X
Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Baden-Württembergische Meisterschaft im Drachenfliegen

Ein Bericht von Charlie Jöst

Nach 2 Durchgängen auf dem Fluggelände der Leibertinger Segelflieger steht der neue Baden-Württembergische Meister fest: Ligapilot André Djamarani dominierte mit 2 Tagessiegen souverän die Meisterschaft, gefolgt von Hans Georg Hames und Thomas Sterzing.

Beste Voraussetzungen

Nachdem die DHV-Regionalversammlung Südwest beschlossen hatte, in diesem Jahr mal wieder eine Drachenflug-Landesmeisterschaft im Flugzeugschlepp auszutragen - die letzte Meisterschaft dieser Art vor 4 Jahren in Bösingen war noch in guter Erinnerung - hatten noch auf der Versammlung die Bösinger und Spaichinger Drachenflieger eine Kooperation vereinbart: Der Drachenfliegerverein Spaichingen würde die Ausrichtung übernehmen, der DFV Bösingen den Schlepp organisieren. Kurzfristig stand, Dank der guten Beziehungen des Spaichinger Vorsitzenden Norbert Kotscharnik zu den Leibertinger Segelfliegern, deren attraktives Fluggelände für die Meisterschaft zur Verfügung. Und nicht nur das: Die Segelflieger schränkten für die Drachenflieger Ihren Segelflugbetrieb ein und stellten quasi ihre komplette Infrastruktur, einschließlich Campinggelände, Aufenthaltsraum und Büro, für die Meisterschaft zur Verfügung. Morgens und Abends gab es aus der Segelfliegerküche sogar Frühstück und Abendessen für die Teilnehmer! Mensch, was begehrst Du mehr - außer bestem Flugwetter natürlich - und das ließ nicht lange auf sich warten...

Der erste Tag

Der Stuttgarter Meteorologe verbreitet am Telefon trotz wolkenverhangenem Himmel Optimismus für den Nachmittag: Es kann nur besser werden. Für die 19 Teilnehmer und die Funktionäre ist also keine übertriebene Eile angesagt, und Bernd Weist kann als Organisator in Ruhe die Einschreibung der Piloten vornehmen. Wettbewerbsleiter Charlie Jöst freut sich, dass mit Alex Köhler wieder ein erfahrener Auswerter zur Verfügung steht. Schließlich gelingt es sogar, auch die wenigen, noch nicht GPS- erfahrenen Piloten mit Geräten zu versorgen. Film ist out! Die erste Ba-Wü ohne Fotoauswertung kann beginnen. Wieder eine Premiere im Ländle!

Beim Wechsel der Startrichtung, als alle Piloten ihre aufgebauten Drachen zum anderen Ende des Platzes tragen müssen, kommt es zum einzigen Unfall dieser Meisterschaft mit Folgen: Favorit Roland Wöhrle verstaucht sich einen Fuß in einem Hamsterloch und muss am nächsten Tag aufgeben. Endlich steht die Aufgabe fest: Ein Zielflug über 42 Kilometer zum Segelfluggelände Hayingen. Geduldig, aber leicht irritiert, beobachten die anwesenden Segelflieger die jetzt ausbrechende Hektik am Startplatz und halten die teilweise seltsam anmutenden Gebärden und Flüche für wohl drachenflieger-typisch. Schleppflugzeuge sind genügend vorhanden - aber es scheint, dass einige der Drachenpiloten schon lange keinen Schlepp mehr gemacht haben. Zum ersten Mal sind auf einer Ba-Wü mehr Starrflügel am Start als Flexible. Für die Starren sollte der Start hinter den beiden 3-achs Ul (Condor und STOL) eigentlich kein Problem sein. Die Flexies hängen sich am Anfang lieber hinter die Trikes. Später wird aber auch die Scheu vor den 3-Achsern überwunden. Schade, dass der erhoffte Dragonfly erst zum Ende der Meisterschaft einsatzfähig sein wird.

