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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

B-Liga 2002 der Hängegleiter

Fliegen wie Gott in Frankreich

Prolog

Die B-Liga hat zwar den Ruf, Spaßliga zu sein, nichtsdestotrotz hatten wir uns für die Saison viel vorgenommen und drei Schwerpunkte von je etwa einer Woche gesetzt. Der erste Termin um den 1.Mai herum fiel nebst Reserve den Unwägbarkeiten des Wetters zum Opfer. Wurde das erst schlecht geredete Wetter vor dem 1. Mai nach erfolgter Absage dann doch gut, verhielt es sich mit dem sich anschließenden Reservetermin genau umge-kehrt. Immerhin wurde es dann doch für eine ganze Reihe B-Ligisten, die sich trotzdem an der Emberger Alm einfanden, zum Spaßfliegen: Streckenflugtraining mit den oft ersten OLC-Ausbeuten.

Die erste Chabre-Woche 7.-13.7.

Unser neuer Teamchef Kai Ehrenfried ist von den französischen Fluggebieten begeistert und steckte uns damit an. Also wurde beschlossen, eine Woche nach Laragne zu fahren und wir blieben dabei, als später bekannt wurde, daß auch die German Open dort stattfinden sollten. Was der Mont Blanc für Chamonix ist der Chabre für Laragne. Mehr als doppelt so lang wie der Mont Blanc hoch, stellt der Chabre infolge seiner West-Ost-Ausrichtung eine Hürde für alle Süd- und Nordwinde dar. Die sorgen deshalb für Aufwind, der regelmäßig von Thermikblasen aus dem Tal durchsetzt wird wie ein leckerer Kuchen von Rosinen. Laragne ist wegen des Chabre ein Mekka für Drachenflieger.

Am Sonntagmorgen werden nach den üblichen Formalitäten, schnell die beiden Kleinbusse vollgeladen und auf geht's, den Berg hinan. Der "Fisch" wird inspiziert, eine schmale Waldwiese auf einem Ausläufer des Chabre, die als Notlandeplatz bei Südwind herhalten muß. Oben endlich angekommen, gilt es noch ein paar Dutzend Höhenmeter mit Muskelkraft draufzulegen, und wir sind auf dem Gipfelgrat. Malerisch die Landschaft: Sind es zackige Grate, schluchtartige Täler oder dekorative Felskragen, die Natur war hier ziemlich einfallsreich. Da-zwischen gibt es eine Menge für Außenlandungen gut geeigneter Felder und Wiesen. An schönsten Erwartun-gen haben wir also keinen Mangel. Die Drachen sind kaum zu bändigen, eifrig schnappen sie nach jeder Warmluftblase, die ihnen in die Nase steigt. Allmählich spricht sich herum, daß man Drachen hier festbinden muß: Eine feste Schnur an der Hauptaufhängung mit einem der hier vorsorglich einbetonierten Ankerhaken im Boden straff gespannt so verbinden, daß diese senkrecht steht auf dem Dreieck Basis-Kielrohrende.

Kai hegt wohl große Erwartungen und stellt mit einem flachen Dreieck über 109km eine Riesenaufgabe. Es gibt gleich Andrang an den Startstellen. Dort geht es aber bald immer schleppender, der Wind setzt oft aus, dreht ständig. Fehlstarts sind die Folge. Das zehrt an den Nerven der restlichen Piloten, etliche packen ihre Geräte wieder ein, einige warten noch lange auf eine startbare Phase, um wenigstens den "Fisch" mal auszuprobieren. Niemand fliegt ins Ziel, Fredi Huber aber immerhin 89km weit.

Uli Schorer ist Pechvogel des Tages. Kaum hatte er sein Gurtzeug im Packsack an den Rand des Außenlande-feldes gestellt und seinen Drachen geschultert, als ein Auto anhält, den Packsack einsackt und ohne Uli und Drachen davon braust. Kai schenkt ihm ein paar warme Socken, was sonst noch fehlt an der Ausrüstung kann ihm geliehen werden, so dass Uli weiter mitfliegen kann.

