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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

DHV Sicherheitstest LTF A- und B-Schirme, Teil 2

Die Resonanz auf den „Sicherheitstest A- und B-Gleitschirme“ aus dem DHV-Info 174 war überwältigend. Das fast einhellige Feedback war: „Weiter machen damit und möglichst aktuell bleiben bei der Auswahl der Testgeräte“. Dieser Bericht baut auf den Artikel aus dem DHV-Info 174 auf, der auch auf dhv.de (Link) nachzulesen ist. Angaben zu den Bewertungskriterien, der Unfallrelevanz der getesteten Manöver, den Vorgaben der Lufttüchtigkeitsforderungen (LTF) zu den Testmanövern und andere Details sind in diesem Artikel nachzulesen.
Das Team des DHV-Referats Sicherheit und Technik hat für die „2. Staffel“ des Sicherheitstests eine kleinere Anzahl von Gleitschirmen ausgewählt, um die Ergebnisse zeitnäher veröffentlichen zu können.

Folgende Gleitschirme wurden getestet:

Startvorbereitungen

Geprüft wird die Benutzerfreundlichkeit bei den Vorbereitungen zum Starten. Unschlagbar einfach zeigte sich der Nova Ion 2. Wenige, leicht zu sortierende Stammleinen, ein übersichtlicher Tragegurt, weich fallende Galerieleinen. Kein anderes Gerät war so einfach und schnell für den Start vorbereitet. Ebenfalls problemlos, aber mit etwas höherem Sortieraufwand gestalten sich die Startvorbereitungen beim Advance Alpha 5 und den U-Turns, Bodyguard und Emotion. Bei letzteren muss sich der Pilot an die speziellen Tragegurte gewöhnen. Das Hilfssystem zum Ohrenanlegen am A-Gurt sowie der ungewohnt lange B-Gurt schränken die Einfachheit des Handlings etwas ein. Beim Emotion 2 fehlte die Markierung der Kappenmitte. Viele Leinen, besonders auch im Galeriebereich, erfordern beim UP Makalu 3 erhöhte Aufmerksamkeit beim Sortieren. Die eher „starren“ Leinen neigen zudem zum Verschlingen. Das Lösen des Steuergriffs vom Druckknopf am Tragegurt ist ein mittlerer Gewaltakt. Dünne Tragegurte und viele unummantelte Galerieleinen: Der Gin Gliders Sprint Evo muss mit größerem Aufwand sortiert und kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass nichts verhängt oder verknotet ist.

 

 

Startverhalten

Mit allen getesteten Modellen war das Starten weitgehend problemlos. Keiner der Schirme zeigte eine ausgeprägte Tendenz zum Hängenbleiben oder zum Vorschießen. Die drei A-Geräte verhielten sich vorbildlich, stiegen gleichmäßig, mit gesundem Druck auf den A-Gurten und verlangten nur geringes, der Alpha 5 etwas deutlicheres, Anbremsen, um über dem Piloten stabilisiert zu werden. Als ebenso vorbildlich in der Aufziehphase erwies sich der Nova Ion 2, der am Scheitelpunkt jedoch durch stärkeres Anbremsen stabilisiert werden muss. Etwas indifferent war das Startverhalten des Gin Gliders Sprint Evo. Verzögertes Hochsteigen zu Beginn der Aufziehphase, kurz vor Erreichen des Scheitelpunktes ein Beschleunigen der Kappe, das ein deutliches Abfangen über die Bremsen erforderlich macht. Der Up Makalu 3 zeigt sich (auch) beim Starten von der gemütlichen Seite. Die Kappe steigt eher langsam, aber ohne zu hängen, und stabilisiert sich über dem Piloten von selbst. Deutliches Anbremsen ist nicht erforderlich.

Alle Flugmanöver wurden mit Datenloggern und GoPro- sowie Bodenkamera dokumentiert.