Die Bodenmannschaften schließen Wetten ab, ob überhaupt jemand ins Ziel segeln wird. Die Auswerter sehen der Sache gelassen entgegen: Endlich keine Hetze mehr zum Ziel, um die Ziellinie auszulegen und die Zeitnahme vorzunehmen. Das GPS wird zuverlässig jede Annäherung an das Ziel und jede Außenlandung registrieren. Die ersten Außenlandemeldungen gehen ein. Arthur Bantle und Roland Wöhrle sind nahe ans Ziel gekommen. Als die ersten Piloten schon ihre Daten der Außenlandung in den Laptop einlesen kommt die Nachricht, dass André Djamarani als Einziger das Ziel erreicht hat. André und Roland liegen jetzt in der Wertung vorne, da Arthur trotz weiterer Strecke als Roland durch den Faktor (Malus) als Starrflügel weniger Punkte bekommt. Die Wetterprognosen für den nächsten Tag sind uneinheitlich. Die Drachenflieger setzen auf das Prinzip Hoffnung und werden nicht enttäuscht...

Der zweite Tag

Es gibt eine ausgleichende Gerechtigkeit für das wetterbedingte Warten am Kandel bei früheren Meisterschaften! Ringsum ist für Deutschland kaum fliegbares Wetter angesagt - aber die Alb zeigt sich von ihrer besten Seite. Zwischen einer nach Norden abziehenden Kaltfront und einem Höhentief über Südfrankreich liegt Baden-Württemberg im Kern eines Zwischenhochs wie man es besser nicht timen kann.

Wie aus dem Lehrbuch quellen schon am späten Vormittag die Cumuli bei schwachem Wind in den stahlblauen Himmel. Die Starrflügelpiloten sehen ihre Revanche für den Vortag gekommen. Wettbewerbsleitung und Pilotensprecher entscheiden sich für ein 49 km großes Dreieck rund um Leibertingen. Schloss Sigmaringen, Schloss Krauchwies und Kloster Beuron heißen die Wendepunkte. Eine Sightseeing Tour in einer der schönsten Regionen Deutschlands, werden die Teilnehmer später schwärmen.

Die Hektik des Vortages ist verschwunden. Routiniert gehen die Schlepps wie am Fließband über die Bühne. Die Segelflieger sind diesmal sichtlich beeindruckt und können sich zukünftig sogar einen problemlosen Mischbetrieb vorstellen. Die Spaichinger Drachenflieger hören das gerne. Sind sie doch nur wenige Kilometer von Leibertingen entfernt.

Fast das gesamte Feld bewegt sich jetzt irgendwo zwischen Sigmaringen und Beuron. Mit geübtem Auge können immer wieder einzelne Piloten beim Anflug auf die letzten Wenden beobachtet werden.

Kurz nach 14.30 überfliegt der erste Pilot das Ziel. Hans Georg Hames hat mit seinem Exxtacy in der drittschnellsten Zeit sogar den Großteil der Atos Konkurrenz abgehängt und durch seinen frühen Start die "Early Bird" Bonuspunkte eingeheimst . Diese zusätzlichen Punkte bringen ihn sogar vor den schnellsten Piloten, Thomas Sterzing, der mit seinem Atos in nur 1 Std 48 Min. einen Schnitt von 26,8 Km / Std. erreicht hat. Da André Djamarani mit seinem Moyes Lightspeed immerhin der zweitschnellste Pilot war und vom Gerätefaktor profitiert gewinnt er auch diesen Durchgang mit deutlichem Punktevorsprung. Mit rund der Hälfte der Teilnehmer im Ziel, darunter die beiden Thieringer Brüder Ralf und Rainer aus Bösingen, die sich punktgleich auf Rang 4 schieben, ist dieser Durchgang eigentlich kaum noch zu toppen und macht mit einer Wertigkeit von fast 1000 Punkten einer Landesmeisterschaft alle Ehre.

So erscheint es verständlich, dass bei den Piloten am vorletzten Tag der Meisterschaft bei immer dichter und dunkler werdendem Himmel keine große Begeisterung mehr für weitere Durchgänge zu wecken ist. Der Wettbewerb ist zu Ende, die Meisterschaft hat verdiente und würdige Meister, und alle sind jetzt neugierig auf den langerwarteten Dragonfly, der, von Mister Moyes persönlich gesteuert, im Anflug auf Leibertingen ist....

