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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Rettungswesten-Test

Nach einem tödlichen Unfall bei einem Sicherheitstraining sind die Sicherheitsvorkehrungen bei Trainings über Wasser stärker ins Bewusstsein der Piloten getreten. Der Unfall ereignete sich im Herbst 2008. Nach der Wasserlandung eines Piloten hatte dessen Automatik-Schwimmweste nicht funktioniert. Da auch die Bergung durch das Rettungsboot zu lange gedauert hatte, war der Pilot ertrunken (DHV-Unfallbericht siehe hier).

Das „Sicherheitspolster“ Wasser kehrt sich sehr schnell ins Gegenteil, wenn nach einer Wasserlandung die wichtigsten Sicherheitskomponenten, Rettungsweste und Bootsrettung, versagen. Das System ist darauf ausgelegt, dass eine der beiden Komponenten ausfallen kann und trotzdem keine lebensgefährliche Situation eintritt: Funktioniert die Rettungsweste nicht, ist das Rettungsboot innerhalb kürzester Zeit beim Gewasserten. Sollte einmal das Boot versagen, hält die Rettungsweste den Piloten sicher über Wasser. Aber wie sicher?
Nach einer Wasserlandung drängt der massive Auftriebskörper des Gurtzeugprotektors, egal ob Staudruckprotektor (Airbag) oder Schaumprotektor, sofort nach oben und kippt den Piloten in die Bauchlage. Aufgabe der Rettungsweste ist es nun, soviel Gegen-Auftrieb zu erzeugen, dass der Kopf des Piloten nicht unter Wasser gerät. Solange der gewasserte Pilot in der Lage ist, Schwimmbewegungen mit den Armen zu machen, wird er, auch ohne Rettungsweste, seinen Kopf einige Minuten über Wasser halten können. Was aber im Falle einer Bewusstlosigkeit, z.B. durch einen Blackout, verursacht durch hohe G-Kräfte eines Flugmanövers oder als Folge eines harten Aufpralls auf die Wasseroberfläche. Was, wenn der Pilot durch Leinen und Tuch stark behindert ist oder eine Verletzung durch den Aufprall auf dem Wasser vorliegt und dadurch aktive Schwimmbewegungen nicht mehr möglich sind? Wie sicher sind die in den Trainings verwendeten Rettungswesten in einem solchen Fall?

Diese Frage war Gegenstand einer Untersuchung des DHV-Sicherheitsreferats, die mit Unterstützung der Flugschule Achensee Ende Juli 2009 am Achensee in Tirol stattfand.

Die Aufgabenstellung an die drei Piloten, die sich für die Aufgabe zur Verfügung gestellt hatten, war: Im Wasser landen und Bewusstlosigkeit simulieren. Die Jungs machten das so realistisch, dass den im Rettungsboot befindlichen Beobachtern angst und bange wurde, bis die „Opfer“ prustend und lachend wieder zum Leben erwachten. Selbstverständlich war das Rettungsboot der Flugschule Achensee, dessen auf Wasserspiegelniveau absenkbarer Bug die Bergung sehr vereinfachte, immer in unmittelbarer Nähe.

 

Immer dicht dran; das Rettungsboot

Die Rettungswesten
Fünf verschiedene Systeme wurden getestet:
1. Automatik-Rettungsweste mit 150 N (15,3 kg) Auftrieb nach EN 396. Fabrikat Nautomatik 3002S. Dies ist die in Sicherheitstrainings gebräuchlichste Automatikwesten-Größe. Gemäß Norm, ohnmachtsichere Rückenlage innerhalb von 5 Sekunden, bei einer Person mit Ölzeug, gewährleistet.
2. Automatik-Rettungsweste mit 275 N (28 kg) Auftrieb nach EN 399. Fabrikat Plastimo 275 N. Dies ist die Rettungswesten-Größe mit der höchsten Auftriebskraft. Gemäß Norm, ohnmachtsichere Rückenlage innerhalb von 5 Sekunden, bei einer Person mit Schlechtwetterkleidung, gewährleistet.
3. Spezial-Automatik-Rettungsweste für Benutzung mit extrem auftriebsstarker Kleidung mit 275 N (28 kg) Auftrieb nach EN 399. Fabrikat Secumar Alpha 275 3D. Dies ist die Rettungsweste mit der höchsten Auftriebskraft und einer speziellen Form, die das Drehen in eine ohnmachtsichere Rückenlage begünstigen soll.
4. Feststoff-Schwimmhilfe, nach EN 393. Fabrikat Secumar. Gemäß Norm ohnmachtsichere Rückenlage nicht gewährleistet. Feststoff-Schwimmwesten werden vereinzelt noch in Sicherheitstrainings verwendet.
5. Automatik-Auftriebskörper, der speziell für Wasserungen von Gleitschirmfliegern angeboten wird. Fabrikat Secumar. (Vertrieb www.freiflieger.eu). Dieser Auftriebskörper wurde in einem Artikel im „Thermik-Magazin“ vorgestellt.