Am Montag sorgt ein spitzer Stein für eine Reifenpanne, das verzögert die Auffahrt. Deswegen haben wir nur 43km im Dreieck zu fliegen. Petrus ist heute gut gelaunt, sorgt für stabilen Startwind, die Thermik bekommt sogar Sahnehäubchen aufgesetzt. Jürgen Bummer zischt als Schnellster in nur 45 Minuten ins Ziel.

Am Dienstag hat der Wind zugelegt, viele Wolken sind zerrupft und haben es ziemlich eilig. Andere sehen aus wie Linsen, stehen stabil über dem Chabre, der dadurch aussieht wie ein Halunke mit Schiebermütze. Die oben gemessenen Windgeschwindigkeiten bestätigen den optischen Eindruck. Nach einer Stunde Abwarten wird ein Grillabend beschlossen. Die Chabre-Schlucht wird für Badeausflüge und Klettertouren genutzt, die schöne Landschaft wird erkundet oder mit den schweren Boccia-Murmeln gespielt. Abends wärmen sich alle am Grill.

Der Mittwoch beginnt mit dem Durchgang einer Kaltfront. Sturzbachartig prasselt der Regen und niemand denkt ans Fliegen. Dann gibt es um 11.30Uhr doch Briefing mit guter Hoffnung auf einen fliegbaren Nachmit-tag. Also wieder hoch auf den Berg und Drachen aufgepflanzt. Erst kommt der Wind aus Süden, folglich bele-gen die Frühfahrer die besten Südstartplatze. Die letzten werden wieder mal die ersten sein, denn der Wind dreht bald auf Nord. Eine kleine Aufgabe über gut 40km erscheint trotz der kurzen verfügbaren Flugzeit als angemessen. Die Hälfte der Piloten ist gestartet, als der Wind launisch wird, auf Westen pendelt und oft ganz aussetzt. Auf dem Chabre steht man ja wie auf einem Hobeleisen: eine Richtung flach, die andere nicht nur steil, sondern mit Hohlschliff 200m senkrecht nach unten abfallend. Auf der Schneide balanciert man mit dem Drachen. Ein paar Schritte nur trennen von Abgrund und Leewalzen. Da überlegt man es sich genau, ob man losläuft. Die Startpausen werden lang und länger, 7 Piloten werden wieder abbauen müssen. Kai vermisst sei-nen Gleitschirmpacksack nebst Schirm, Vario, Handschuhen,...Wenn er nicht den Abhang heruntergekullert ist, muß ihn jemand "weggetragen" haben. Dann meldet sein Kleinbus die bereits dritte Reifenpanne - Kai bleibt cool!

Wieder waren die Starrflügler die schnellsten Flieger.

Zum Donnerstagsbriefing werden uns sowohl gute Thermik als auch lebhafter Westwind mit vielen km/h in gar nicht großer Höhe geweissagt. Trotzdem fahren wir wieder auf den Chabre, der gar keinen Weststartplatz hat. Die Aufgabe: 38km gegen den Wind und dann im Zick-zack nach Hause. Uli Schorer reißt als zweiter Starter einen schönen Bart am Fuß des Chabre auf und wird rasch mit dem Wind versetzt. Tapfer wendet er sich der eigentlichen Flugaufgabe zu und verbrät die kostbaren Höhenmeter in fruchtlosem Kampf mit dem Westwind. Dann heizt er über den Startplatz und schreit laut herunter, dass der Wind zu stark sei. Das wissen wir ja schon seit dem Briefing und man sieht es den Wolken auch an. Nach einigem Hin und Her wird der Durchgang abge-brochen, die Starts sind bei Seitenwind gefährlich und die Strecke schlecht gewählt. Schade, daß wir auf dem falschen Berg stehen.

Am Freitag fahren wir mit den Autos dem Westwind entgegen nach Sederon. Der Startberg ist ein nicht beson-ders ansehnlicher Hügel, nach Westen hat er aber eine schön gleichmäßig abfallende Wiese zu bieten. Kai er-muntert uns noch mit den Worten, dass man hier leicht absaufen kann. Allerdings drehen zunächst alle gestar-teten Piloten gut auf, so dass sich Kai schon zu wundern beginnt. Die Welt ist dann wieder im Lot, als der Berg doch einmal eine Atempause benötigt und etliche gerade gestartete PilotInnen an den örtlichen Landplatz beor-dert. Die sind traurig, denn die Wolken locken und viele Piloten segeln heute ins Ziel.

