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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

DHV-Sicherheitstest LTF A- und B-Gleitschirme, Folge 6

Dieser Bericht baut auf den Artikel aus dem DHV-Info 174 auf, der auch hier veröffentlicht ist. Angaben zu den Bewertungskriterien, der Unfallrelevanz der getesteten Manöver, den Vorgaben der Lufttüchtigkeitsforderungen (LTF) zu den Testmanövern und andere Details sind in diesem Artikel nachzulesen.
Das Team des DHV-Referats Sicherheit und Technik hat für die 6. Folge des Sicherheitstests fünf aktuelle LTF A- und B-Schirme intensiv geprüft.
Folgende Gleitschirme wurden getestet:

Startvorbereitungen

Was wird geprüft
Insbesondere die Übersichtlichkeit des Leinensystems. Die Einfachheit des Sortierens der Leinen. Die Gefahr, verschlaufte/verknotete Leinen zu übersehen. Die Tragegurte auf Funktionalität und Ergonomie.

Vorbildlich einfach gestalten sich die Startvorbereitungen beim Skywalk Mescal 4. Das Sortieren der recht weich fallenden Leinen ist einfach, der Tragegurt weist ein paar durchdachte Features auf, z.B. die farbliche Markierung der Einhängeschlaufen und die verstellbaren Bremsgriffe. Einen Tick mehr Sortierarbeit, wegen relativ dünner, etwas hakeliger Leinen, verlangt der Ozone Buzz Z 4. Positiv hier, dass der Hersteller den Trend zu unummantelten Leinen im Low-Level-B-Segment nicht mitmacht. Die Leinen des Niviuk Hook 3 fallen sehr locker auseinander. Sie sind durchweg ummantelt, außer in der obersten, recht kurzen Galerie. Tragegurte sind übersichtlich. Der Schirm sollte in einer schönen Bogenform ausgelegt werden um den Start zu erleichtern. Sehr weicher, übersichtlicher und einfach gehaltener Tragegurt beim Gradient Golden 4. Nachteil ganz klar sind die Plastikclips in den Dreiecksschäkeln. Nach dem ersten Flug ist bereits einer verloren gegangen. Die Leinen lassen sich gut sortieren und das Setup ist sehr übersichtlich. Die dünnen Leinen in der obersten Galerie verlangen etwas mehr Aufmerksamkeit, stellen aber kein Problem dar. Gin Gliders Atlas: Durchweg ummantelte Leinen, außer im Stabilobereich. Einfaches Sortieren, beim Stabilo sollte etwas genauer hingeschaut werden. Tragegurt ist übersichtlich ohne großen Schnickschnack. Auffallend ist, dass er keine Rolle, sondern einen Ring zur Bremsleinenführung besitzt. Nützliches Feature: Die Tragegurte sind farblich markiert für links und rechts.

Startverhalten

Was wird geprüft
Aufziehverhalten, Steigverhalten, Einfachheit der Stabilisierung, erforderliches Anbremsen

Ausgewogen der Skywalk Mescal 4. Das  A-Gerät steigt nach Anfangsimpuls gleichmäßig und mit gesundem Druck. Zur Stabilisierung ist kein starkes Abfangen über die Bremsen erforderlich. Ozone’s Buzz Z 4 ist ebenfalls ein einfacher Starter. Man spürt den Schirm in der Aufziehphase nicht ganz so sensibel und er verlangt etwas mehr Bremsinput bei der Stabilisierung. Beide Schirme lassen sich bei geringer Lauf- (Geh-) Geschwindigkeit über dem Piloten halten und erlauben eine saubere Kontrollphase. Die leichte Kappe des Gradient Golden 4 kommt verzögert nach oben und verlangsamt noch einmal ab dem halben Weg zum Scheitel. Dann ist deutliches Führen nötig. Am Ende der Aufziehphase, kurz vorm Scheitel, beschleunigt die Kappe etwas und muss dann abgefangen werden. Die Handhabung der Steuerleinen in der Kontrollphase verlangt ein eher sensibles Händchen, da zu starkes Anbremsen ein Abreißen zur Folge haben kann. Die schwerere Kappe des Gin Gliders Atlas steigt sauber und spurtreu nach geringen Anfangsimpuls. Leichtes Führen ist vorteilhaft, Abfangen am Scheitelpunkt erforderlich. Kappe lässt sich gut in der Kontrollphase über sich halten und die Geschwindigkeit kann dabei sehr gering sein. Der Niviuk Hook 3 sollte bogenförmig ausgelegt werden und nur mit den inneren beiden A-Leinen aufgezogen werden, da sonst die Ohren überholen (daher ist auch dieser Teil des Tragegurtes dicker).  Die gefühlt schwere Kappe muss leicht aber stetig hoch geführt werden. Am Scheitel kommt es zu einer Beschleunigung welche über die Bremsen abgefangen werden muss. Der Schirm lässt sich leicht über dem Piloten halten, jedoch ist die Geschwindigkeit in der Kontrollphase höher als bei den anderen Testschirmen.

