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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV
29.06.2015

Sicherheitsmitteilung

200 daN Sollbruchstellen für stationäre Schleppwinden mit Kunststoffschleppseilen

Vorgeschichte
Seit Beginn des Windenschlepps wurden Sollbruchstellen zum Schutze des Piloten vorgeschrieben, damit  bei einer möglichen Störung an der Winde (z.B. bei Blockierung der Seiltrommel, der Kappvorrichtung, des Getriebes oder bei Differentialschäden...) das unter starker Spannung stehende Schleppseil bei einer definierten Nennbruchlast reißen soll, und nicht erst bei Erreichen der Bruchlast des Schleppseils.

Bei diesen hohen Belastungen am Schleppseil, die ebenso bei defekter Regelung in Verbindung mit böigem Starkwind auftreten können, wurden auch die Bruchlastgrenzen der Schleppklinken erreicht und Piloten stark gefährdet. Bei Stahlschleppseilen wurden durch stark verdrallte Schleppseile auch öfter die Kappvorrichtungen blockiert. Ein Kappen des Schleppseils war dann nicht mehr möglich. Deshalb war und ist eine  Sollbruchstelle bei stationären Winden mit Stahlseilen unumgänglich, um den geschleppten Piloten vor diesen Folgen zu schützen.

Situation mit Kunststoff-Schleppseilen
Mit Einführung der Kunststoffschleppseile (Dyneema, Spectra u.a.m.), modernerer Winden und besserer Zugkraftregelungen haben sich die oben genannten Probleme bzgl.  Blockierungen etc., nun weitestgehend erledigt, die früher öfter bei älteren Winden mit Stahlseilen auftraten und damit die Notwendigkeit der Sollbruchstellen erforderlich machten.

Durch Versuche und Beobachtungen über mehrere Jahre konnte nun festgestellt werden, dass die wesentlich leichteren und drallarmen Kunststoffseile dazu beigetragen haben, dass die Windenregelungen wegen der geringeren Massen und der damit verbundenen geringeren Trägheiten im Regelverhalten besser geworden sind. Zudem sind in den letzten Jahren keine Blockierungen durch Getriebeschäden oder Seilüberlastungen aufgetreten, die nicht durch Kappen hätten "entschärft"  werden können. Blockierungen der Kappvorrichtungen, die eine Sollbruchstelle als Pilotenschutzmaßnahme erforderlich gemacht haben, gab es mit den Kunststoffseilen nicht mehr.

Statistik
Eine Auswertung von ca. 65.000  Windenschlepps hat ergeben, dass insgesamt 124 Sollbruchstellenrisse auftraten, deren Ursachen von den Windenhaltern wie folgt benannt wurden:

a) Sollbruchstellenrisse in Folge von Verschleiß = 77
b) Sollbruchstellenrisse in Folge des Umklinkrucks beim HG-WS = 38
c) Sollbruchstellenrisse in Folge von Regelungsproblemen (Lastspitzenabregelung) = 9

Risikobewertung
Ein Sollbruchstellenriss ist hinsichtlich des Pilotenverhaltens einem Seilriss gleich zu setzen. Er kann aber in Bodennähe lebensgefährlich für den Piloten werden, wenn kein Sicherheitsstart durchgeführt wird und/oder mit verschlissener  oder falsch eingebauter Sollbruchstelle geschleppt wird. Kavalierstarts bei starkem Wind belasten nicht nur die Sollbruchstelle sondern auch das Schleppseil. Ein Knoten im Seil reduziert die Bruchlast des Seils um ~30%.

Fazit
In der Startphase darf nichts reißen, weder Seil, noch Sollbruchstelle. Deshalb muss ausnahmslos der Sicherheitsstart durchgeführt werden. Seile und Sollbruchstellen sind täglich auf Verschleiß zu überprüfen und vorgeschriebene Auswechselintervalle sind einzuhalten (Dokumentation in der Startkladde).

Wenn auch die technische Notwendigkeit für eine Sollbruchstelle im Kunststoffseil bei stationären Schleppwinden nicht mehr als erforderlich erscheint, so darf man nicht außer Acht lassen, dass eine Sollbruchstelle zumindest als Schutzfunktion bei grenzwertigen Überlastungen dient, wie sie z.B. bei einer möglichen Schleppseilkollision mit einem Flugzeug oder bei einer Extrembelastung über 200 daN vorkommen kann. Immer vorausgesetzt, dass Wartungs- und Austauschintervalle eingehalten werden.

Die DHV-Kommission hat deshalb in der 108. Kommissionsitzung folgenden Beschluss gefasst:

Beschluss:
Ab 01.10.2015 werden in den Windenführer-Bestimmungen für stationäre Schleppwinden mit Kunststoffseilen Sollbruchstellen mit einer Nennbruchlast von 200 daN vorgeschrieben. Für den Schleppbetrieb mit mobilen Abrollwinden, längenfesten Schleppsystemen und Winden mit Stahlseilen bleibt die bisherige Vorschrift (150 daN) bestehen. In die Windenführer-Bestimmungen wird eine bis zum 1.10.2015 geltende Übergangsregelung aufgenommen.

Das DHV-Schleppbüro empfiehlt, die Umrüstung umgehend durchzuführen, insbesondere, wenn Hängegleiter geschleppt werden (Umklinkruck). 

      Horst Barthelmes
(DHV-Fachbeirat Schlepp)