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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Maßnahmen gegen den Tuck

Das schwerpunktgesteuerte Nurflügelmodel der Filmaufnahmen
Christof demonstriert sowohl den Vorwärtslooping als auch den Tuck mit Autorotation
Ein weiterer Versuch (Foto: Hartmut Schlegel)
Die Modellpalette

Video: ferngesteuertes Nurflügelmodell, das Tucks ein- und wieder ausleiten kann.

Text und Fotos Benedikt Liebermeister und Christof Kratzner

Szenenwechsel - Drachen-Damen-WM in Greifenburg, guter Flugtag mit wenig Wind und starker Thermik: Regina Glas vom Deutschen Nationalteam fliegt mit der Österreicherin Uschi Broich auf 3.500 m an der Wolkenbasis. Am Wolkenrand wechseln starke Auf- und Abwinde, die Luft ist turbulent. Mit Kraftanstrengung fängt Regina die Schläge an der Basis ab. Uschi ist einen Sekundenbruchteil unaufmerksam, verliert die Basis aus den Händen. Der Drachen tuckt. Sie landet im Segel und wirft den Rettungsschirm. Am selben Tag überschlägt sich auch die zweifache Weltmeistern Kari Castle aus den USA. Zum Glück landet sie wie die Österreicherin unverletzt am Rettungsschirm.
Aktueller Anlass für Christof Kratzner – verantwortlich für die Drachentechnik im DHV – Maßnahmen gegen den Tuck zu erklären.
Zuerst die Definition: Tuck ist ein Überschlag vorwärts, der in zwei grundverschiedenen Varianten auftritt: Der Tuck aus dem Normal oder Schnellflug, bei dem es sich um einen Vorwärtslooping handelt sowie aus dem Langsamflug mit schneller Autorotation.
Anhand mehrerer Versuche mit Modellfliegern demonstrierte Christof sowohl den Vorwärtslooping als auch den Tuck mit Autorotation.
Zum "Vorwärtslooping", folgende Ausgangssituation: Der Drachen entlastet auf weniger als ein g. Z.B. durch eine Abwindböe. Nur bei positivem g hat er Schränkung und Pitch Up. Auf Grund der Pendelstabilität fliegt das Gerät eventuell bei Belastung zwischen +1 und 0 g immer noch, gerät das Lastvielfache jedoch in den negativen Bereich, erfolgt der Überschlag, früher auch als Flattersturz bekannt. Zur Veranschaulichung noch ein Modellflug mit flexiblen Flügelenden ohne Schränkungsanschlag.
Seit es Flugmechanikmessungen gibt, dürfte es diese Unfälle nicht mehr geben, vorausgesetzt, die Geräte werden in der geprüften Einstellung geflogen und die Betriebsgrenzen eingehalten. Längsstabilität wird "nur" bis 100 km/h gemessen und die Geräte bis 90 km/h zugelassen. Wird schneller geflogen, ist es nicht garantiert, dass noch ausreichend Pitch up vorhanden ist.
Was kann der Pilot gegen den Tuck tun? Gerät in mustergeprüfter Version fliegen, Schränkungsanschläge nicht herunterstellen. Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit nicht überschreiten.
Anmerkung für Gleitschirmflieger: Ein Gleitschirm fliegt aufgrund der Pendelstabilität, obwohl er immer negatives pitch hat, aber die physikalischen Voraussetzungen sind völlig anders (7 m Leinen, Kappe 5 kg, Pilot 75 kg), der GS klappt bei negativer Last einfach ein.
Anhand weiterer Modellflieger verdeutlichte Christof die Autorotation. Die Vorausetzungen dafür sind: wenig Fahrt, hoher Anstellwinkel, Schwerpunkt weit hinten sowie weitgehend abgerissene Strömung. Männchen oder das Stehenbleiben auf dem Rücken infolge eines verpatzten Loops beim Acrofliegen sind typische Situationen. Auch ein Seilriss an der Winde und extreme Turbulenzen sind denkbare Ausgangspositionen.
Legte man an den Modellen, die sich vorher in Autorotation überschlugen, den Schwerpunkt nach vorne, war keines mehr zum Tucken zu bringen. Auch das fliegende Brett mit der kleinsten aerodynamischen Dämpfung stoppte den Überschlag selbständig und flog durch den Saal. Deutlich wurde auch hier, dass das Pitch up spätestens beim Abfangen nach dem gestoppten Überschlag notwendig ist.
Maßnahmen gegen Autorotation: nicht in die Ausgangssituation bringen, kein Acro, außerdem extreme Turbulenzen vermeiden. Gerät in mustergeprüfter Version fliegen, Schränkungsanschläge nicht herunterstellen. Passiert es doch: bei einem Entlasten oder Abnicken - spätestens wenn die Aufhängung locker wird - den Schwerpunkt nach vorne bringen (Bügel ziehen!)
Zum Abschluss zeigte Christof Filmaufnahmen – siehe DHV-TV - von einem ferngesteuerten Nurflügelmodell, das er um die Querachse mittels Schwerpunktverlagerung steuerte. Bezüglich der Gewichts- und Hebelverhältnisse ist das Modell mit einem Drachen vergleichbar. Unter der Fläche hing der Rumpf (Pilot) und bewegte sich relativ zu dieser hin und her (siehe Foto 1).
Das Modell begann nach einem Männchen zu tucken, aufgrund der Modellgröße mit einer hohen Drehrate von 3-4 Umdrehungen pro Sekunde. Allein durch Schwerpunktverlagerung nach vorne, ließ sich der Tuck stoppen. Der ungeschnittene Film zeigte eindrucksvoll, dass dieser Vorgang beliebig oft reproduzierbar ist. Ebenso ersichtlich wurde, wie klein die benötigten Steuerkräfte sind. Beim statischen Versuch am Boden knickte die Schubstange der Schwerpunktsteuerung einfach weg, wenn man das Modell, an der Tragfläche gehalten, in die senkrechte Lage brachte.
Es ist also durchaus möglich, beim Tuck den Steuerbügel in der Hand zu behalten.  Weitere Informationen zum Tuck gibt es in den DHV-Infos 128, 129 und 130.