 

 

Rettungsweste 150 N im Gurtzeug
Rettungsweste 150 N aktiviert
Rettungsweste 275 N im Gurtzeug
Rettungsweste 275 N aktiviert
Rettungsweste 275 N 3D im Gurtzeug
Rettungsweste 275 N 3D aktiviert
Schwimmhilfe 50 N im Gurtzeug
Schwimmhilfe 50 N
Auftriebskörper "Freiflieger" im Gurtzeug
Auftriebskörper "Freiflieger" aktiviert

Die Gurtzeuge
Verwendet wurden Gurtzeuge mit LTF-geprüften Rückenprotektoren, davon drei mit Schaumstoffprotektoren und eins mit einem Staudruck-Airbag.

Wasserung mit Automatik-Weste 150 N
Nach der Wasserung blieb der Pilot in der Bauchlage. Innerhalb von ca. 5 Sekunden füllte die CO2-Patrone die Rettungsweste. Der Auftrieb der Weste im Bereich des Kopfes war jedoch nicht groß genug, um Mund und Nase des Piloten oberhalb der Wasseroberfläche zu halten. 

Nur durch aktives Strecken des Kopfes nach oben, gelang es dem Piloten, sein Gesicht aus dem Wasser zu bringen.

Video 1: Wasserung Weste 150 N (vom Boot)
Video 2: Wasserung Weste 150 N (vom Ufer)

 

Wasserung mit Automatik-Weste 275 N

Die Rettungsweste mit 275 N Auftrieb zeigte die besten Ergebnisse im Test. Nach der Wasserung war der Pilot kurzzeitig in Bauchlage mit dem Kopf unter Wasser. Innerhalb von ca. 5 Sekunden füllte sich die Weste und drehte den Pilot in eine seitliche Lage. Dadurch kam der Kopf deutlich über der Wasseroberfläche zu liegen. Allerdings blieb der Klettverschluss bei einem Teil der Weste geschlossen (siehe Bild 5 und Video), so dass der volle Auftrieb erst nach Öffnen des Kletts per Hand wirksam wurde.

Video 1: Wasserung Weste 275 N (vom Boot)
Video 2: Wasserung Weste 275 N (vom Ufer)

 

Wasserung mit Automatik-Weste 275 N 3D

Diese Weste ist aus dem gewerblichen Bereich und für den Einsatz z.B. auf Ölplattformen bestimmt. Sie soll auch Personen, die mit schwerer, wasserdichter Bekleidung ausgerüstet sind, in eine ohnmachtsichere Rückenlage bringen. Im Test zeigte sich jedoch, dass die zusätzlichen großen Auftriebskörper vor der Brust für unsere Zwecke zu tief angebracht sind. Der Kopf kann zwischen diesen Auftriebskörpern seitlich ins Wasser geraten.

Video 1: Wasserung mit Weste 275 3D (vom Boot)
Video 2: Wasserung mit Weste 275 3D (vom Ufer)

 

 

Wasserung mit Feststoffweste 50 N

Feststoffwesten werden nicht als Rettungswesten sondern als "Schwimmhilfen" deklariert. Gemäß der Norm können sie keine ohnmachtsichere Lage des Gewasserten garantieren. Es hat deshalb nicht verwundert, dass diese Weste keinerlei Auftrieb für den Kopf entwickelt wenn der Pilot passiv ist. Nur mit aktiven Schwimmbewegungen des Piloten ist es möglich, den Kopf über Wasser zu halten.

