenfehlern für den Unfall maßgeblich.

1. Die rechte Haupt-Bremsleine war, deutlich oberhalb der Tragegurte, mehrmals mit mindestens zwei Fangleinen des Gleitschirms verwickelt (äußere A-Leine und eine C-oder D-Leine). Dadurch wurde der äußere A-Gurt unter Zug aus seiner üblichen Position nahe an den hinteren Tragegurt mit der Befestigung der Steuerleine gezogen. Diese Verwicklung der Hauptbremsleine mit Fangleinen des Gleitschirms blieb beim Vorflugcheck unentdeckt.

2. Linke und rechte Steuerleine waren miteinander verschlungen. Dies bemerkte der Pilot erst beim Aufziehen des Schirmes. Um diese Verschlingung zu lösen, hat der Pilot die rechte Steuerschlaufe losgelassen. Im Startlauf versuchte er vergeblich, die losgelassene Steuerschlaufe wieder zu ergreifen.
Beim Checkpunkt „Leinen“ des Startchecks blieb die Verdrehung der Steuerleinen miteinander unbemerkt. Bei Erkennen der Verdrehung während des Aufziehens hätte der Start abgebrochen werden müssen.

3. Der Versuch, im Startlauf die rechte Steuerschlaufe zu finden, misslang. Stattdessen ergriff der Pilot fälschlicherweise den rechten äußeren A-Gurt. Dies war wahrscheinlich dadurch begünstigt, dass äußerer A-Gurt und hinterer Tragegurt durch die Leinenverwicklung (siehe Absatz 1) nahe aneinander gezogen waren. Durch den Zug am äußeren A-Gurt klappte die rechte Seite leicht ein und blieb bis zur Kollision mit den Seilbahn-Kabeln eingeklappt. Entweder hat der Pilot die ganze Zeit den äußersten A-Gurt heruntergezogen gehalten, in dem Glauben, in seiner Hand befinde sich der rechte Steuergriff. Oder die Verwicklung von rechter Haupt-Bremsleine und äußerer A-Leine (siehe Absatz 1) hat ein Wiederöffnen des eingeklappten Außenflügels verhindert.

4. Der Pilot hat schnell bemerkt, dass mit der Steuerung seines Gleitschirms etwas nicht stimmte. Er versuchte mit der linken Hand an den rechten Tragegurt zu greifen, wahrscheinlich, um die (vermeintlich) blockierte Bremsleine zu lösen. Dabei setzte der Schirm seine Bewegung nach links, Richtung Seilbahn-Kabel, fort.
Im Falle einer blockierten Steuerleine gilt für Gleitschirmpiloten als erste Priorität, die Steuerung sofort alternativ vorzunehmen, um Hindernisberührung zu vermeiden. Entweder mit den hinteren Tragegurten oder mittels der Haupt-Steuerleinen oberhalb der Befestigung am Tragegurt.

Ein ausführlicher Unfallbericht wird in Kürze unter „Sicherheit“ auf www.dhv.de veröffentlicht.

Karl Slezak
DHV-Sicherheitsreferent