Info Datenlogger
Ein Datenlogger wird am Testpiloten befestigt, ein zweiter kleinerer Datenlogger wird im Schirm montiert, mit zwei Magnetplatten um eine innere Zellwand. Die Montageposition liegt auf Höhe der dritten Leinenebene (C-Ebene) im Schirm in einer Linie unterhalb der 70% Einklapper Markierung. Loggerdaten werden kontinuierlich von Flugbeginn bis zum Flugende aufgezeichnet. Beide Loggerdatensätze werden durch Kurzstreckenfunksignale miteinander synchronisiert. Nach dem Testflug werden die Micro-SD-Karten auf einem Laptop ausgelesen.

Die Logger zeichnen folgende Messwerte auf:
-Nick-, Roll- und Gierwinkel
-Geschwindigkeit von Winkeländerungen
-Vertikalgeschwindigkeit: Das Vario-Signal wird errechnet über einen 0,5 Sekunden-Durchschnittswert vom barometrischen Höhenwert.
-Speed: Im Piloten-Sensor ist ein 5-Hz-GPS-Empfänger eingebaut. Die Geschwindigkeit wird von diesen Sensor dargestellt.
-G-Belastung: G-Belastung wird aus den Piloten-Beschleunigungswerten berechnet und ist das, was direkt am Pilot wirkt.
-Höhenaufzeichnung: Es wird sowohl ein 5-Hz-GPS-Höhensignal, wie auch ein 100-Hz-barometrisches Höhensignal aufgezeichnet.

Die Auswertungs-Software ist so programmiert, dass Beginn und Ende eines Manövers automatisch erkannt werden. Die grafische Darstellung der Datenaufzeichnung kann mit den Testflugvideos synchronisiert werden. So kann noch eine zusätzliche Kontrolle der zu den jeweiligen Flugmanövern aufgezeichneten Daten auf Plausibilität erfolgen.
Die Datenlogger-Technologie soll den Testpiloten in seiner Tätigkeit unterstützen. Sie soll ihm ermöglichen, für schwer einschätzbare Parameter wie Roll- und Nickwinkel, Höhenverluste, Drehwinkel und Zeitdauer, objektive Werte zu bekommen.

Stabilität im Flug

Durch provoziertes Nicken lässt sich die Nick-Stabilität eines Gleitschirms gut messen. Die beim provozierten Nicken erreichten Winkelgrade (Nickwinkel nach vorne) sind ein Indikator für die potentielle Dynamik, die das Gerät in dieser Situation entwickeln kann. Es wurde der beim dritten Vornicken erreichte Vornickwinkel aufgezeichnet.

 

Seitliche Einklapper

Bei den Einklapper-Tests gab es eine echte Überraschung: Am gutmütigsten verhielt sich ein LTF-B-Schirm, der Makalu 3 M von UP. Das Klappverhalten dieses Modells ist sehr weich, von geringer Dynamik geprägt und dadurch sehr gutmütig. Messbar anspruchsvoller zeigten sich die beiden LTF-A-Schirme von U-Turn, Emotion 2 M und Bodyguard 3 M. Beide Schirme klappten bei den Tests sehr hart mit viel Flächentiefe ein und weisen eine steilere Knicklinie auf als andere Geräte der gleichen LTF-Klasse. Dadurch wird viel Widerstand und ein entsprechend großes Nick- und Drehmoment aufgebaut. In der Praxis werden solche flächentiefen Massivklapper wohl nur durch den Einfluss extremer Turbulenzen verursacht werden können. Jedenfalls gibt es bisher in der Praxis keine Unfallhäufung durch Einklapper mit diesen Schirmen. Als klassentypisch erwies sich der Advance Alpha 5/26 für LTF-A und der Nova Ion 2 M für LTF-B. Seine Zugehörigkeit zum High-Level-B-Segment unterstreicht der Gin Gliders Sprint Evo M auch beim Klappverhalten, das anspruchsvoller und dynamischer ist als das der beiden anderen getesteten (Low-Level)-B-Schirme.
Keines der getesteten Geräte zeigte Verhängertendenzen bei den Einklapper-Tests.