Flugmanöver/ Extremflugverhalten
Alle Flugmanöver wurden mit Datenloggern und GoPro- sowie Bodenkamera dokumentiert. Die Flugtests wurden von den DHV-Testpiloten Harry Buntz und Simon Winkler durchgeführt.

Info Datenlogger
Ein Datenlogger wird am Testpilot befestigt, ein zweiter kleinere Datenlogger wird im Schirm montiert, mit zwei Magnetplatten um eine innere Zellwand. Die Montageposition liegt auf Höhe der dritten Leinenebene (C-Ebene) im Schirm in eine Linie unterhalb der 70% Einklapper Markierung. Loggerdaten werden kontinuierlich von Flugbeginn bis zum Flugende aufgezeichnet. Beide Loggerdatensätze werden durch Kurzstreckenfunksignale miteinander synchronisiert. Nach dem Testflug werden die Micro-SD-Karten auf einem Laptop ausgelesen.

Die Logger zeichnen folgende Messwerte auf:
-Nick-, Roll- und Gierwinkel
-Geschwindigkeit von Winkeländerungen
-Vertikalgeschwindigkeit: Das Vario-Signal wird errechnet über einen 0,5 Sekunden- Durchschnittswert vom barometrischen Höhenwert.
-Speed: Im Piloten-Sensor ist ein 5-Hz-GPS-Empfänger eingebaut. Die Geschwindigkeit wird von diesen Sensor dargestellt.
-G-Belastung: G-Belastung wird aus den Piloten-Beschleunigungswerten berechnet und ist das, was direkt am Pilot wirkt.
-Höhenaufzeichnung: Es wird sowohl ein 5-Hz-GPS-Höhensignal, wie auch ein 100-Hz- barometrisches Höhensignal aufgezeichnet.

Die Auswertungs-Software ist so programmiert, dass Beginn und Ende eines Manövers automatisch erkannt werden. Die grafische Darstellung der Datenaufzeichnung kann mit den Testflugvideos synchronisiert werden. So kann noch eine zusätzliche Kontrolle der zu den jeweiligen Flugmanövern aufgezeichneten Daten auf Plausibilität erfolgen.
Die Datenlogger-Technologie soll den Testpiloten in seiner Tätigkeit unterstützen. Sie soll ihm ermöglichen, für schwer einschätzbare Parameter wie Roll- und Nickwinkel, Höhenverluste, Drehwinkel und Zeitdauer, objektive Werte zu bekommen.

Seitliche Einklapper

Was wird geprüft
Seitliche Einklapper unbeschleunigt und beschleunigt ohne Eingriff des Testpiloten. Die Einklapper werden bis zur Obergrenze des „LTF-Klapper-Messfeld“ (sichtbar durch die Markierungen der Testschirme am Untersegel), also der maximal großen Deformation genutzt. Nach den Lufttüchtigkeitsforderungen (LTF) sind auch Einklapper an der Untergrenze des Messfeldes bei den Testflügen zur Musterprüfung erlaubt. Diese haben im Allgemeinen eine gutmütigere Gerätereaktion zur Folge. Deshalb kommt es hier immer wieder zu Abweichungen zwischen den Ergebnissen der Musterprüfung und denen der Sicherheitstests.
Hinweis: Gleitschirme bis LTF-Klasse B dürfen bei Einklappern nach LTF maximal 45° vornicken (auf die Nase gehen). Dieser Prüfvorschrift liegt die Bewertung des Vornickens anhand der Testflugvideos zugrunde. Dabei lassen sich Vornickwinkel aber nur sehr grob schätzen. Grund: Es gibt bei den Testflugvideos keine Referenzachse anhand der ein Winkel bestimmt werden könnte. Zudem handelt es sich nach Einklappern stets um eine Roll-/Nickbewegung, welche die Bewertung des tatsächlichen Vornickens (Bewegung nur um die Querachse) sehr ungenau machen. Mit den Datenloggern des DHV werden Bewegungen um beide Achsen getrennt gemessen und aufgezeichnet. Dabei hat sich gezeigt, dass nur einige wenige Geräte der Klassen A und B den von den LTF geforderten Vornickwinkel von maximal 45° einhalten können.