Am Samstag bläst es schon am Morgen munter aus nördlichen Richtungen. Kai läßt uns noch eine Runde Wet-terbericht abwarten, bevor er uns wieder frei läßt. Ab in die Kaleschen und Gas gegeben, wir haben Gegen-wind!

German Open und B-Liga 11.-18.8.

Als wolle Petrus die vor der Sintflut geflüchteten etwa 100 Teilnehmer der German Open mit dem Fön trocknen, empfängt uns die Provence mit Mistral. Am Himmel stehen eindrucksvolle, mitunter mehrstöckige Lentis und wir blicken neidisch zu den Segelfliegern hinauf, die zwischen ihnen hin und her huschten. Steffen Hert-ling glückte es, als Segelflugpassagier von Klaus Ohlmann einen Traumflug zu erleben: 1231km Zielrück über den gesamten Alpenbogen. Es gab viel Zeit für Ausflüge, zum Klettern, Baden und wir B-Ligisten gaben unsere Erfahrungen aus der ersten Chabre-Woche zum Besten. Von denen profitierten dann alle, als wir am dritten Tag endlich fliegen können. Es gibt 7 Kleinbusse und keine Reifenpannen mehr. Die A-Ligisten drängeln sich so-fort in die Startgassen, weil sie durch uns wissen, dass am Chabre die Startfenster klein sind. Wir sind höflich und lassen sie ehrfürchtig vor. Steht der Wind gut an, dirigiert Coach Lukas Etz souverän seine vier Startgas-senleiter und der Chabre feuert Drachen aus allen Rohren. Leider oft ist der Wind unzuverlässig, mal Nord, mal Süd. Hektisch wird es, wenn Guido oder Bob starten wollen, weil sich viele Piloten gleichzeitig als Geleit-schutz aufdrängen. Dreht der Wind, dreht sich die Startreihenfolge. Die Letzten sind plötzlich die Ersten und umgekehrt. Wer in der Mitte steht hat Pech. Einige Piloten bringen es auf zwei Stunden eingehängt im Gurt-zeug, drehen sich dabei wie Riesenventilatoren. Carol Binder tröstet die Piloten und erstellt eine Statistik der meisten Umdrehungen. Heiß her in der Luft ging es gleich nach dem Start zum ersten Durchgang. Drehrichtung war links, einige Freiflieger kannten wohl nur Rechtsgewinde. Dazu deckelte eine Inversion den Chabre und die Luft darunter Auch Fredi Huber konnte als einziger B-Liga-Pilot mit der viertbesten Zeit der Starren nach Hau-se fliegen wurde richtig knapp. Wollte man nicht gleich landen, musste man mit wenig Höhe abfliegen. Glück-licherweise schob der Nordwind. Nach 12km Wende und retour gegen Wind und Lee des Chabre. Das groun-dete alle B-Flexis. Auch die A-Liga musste Federn lassen, nur drei Flexis und fünf Starre im Ziel, darunter un-ser Fredi Huber mit der viertbesten Zeit der Starren.

Bei optimalen Bedingungen wurde am nächsten Tag 111km Dreieck aufgegeben. Am Abend standen fast alle Starren und immerhin 28 Drachen im Ziel. Als einziger B-Flexi gehörte ich dazu und kassierte glücklich etliche Schulterklopfer. Ich war mit der ersten Startzeit abgeflogen und konnte davon profitieren, daß mir die schnelle-ren Drachen bei der Thermiksuche und Routenwahl halfen. Trotzdem war ich 5 Stunden unterwegs und landete als Letzter.

Guido hatte dagegen nur knapp die Hälfte der Zeit benötigt. Noch schneller war Lokalmatador David Chaumet mit seinem Top Secret. Erfreulich gut mithalten konnten unsere beiden B-Starren Jürgen Bummer und Fredi Huber mit Platz 3 und 9 der Tageswertung.

