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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

12. Ostdeutsche Landesmeisterschaft der Hängegleiter 2002 in Ruhpolding

"Chacun a son gout"

"Im Pinzgau wird es heute ziemlich sportlich werden, der 2Uhr-Temp zeigte starken Wind aus West"! Streckencrack Max Altmannshofer blickte bedeutungsschwer drein, während wir, zusammengekauert unter einem Drachenstapel sitzend, von der Rauschbergbahn nach oben befördert wurden. Welche Strecke könnte man denn so für unsere Landesmeisterschaft heute ausschreiben? Diese Frage wurde schon im Vorfeld der 12. "Ostdeutschen" diskutiert, denn wie bisher Jo-Jo Fliegen zwischen Reichenhaller Haus und Hochfelln hatten viele keine Lust mehr. Klar war auch, daß einigen der im Gebirgsfliegen weniger erfahrenen Piloten schon beim Gedanken an eine Talquerung zum Sonntagshorn mulmig sein wird, ist doch erst mal kein Landefeld in Sicht. Nun kündigte sich aber wirklich Superwetter an. Auf dem Berg bauten die zwanzig Teilnehmer, darunter auch Piloten aus Bayern, ihre Drachen auf. Ein paar hundert Meter höher ließen bereits leckere Cumuli ihre Muskeln spielen und der Höhenwind schien gar nicht so stark zu sein wie laut Max' Prophezeihung.

Beim ersten Briefing begrüßte uns mit Dieter Kamml der Vorsitzende des DCB Ruhpolding schon als alte Bekannte, waren doch die "Ostdeutschen" auf dem Rauschberg bereits langjährige Tradition.

Angesichts des optimalen Streckenwetters entschieden sich die Pilotinnen und Piloten zu einer neuartigen Aufgabenstellung: Jeder Teilnehmer kann seine Flugstrecke frei wählen! Ähnlich wie bei der Disziplin "Freie Strecke" zählen die geflogenen Kilometer, allerdings - darin die Neuerung - nach der beim OLC angewandten Methode über GPS-Track ermittelt und mit den einschlägigen Faktoren gewichtet. Geschlossene Aufgaben werden also höher bewertet. Ein Zick-Zack-Flug über 100km wird somit als Freie Strecke von 150km gewertet, während dagegen ein FAI-Dreieck von 100km gleich mit 200km zu Buche schlägt. Damit sollte verhindert werden, daß unser Wettbewerbsleiter Siegfried Prietz evtl. einziger Rückholer sein könnte.

Dieter Kamml gab anschließend vielbeachtete Tips für optimale Streckenführungen an der Nordkante sowie kleine und große Dreiecke. Listen mit Wendepunktkoordinaten wurden herumgereicht und grüppchenweise Routen diskutiert. Das kostete alles seine Zeit, und da der Rauschberg schon vor einer guten Stunde die Ruhpoldinger Cracks auf ihre 200er Strecken gebracht hatte, gönnte er sich jetzt eine kleine Ruhepause. Somit begann für viele Piloten bald nach dem Start der Abstiegskampf und manche fanden sich trotz schönster Wolken am Himmel auf dem großen neuen Landeplatz ein. Jedenfalls gab es nun kein Rückholeproblem mehr. Hatte man den Rauschberggipfel erst einmal überhöht, gab es für uns Flachlandflieger sagenhafte Steigwerte und schon fast 3000m Basis. Mit üppiger Höhe segelte man über das Sonntagshorn und einträchtig weiter zum Grubhörndl. Spätestens dort zerstoben die Teilnehmer in Richtung Steinplatte, Loferer oder Steinernes Meer. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, über Saalfelden zum Wilden Kaiser zu fliegen. Da es am Steinernen Meer aber so gut vorwärts ging und die Basis ständig anstieg, flog ich weiter zum Hochkönig und dann lockte natürlich das Pinzgau gewaltig. Über Funk hörte ich, daß Andreas Becker am Sausteigen kein Steigen mehr finden konnte und bei Zell landen mußte. Die anderen Berliner waren aber munter unterwegs über den Leoganger und Loferer Steinbergen. Auf dem Pinzgauer Spaziergang hielt es den Fotoapparat nicht mehr im Gurtzeug. Der Blick auf den Alpenhauptkamm mit Großglockner, auf den Zeller See aus knapp 4000m mußte einfach konserviert werden und ich kam etwas ins Bummeln. Mit einigen anderen Drachen, die sicher zur Österreichischen Meisterschaft gehörten, ging es weiter bis zum Wildkogel, von dort aus ein langer Abgleiter über den Hahnenkamm Richtung Ruhpolding. Die spätere Auswertung ergab, daß es gerade noch ein FAI-Dreieck nach OLC-Regel geworden war und somit punktbester Flug des Tages. Wolfgang Nisser konnte ein nur wenig kleineres Dreieck über Saalfelden und Wilder Kaiser mit Landung in Ruhpolding abrechnen. Erstaunlich, daß insgesamt nur 4 Piloten außen gelandet waren.