Der einzige A-Schirm im Test, Skywalk Mescal 4 M, zeigte sich sauber klassengerecht. Bei unbeschleunigten großen Einklappern blieb der Höhenverlust, bei einem Wegdrehen von meist weniger als 90°, mit unter 30 m gering. Voll beschleunigt und an der Obergrenze des Einklapper-Messfeldes war diese Reaktion ebenfalls häufig festzustellen. Maximal drehte der Schirm knapp 180° ab und verlor dabei weniger als 40 m Höhe.
Etwas dynamischer der Low-Level B-Schirm Ozone Buzz Z 4. Maximal große, flächentiefe Einklapper brachten einen Höhenverlust von mehr als 40 m.
Bei beiden genannten Geräten kam es in keiner Situation zu Verhängern.

Niviuks Hook 3 ist klar im High-Level-Bereich der Klasse B angesiedelt. Bei unbeschleunigten Einklappern ist das noch nicht spürbar, hier bleibt der Schirm sehr überschaubar. Konstruktiv bedingt klappt das Gerät beschleunigt ausgesprochen flächentief ein, deshalb ist ein Vergleich der Reaktionen mit den anderen getesteten Geräten schwierig. Die Testpiloten führten das Manöver viele Male aus, um einen reellen Eindruck zu erhalten.
Der hohe Widerstand der flächentief eingeklappten Seite generiert ein starkes Vorschießen und schnelles Wegdrehen, oft mit Gegenklapper und Richtungswechsel. In Einzelfällen kann sich der Gegenklapper in den Leinen verhängen. In diesem Fall muss der Pilot eingreifen, um den Verhänger zu lösen. Die Frage bleibt, ob der Schirm auch bei Klappern in freier Wildbahn dieses anspruchsvolle Verhalten zeigt oder ob dies nur testbedingt ist.

Beim Gradient Golden 4 fiel ein Verhalten auf, das sich schon beim großen Bruder dem Gradient Nevada gezeigt hatte. Auch bei großen Klappern fällt der Beginn des Wegdrehens zunächst wenig markant aus. Nach etwa 90° nimmt die Dynamik dann deutlich zu und der Schirm geht stark auf die Nase. Nach selbständiger Öffnung des Klappers dreht das Gerät dann noch etwa ein halbe Umdrehung nach.

Auch der Gin Gliders Atlas hat eine eigene, reproduzierbare Klapp-Charakteristik. Die Dynamik des gesamten Ablaufs hält sich in Grenzen. Weil der eingeklappte Flügelteil aber eher zögerlich öffnet, hält die Drehbewegung länger an (270°-360°) und sorgt für größeren Höhenverlust. In Einzelfällen musste bei der Öffnung des Rest-Einklappers vom Piloten nachgeholfen werden.

Frontale Einklapper

Was wird geprüft
Frontale Einklapper unbeschleunigt und beschleunigt in zwei unterschiedlichen Ausprägungen: Mit Einklappung von 40% der Flächentiefe (wird von einer Markierung im Untersegel gekennzeichnet) und mit maximal erzielbarer Einklapptiefe. Viele Schirme sind bei der Musterprüfung nur mit 40% Einklapptiefe getestet worden. Deshalb zeigt sich insbesondere bei den tiefflächigen Frontklappern manchmal eine deutlich abweichende Reaktion bei den Sicherheitstests. Ein Eingriff des Piloten erfolgt nur, wenn dies erforderlich ist, z.B. weil der Schirm nicht mehr selbständig öffnet.