Am nächsten Tag sind die Startbedingungen heikel. Viele Piloten kommen zu spät aus den Startlöchern, um die wieder lange Aufgabe zu schaffen. Es geht dabei weit ins Gebirge hinein über unlandbare Täler und die Dor-millouse zurück. Nach dem Motto "Augen zu und drüber weg" schaffen doch 18 Piloten die Strecke. Nicht nur Lukas ist erleichtert, daß alles gut gegangen ist.

An den letzten beiden Tagen kommen wegen Gewitter keine Wertungsdurchgänge mehr zu Stande.

Ganz vorn bei den Flexis liegen Guido und Bob, bei den Starren siegt David Chaumet vor Toni Raumauf und Thomas Schulz. B-Ligist Jürgen Bummer ist Zweiter der nationalen Wertung!!! Beste Frau ist Rosi Brahms, die vor Freude darüber einen sauberen Flick-Flack hinzaubert. Nach den vielen Ehrungen der nationalen und inter-nationalen Wertungen, der Deutschen Meisterschaft (A-Liga) von Männern und Frauen, von Starren und Flexis, wird die B-Liga fast vergessen. Dann gibt es doch noch Pokale für Jürgen Bummer, Fredi Huber und Jürgen Buchert. Auch unsere beiden Frauen Bärbel Elsner und Olga Lüders ernten verdienten Applaus. Danach gibt es Hammelbraten und Rotwein. Am nächsten Tag bekommen wir vom Gaspedal erst dicke Füße und abends am Fernseher feuchte Augen angesichts unbändiger Wasserfluten.

Fazit:

Die B-Liga kam zwar spät aus den Startlöchern, aber dann doch zu einer guten Anzahl von 7 Wertungsdurch-gängen und noch weiteren Trainingsflügen. 14 Tage in Laragne waren sicher viel, andererseits hatten wir durch die erste Woche doch das notwendige Gefühl für dieses nicht einfache Fluggebiet entwickelt. Die Erfahrungen hierbei kamen der Organisation der German Open unmittelbar zugute. Wir haben eine Menge Spaß gehabt, neben vielen schönen Flügen auch die Landschaft genießen können, also einen runden Urlaub bei stets schönem Wetter gehabt. Was die sportlichen Leistungen anbetrifft, sieht die Bilanz ernüchternd aus. Lediglich Jürgen und Fredi konnten mit den A-Ligisten mithalten, dabei sogar Achtungszeichen setzen. Dahinter klafft aber eine große Lücke. Die B-Flexis besetzen in schöner Einmütigkeit die Plätze ab etwa Nr.40 der GO. Wenn sich daran in Zukunft etwas ändern soll, muß sich konzeptionell etwas ändern. Die B-Liga soll ja nicht nur Spaß machen, sondern den Ehrgeizlingen Sprungbrett für die A-Liga bzw. Jungbrunnen für die A-Absteiger sein. Den enor-men Leistungsvorsprung der Spitzenflieger kann man aber nicht dadurch aufholen, daß man so wie bisher Strecken fliegt. Das ist eine andere Qualität, und die muß erst mal durch den Kopf. Wenn einem noch niemand die Angst vor dem Absaufen genommen hat, wenn man tief an einem Grat lang fliege, kurbelt man lieber die Bärte aus und fliegt immer "schön hoch". Letztendlich erreicht man aber doch nur selten das Ziel, weil man zu spät startet, zu hoch fliegt, zu langsam ist, zu viele Bärte braucht (irgendwo fehlt dann einer). Wer würde nicht gern bei Guido, Bob oder Olli als Mäuschen auf der Basis sitzen und lernen, wie man schnell wird? Bei der Junior-Challenge der Gleitschirme fliegen gute Liga-Piloten die Durchgänge mit und kommentieren das Ver-halten der Piloten. Ähnliche Lehrvorführungen könnte ich mir in der B-Liga der Drachen vorstellen: Guido, Bob oder Olli fliegen vorn mit und kommentieren ihre Taktik und mögliche Varianten per Funk. Das wäre ein mächtiger Lerneffekt. Eine Nachbereitung am Abend würde noch den i-Punkt drauf setzen. Vielleicht läßt sich so etwas für die nächste Saison organisieren?

Konrad Lüders