Für den nächsten Tag versprach der Wetterbericht auch gute Streckenflüge, sagte aber zunehmende Labilität voraus. Also wurde wieder ein Durchgang nach OLC-Regeln angesetzt. Um nicht noch einmal der Mitttagsflaute zum Opfer zu fallen, wurde besonders zügig gestartet. Heute gab es ein ganz anderes Problem mit dem Hochkommen: eine schwache Inversion deckelte das Steigen und man kam einfach nicht mehr auf Startplatzhöhe. Alle gestarteten Drachen bewegten sich auf fast gleicher Höhe und belauerten sich gegenseitig. Kaum erwischte einer zufällig das Haar eines Bartes, stürzten sich alle drauf  und das Geschubse und Gezerre daran begann. Wäre beim Briefing eine Drehrichtung festgelegt worden, so hätten sich einige Piloten dabei doch wohler gefühlt. Nach fast einer Stunde nervenaufreibenden Wartens kam endlich der erlösende "Durchreißer" und spülte das Feld eine Etage höher. Wolkenfetzen begannen aber schon bei 2400m, da wurde der Gleitflug übers Sonntagshorn wesentlich spannender. Auch danach war es heute viel mühsamer. Ein langer Aufenthalt am Grubhörndl  brachte den Beteiligten nur wenig ein, die Wolke darüber war schon recht dunkel und schattete sehr effektiv ab. Auf der anderen Talseite tief angekommen rettete noch einmal ein ruppiger Leebart vor der Landung, ein paar Kilometer weiter war dann Schluß. Einzig Wolfgang Nisser konnte auf seiner Vortagesroute den zweiten Schenkel noch bis zum Wilden Kaiser fliegen, die anderen Mitglieder der Berliner Mannschaft und ich vergruben sich im Saalachtal. Da es dort heftig turbulent zuging, wurde bei den Landungen eine größere Menge Alu-Schrott produziert. Lokalmatador Dieter Kamml flog als Einziger eine längere Strecke ins Ziel und holte sich mit 97 OLC-Punkten den Tagessieg. Das ergab 900 Wertungspunkte für den zweiten Durchgang und zusammen mit den 571 Punkten vom Vortag den dritten Platz in der offenen Gesamtwertung. Dabei blieb es auch, denn an den beiden folgenden Wettbewerbstagen regnete es. Neuer Ostdeutscher Meister wurde Wolfgang Nisser von der Schleppgemeinschaft Segeletz Berlin, der damit neben einer beachtlichen Geldprämie einen Gutschein der Firma Bräuniger gewann. Da mit Jutta Fürsattel und Gabi Demberger zwei Damen vom DCB Ruhpolding teilnahmen, gab es erstmalig eine offizielle Damenwertung. Neue Ostdeutsche Meisterin wurde Olga Lüders vom Luftsportverein Crawinkel.

Ergebnisse offene Wertung:

  1. Wolfgang Nisser Bautek Twister  1649 Punkte

2. Konrad Lüders Aeros Stealth  1490

3. Dieter Kamml Icaro Laminar 14 ST  1471

4. Mike Füllgraebe Bautek Sunrise  1279

5. Bernd Wachowski  Icaro Laminar 14 ST  1242

6. Andreas Becker Icaro Laminar 14 ST  1068

7. Jan Lozek Moyes Xtralite  1050

8. Jan Richter Seedwings Merlin  148   936

9. Silvio Ehrich Wills Wing AT 145  869

10. Uwe Schmidt Seedwings Merlin  148   717

Alle Teilnehmer waren sich darin einig, daß auch diesmal die OLM eine runde Sache waren. Die Wertung nach OLC-Regeln hatte sich unter  den spezifischen Bedingungen dieses Wettbewerbs  voll bewährt. Schade, daß wir zum gemeinsamen Wettbewerbstermin mit den Ostdeutschen Gleitschirmfliegern nicht auch den gleichen Startberg nutzen konnten. So kam es nur zu sporadischen Treffen aber einer gemeinsamen Siegerehrung. Da wäre sicher mehr drin gewesen. Auch haben nur Piloten von recht wenigen Vereinen der DHV-Region Ost teilgenommen. Die versprachen sich dann aber alle ein Wiedersehen im nächsten Jahr, egal ob wieder in den Alpen oder bei einer Schleppmeisterschaft im Flachland.

Konrad Lüders