Video 1: Wasserung mit Feststoffweste 50 N (vom Boot)
Video 2: Wasserung mit Feststoffweste 50 N (vom Ufer)

 

 

Wasserung mit dem Automatik-Auftriebskörper von "Freiflieger.eu"

Dieses Rettungsmittel ist ein großer rechteckiger Luftsack, der mittels CO2-Patrone nach der Wasserung automatisch aufgeblasen wird. Im Test öffnete sich der Auftriebskörper zunächst nur teilweise, auch hier hinderte der Klettverschluss die vollständige Öffnung. Einen Schutz gegen Ertrinken bei Bewusstlosigkeit/Handlungsunfähigkeit bietet der Auftriebskörper nicht. Ein aktiver Pilot kann sich jedoch mit beiden Armen sehr gut festhalten und problemlos den Auftrieb des Protektors ausgleichen.

Video 1. Wasserung mit Auftriebskörper "Freiflieger.eu"

 

 

Was sonst noch aufgefallen ist

In zwei Fällen verhinderte der Klettverschluss, mit dem die Luftsäcke in ihrer Halterung integriert sind, eine vollständige Öffnung.
Ähnlich wie bei Klettverschlüssen an Rettungsgeräte-Containern, scheint ein regelmäßiges Öffnen auch bei den Rettungswesten erforderlich zu sein um zu hohe Haltekräfte zu verhindern.

Voluminöse Rettungswesten können am Kopf in Konflikt mit dem Helm des Piloten geraten, dies ist besonders bei Integralhelmen der Fall. Piloten berichteten davon, dass der Druck der Weste gegen den Kinnbügel des Helmes sehr unangenehm am Hals spürbar wird. Bei Halbschalen- oder Jethelmen ist dieses Problem sehr viel weniger stark ausgeprägt. Sicherheitstrainingsteilnehmer, besonders solche mit Integralhelmen, sollten darauf gebrieft werden, direkt nach der Wasserlandung den Kinnriemen des Helmes zu öffnen. Im Test hat sich gezeigt, dass dies einfach möglich ist.

 

Kann sehr unangenehm am Hals drücken; durch die Weste hochgeschobener Helm.

Zusammenfassung

Nur eines der fünf getesteten Systeme, die Rettungsweste Plastino 275 N, hat die wichtigste Bedingung erfüllt: Nach der Wasserung eines bewusstlosen/handlungsunfähigen Piloten mit modernem Protektorgurtzeug, diesen in eine Lage zu bringen, bei der kein Ertrinken droht.
Die Secumar Alpha 275 3D konnte den Kopf des gewasserten Piloten nicht in jedem Fall in eine sichere Lage bringen. Die drei weiteren Systeme boten keine Ohnmachtsicherheit und hätten einen bewusstlosen/handlungsunfähigen Piloten nicht vor dem Ertrinken geschützt.

Dieser Test konnte nur einen kleinen Teil der auf dem Markt befindlichen Rettungswesten untersuchen. Es gibt eine Vielzahl von Herstellern, die Rettungswesten gemäß der CE-Normen anbieten. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass andere Rettungswesten der 275 N-Klasse, aufgrund anderer Bauweise, keine Ohnmachtsicherheit für gewasserte Piloten bieten.  

Die Sicherheitstrainings-Veranstalter werden aufgefordert, ihre Rettungswesten, analog zum Test des DHV, auf Ohnmachtsicherheit zu überprüfen und künftig nur solche Systeme einzusetzen, die Ohnmachtsicherheit gewährleisten.

Besonderen Dank an die Piloten Flo Peter (Fluglehrerassistent), Ronny Schmidt, Simon Winkler. Ecki Maute und Cordula Cröniger von der Flugschule Achensee, Flugschule Chiemsee für die zur Verfügung gestellten Gurtzeuge und Retter und Nova Paragliders für die Leihschirme.

Karl Slezak
DHV-Ausbildung/Sicherheit

Fotos: Ecki Maute
Video: Wolfram Kastl, Karl Slezak