Fast schon mehrheitlich ist bei B-Schirmen ein anspruchsvolles Verhalten nach Frontklappern festzustellen, wie auch die vorangegangenen Sicherheitstests gezeigt haben.
Im Low-Level-Bereich bleibt dies zum Glück die Ausnahme, der Ozone Buzz Z 4 ist ein Beispiel dafür.  Der Schirm fährt nach harten Frontklappern meist sehr schnell wieder an, gelegentlich etwas asymmetrisch. Wird weniger Fächentiefe eingeklappt, dauert die Wiederöffnung länger, es kommt zum verzögerten Anfahren mit länger eingeklappten Flügelenden. 100%-Frontklapper waren beim Skywalk Mescal 4 nicht zu erreichen, die maximale Einklapptiefe lag bei ca. 60%. Die Kappe öffnet schnell und geht verzögerungsfrei in die Normalflug über. Von den fünf getesteten Schirmen war dieser A-Schirm erwartungsgemäß deutlich am gutmütigsten.
Die drei restlichen Testkandidaten, Niviuk Hook 3, Gradient Golden 4, Gin Gliders Atlas, allesamt aus dem mittleren bis oberen B-Segment wiesen ein deutlich anspruchsvolleres Verhalten auf. Bei allen drei Schirmen traten teilweise stabile Frontklapper auf. Beim Niviuk Hook 3 war dieses Verhalten meist bei besonders flächentiefen Deformationen zu beobachten. Die beiden anderen Geräte hatten eher bei den mittelgroßen Frontklappern diese stabile Ausprägung, sehr große Deformationen öffneten meist relativ schnell und selbständig.

Steilspirale

Was wird geprüft
Die Steilspirale wird so eingeleitet, dass die Kappe nach frühestens 5 Sekunden und spätestens 540° in der voll entwickelten Rotation ist. Der Testpilot hält dann die Innenbremse für 2 Umdrehungen (720°) in der gezogenen Position. Danach erfolgt die Ausleitung durch Freigeben der Innenbremse.

Easy Going beim Skywalk Mescal 4. Harmonische Beschleunigung in der Einleitphase, kein starkes Anwachsen der Sinkgeschwindigkeit und G-Kräfte während der Spiralphase und ein fast unverzügliches Aufrichten und selbständiges Ausleiten nach Freigeben der Innenbremse. Das Verhalten der anderen vier Testgeräte war, natürlich auch klassenbedingt, teils deutlich dynamischer. Der Low-Level B-Flügel Ozone Buzz Z 4 war in der Einleitphase noch recht moderat, nahm, nach dem Übergang in die Spiralphase, aber schnell hohe Sinkgeschwindigkeiten auf. Zur Ausleitung benötigte das Gerät fast 100 Höhenmeter, weil es eine volle Umdrehung mit fast -20 m/s weiterdrehte, bevor es verlangsamte und sich aufrichtete. Niviuk Hook 3, Gradient Golden 4 und Gin Gliders Atlas waren von der Einleitphase ab sehr dynamisch. Von allen getesteten B-Schirmen leitete der Atlas am schnellsten selbständig aus, der Hook 3 baute die höchsten G-Kräfte auf. 

 

 

B-Leinen-Stall

Was wird geprüft
Das Abkippen bei der Einleitung, das Vornicken bei der Ausleitung, die Sinkgeschwindigkeit.
Insbesondere auch das Verhalten bei längeren B-Stalls (> 10 Sek.) auf mögliche Deformationstendenzen und bei der Ausleitung auf mögliche Probleme beim Anfahren.

Bei vier der fünft getesteten Schirme (Skywalk Mescal 4, Ozone Buzz Z 4, Niviuk Hook 3, Gin Gliders Atlas) konnten keine Schwächen bei längeren B-Stalls festgestellt werden. Das Manöver ist bei diesen Geräten für einen längeren Höhenabbau gut geeignet. Der Gradient Golden 4 biegt sich relativ deutlich nach hinten ab, ist etwas unruhig im B-Stall und leistete sich bei der Ausleitung ein verzögertes Anfahren mit kurzer Sackflugphase.

 

 

Ohrenanlegen

Was wird geprüft
Ohrenanlegen unbeschleunigt und beschleunigt. Dabei wird die Sink- und Fluggeschwindigkeit gemessen. Es wird überprüft, wie einfach Ein- und Ausleitung ist und ob es Sackflugtendenzen beim unbeschleunigten Fliegen mit angelegten Ohren gibt.

Mit allen getesteten Modellen gestaltete sich das Ohrenanlegen unproblematisch. Beschleunigt schlägt der Gradient Golden 4 deutlich, der Gin Gliders Atlas leicht mit den angelegten Ohren. Letzterer erreichte die höchste Sinkgeschwindigkeit (4,5 m/s) und benötigte am längsten für die selbständige Öffnung der eingeklappten Flügelenden.

Steuerverhalten und Strömungsabriss