"Mister Drachenflug" beehrt die Alb

(siehe Videoclip)

Während die ersten Piloten schon ihre Fluggeräte einpacken, um dem augenscheinlich drohenden Regen zu entgehen, kämpfen sich Jürgen Rüdinger, Importeur und Musterbetreuer des Dragonfly, und Bill Moyes, Flugpionier und Hersteller, zwischen einzelnen Schauern Richtung Leibertingen. Jürgen etwas komfortabler in seinem geschlossenen Condor, Bill im offenen Dragonfly.

Ein kurzer Funkspruch mit Bill "Yeah, it´s lousy cold up here, I need a cup of hot coffee, where are we" und Jürgen " Hi Bill, straight ahead behind the dark clouds is Leibertingen", verstärkt die Hoffnung, doch noch den Dragonfly bei seiner Deutschland-Premiere als Schleppflugzeug zu erleben.

Souverän setzt Bill den leichten Vogel aufs Gras und steht schon nach wenigen Metern Rollstrecke.

Er trägt einen dicken Skianzug aber keinen Helm, und die Stirn glänzt vom Regen. Wir entschuldigen uns für das miese Wetter und fragen, warum er keine Kopfbedeckung trage : " I never in my life wore a helmet and I will never wear one". Kernig und kurz teilt sich Bill seiner Umwelt mit, dabei lächelt er manchmal verschmitzt und man mag nicht glauben, dass der Mann in kürze 70 Jahre alt wird.

Auffallend herzlich ist sein Verhältnis zu Jürgen Rüdinger, seit die beiden wochenlang miteinander am Dragonfly gewerkelt haben, bis endlich die Zulassung in Deutschland geschafft war.

Noch bevor die ersten Regenschauer in Leibertingen niedergehen werden wir Zeuge des ersten Drachenschlepps mit dem frisch zugelassenen Dragonfly. Jürgen Groß aus Schwäbisch-Hall hat die Ehre, sich mit seinem Aeros Combat von Mister Moyes persönlich in den Himmel ziehen zu lassen.

Ganz ruhig, nahezu gemächlich, ziehen die beiden bei offensichtlich guten Steigraten dem dunklen Himmel entgegen. "So schön bin ich noch nie geschleppt worden", verkündet der Drachenpilot nach der Landung. Sachkundig erklären uns Bill und Jürgen die Veränderungen, die nachträglich am Dragonfly für die deutsche Zulassung zu machen waren. Nicht alles ist für Bill so einsichtig, "because these crazy germans make everything much more perfect than necessary", und dann lächelt er wieder verschmitzt. Auf den Einwand der behördlichen Vorgaben reagiert er auf seine unnachahmliche Art: "I was first - the rules were later".

So wird unsere Siegerehrung durch die Anwesenheit von Bill Moyes international aufgewertet und Bill noch mal richtig munter, als er erfährt, dass André Djamarani als Gewinner und neuer Meister einen Moyes Lightspeed geflogen hat.

Neben den Erinnerungsplaketten hat Norbert Kotscharnik für die Sieger zwar ungewöhnliche, aber dafür nahrhafte Geschenke aus Spaichingen mitgebracht:

Original schwäbische Nudeln aus heimischer Produktion.

Mit einem herzlichen Dank an alle Helfer und besonders an die Leibertinger Segelflieger geht eine schöne Meisterschaft zu Ende. Und bei allen, die dabei waren, klingen noch die Worte des Vorsitzenden der Segelflieger, Berthold Riester, im Ohr:

"Wir würden uns freuen, wenn wir Euch bald mal wieder auf unserem Fluggelände begrüßen dürfen ."

Vielleicht nehmen wir den Berthold ja tatsächlich beim Wort. Die nächste Ba-Wü kommt bestimmt...

 

Die Gewinner, v.l.n.r. Ralf Thieringer (Rang 4), Thomas Sterzing (Rang 3), Bill Moyes, André Djamarani (Rang1), Hans Georg Hames (Rang 2), Rainer Thieringer (Rang 4)