Deutscher Hängegleiterverband e.V.
HomeIContactIImprintIData protection
DHV

Safety note

dhvlogo
Date09.04.2009
SubjectGurtzeug für Gleitschirm, Safe-In-Lock System (SIL), Charly-Finsterwalder
 

Am 29.03.09 kam es beim Gleitschirm-Windenschlepp zu einem Unfall. Unmittelbar vor dem Ausklinken, ca. 250 m GND, löste sich eine Tragegurt-Steckverbindung aus dem Gehäuse des SIL-Systems. Dadurch wurde der linke Tragegurt freigegeben, er hing jedoch noch mit dem Beschleunigerseil am Gurtzeug. Am Gurtzeug öffneten sich der Brustgurt und ein Beingurt. Der Gleitschirm geriet in eine flache Trudelbewegung, worauf der Pilot den Rettungsschirm auslöste. Wegen der teilweise geöffneten Gurte blieb der Pilot während des Abstiegs am Rettungsschirm bewusst in sitzender Position. Beim Aufprall direkt auf den Protektor zog er sich eine Brustwirbelverletzung zu.

Der DHV hat das Gurtzeug und die Schleppklinke untersucht. Ergebnis:

  1. Das SIL an der linken Seite des Gurtzeugs (ein bis 2003 gefertigtes Vorgängermodell des aktuellen SIL) hatte einen Defekt. Die obere Drucktaste befand sich dauerhaft in der "Entriegelt-Position", also gedrückt.
  2. Bild 1: Die schadhafte Drucktaste, dauerhaft in der "Entriegelt-Position".

    Bild 2: Funktionsfähige Drucktaste in der "Verriegelt-Position".

  3. Um Redundanz zu erzielen, ist das SIL-System mit einer zweiten Drucktaste an der Unterseite ausgerüstet. Der gesamte Mechanismus ist zuverlässig verriegelt, auch wenn nur eine der beiden Drucktasten funktionsfähig ist. Wie es im vorliegenden Fall zu einer Entriegelung dieser unteren Taste gekommen ist, konnte nicht geklärt werden. Möglicherweise ist die untere Drucktaste gegen den Bereich des Gurtzeugs gedrückt worden, wo die vertikalen Gurte der Hauptaufhängung mit den seitlichen Gurten zusammengeführt werden. Dieser Druck könnte die untere Taste geöffnet haben. Im normalen Flugbetrieb ist zwischen der unteren Drucktaste und dem unterhalb verlaufenden Gurten ein ausreichender Abstand. Im Endteil eines Windenschleppstarts, Klinke und Schleppseil führen unter Last im steilen Winkel abwärts, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die untere Drucktaste gegen das Gurtband gedrückt wird. Dies war jedoch beim Nachstellen des Unfallszenarios nicht schlüssig zu reproduzieren.
  4. Bild 3: Unterhalb der unteren Drucktaste verläuft ein Gurtband.....

    Bild 4:..das bei kräftigen Druck gegen die Taste zur Entriegelung führen kann.

  5. Das betreffende Gurtzeug war mit Schleppschlaufen am Brustgurt ausgerüstet. Dort war die Schleppklinke befestigt. Im Schleppbetrieb wirkt der Zug des Schleppseils über die Klinke auf den Brustgurt. Beim Nachstellen der Unfallsituation war jeweils ein sofortiges und vollständiges Auslösen des SIL mit einer Abtrennung des Tragegurts zu beobachten.

    Bild 5: Befestigung der Klinke an den Schleppschlaufen des Gurtzeugs.

    Bild 6: Nach Drücken der unteren Taste wird der unter Zug stehende Brustgurt aus dem Gehäuse des SIL gerissen, der Tragegurt trennt sich nach oben ab.

Die Firma Charly-Produkte/Finsterwalder empfiehlt seit Jahren die Befestigung der Schleppklinke an der Tragegurt-Befestigung des SIL. Hierzu bietet der Hersteller ein Zubehörteil ein.

Bild 7: Zubehörteil von Charly-Finsterwalder für die Befestigung der Schleppklinke an der Tragegurt-Befestigung des SIL.

Versuche haben ergeben, dass eine derartige Befestigung der Klinke verhindert, dass der Brustgurt des Gurtzeugs unter Last kommt. Öffnet sich in dieser Konfiguration das SIL-System, steht der Brustgurt nicht unter Zug und die Zunge des Verriegelungsmechanismus wird nicht aus dem Gehäuse des SIL gezogen. Wie in den Spezifikationen des SIL als dritte Sicherung gegen ein ungewolltes Öffnen vorgesehen, verhaken sich in diesem Fall die gezackten Enden der Zunge im Gehäuse.

Bild 8: Bei nicht unter Last stehendem Brustgurt verhakt sich die Zunge im Gehäuse des SIL

In Absprache mit dem Hersteller erlässt der DHV folgende Sicherheitsmitteilung:

  1. Gemäß den Empfehlungen des Herstellers ist beim Windenschlepp mit Gurtzeugen, die mit dem SIL-System ausgerüstet sind, die Klinkenbefestigung an der Tragegurt-Verbindung zu wählen. Am Brustgurt vorhandene Schleppschlaufen sollten nicht weiter zu Befestigung der Schleppklinke benutzt werden. Schon aus grundsätzlichen Erwägungen ist diese höhere Befestigung der Schleppklinke beim Windenschlepp vorteilhaft (Verhinderung von Sackflügen am Seil).
  2. Die Gehäuse der SIL-Systeme der ersten Generation, wie im vorliegenden Fall, sind verschraubt, nicht vernietet, wie die nachfolgenden Modelle. Durch die Verschraubung kann im Gehäuse u.U. etwas "Spiel" auftreten, das eine Fehlfunktion einer Drucktaste möglich macht. Piloten, die eins solches SIL-System der ersten Generation benutzen, sollten beim Startcheck besonders darauf achten, dass sich beide Drucktasten in der "Verriegelt-Position" befinden. Alleine die akustische Kontrolle durch das hörbare Einrasten der Zunge ist dabei kein sicheres Zeichen für ein sicheres Verriegeln.
  3. Bild 9: SIL-System der ersten Generation mit verschraubten Gehäuse (Rückseite und seitlich)

  4. Grundsätzlich sind beim SIL-System beim Startcheck beide Drucktasten auf Verriegelung zu kontrollieren sowie durch Zug an der Zunge, ob diese sicher verriegelt ist.

Gmund, 9.4.09

Karl Slezak
DHV-Sicherheitsreferent