 

 

Frontale Einklapper

Auch bei den getesteten Frontklappern hatte der UP Makalu 3 M hinsichtlich Gutmütigkeit die Nase vorne. Ähnlich wie der U-Turn Bodyguard 3 M fährt der Schirm auch bei flächentiefen Frontklappern verzögerungsfrei an und verliert relativ wenig Höhe. Advance Alpha 5 und U-Turn Emotion 2 benötigen bei sehr flächentiefen Frontklappern ein paar Zusatz-Sekunden, um in den Normalflug überzugehen. Der Nova Ion 2 erwies sich bei kleineren Frontklappern von ca. 40% Flächentiefe als sehr gutmütig, zeigte aber auch hier schon Ansätze, in der Flügelmitte abzuknicken. Bei „Totalzerlegern“ über die gesamte Flächentiefe ist dieses Verhalten deutlich ausgeprägt, in Einzelfällen mit Umschlagen der Flügelenden nach vorne und Drehung mit deutlich verzögerter Wiederöffnung. Gelegentlich bleiben dabei die Flügelenden in den Leinen hängen. Noch markanter zeigte dieses Verhalten der Gin Sprint Evo M. Das Gerät tendiert dazu, nach dem frontalen Einklappen mit stabiler Deformation in eine Drehbewegung zu geraten und asymmetrisch zu öffnen. In Einzelfällen war ein Eingriff des Piloten zur Wiederöffnung erforderlich.

 

 

Steilspirale

Mit Ausnahme des Gin Sprint Evo verhielten sich alle getesteten Geräte weitgehend problemlos. Dem typischen kurzzeitigen Beschleunigen nach dem Freigeben der Innenbremse folgte ein sofortiges Aufrichten und eine selbständige Ausleitung. Mit seinen vergleichsweise kurzen Steuerwegen ist der U-Turn Emotion 2 nach der Einleitung rasch im Bereich hoher Sinkgeschwindigkeit, ein Verhalten, das „Spiral-Neulinge“ einkalkulieren sollten. Gut abgestimmt auf die Zielgruppe ist das Spiralverhalten beim Advance Alpha 5 und UP Makalu 3. Die Schirme beschleunigen gleichmäßig und mit eher moderater Zunahme der Sinkgeschwindigkeit. Etwas markanter fällt das „auf-die-Nase-gehen“ beim U-Turn Bodyguard aus, der auch vergleichsweise hohe G-Kräfte aufbaut. Sehr ähnlich zeigte sich der Nova Ion 2 bei diesem Flugmanöver. Deutlich am anspruchsvollsten ist der High-Level-B-Schirm Sprint Evo von Gin Gliders. Nach der zweiten vollen Spiral-Umdrehung ist das Gerät an der -20 m/s-Grenze. Nach dem Freigeben der Innenbremse kann der Schirm durchaus längere Zeit selbständig in der Rotation bleiben, wenn auch keine markante Beschleunigung der Sinkgeschwindigkeit feststellbar war. Sprint Evo-Piloten sollten unbedingt über das Können verfügen, eine Steilspirale über die Außenbremse zu kontrollieren und über das Wissen, wie eine stabile Spirale auszuleiten ist.
Das Spiral-Verhalten der getesteten Schirme wurde mit neutraler Position des Piloten im Gurtzeug erflogen. Bei aktiver Gewichtsverlagerung zur Kurvenseite während der Spirale und bei der Ausleitung kann das Beschleunigungs- und Ausleitverhalten anspruchsvoller sein.

 

B-Leinen-Stall

Die beiden U-Turn’s Bodyguard 3 M und Emotion 2 M haben für diese Abstiegshilfe eine Besonderheit: Einen Griff mit Flaschenzug an den ungewöhnlich langen B-Gurten. Das System funktioniert problemlos. Mit relativ geringer Zugkraft (aber recht langem Zugweg) können die Schirme in einen schwach deformierten B-Stall mit Sinkwerten um 5 m/s gebracht werden. Dabei sinken die Schirme nicht senkrecht, sondern in einem steilen Gleitwinkel nach unten. Bei Ein- und Ausleitung treten nur relativ geringe Nickbewegungen auf.  Beide Schirme lassen sich auch konventionell in den B-Stall bringen. Dafür ist allerdings ein sehr weites Hochgreifen an den langen B-Gurten erforderlich. Das Sinken erhöht sich um 2 m/s, beim Emotion um 3 m/s. Wie bei allen Vorgängermodellen muss man auch beim Alpha 5 herzhaft zulangen, um den Schirm in den B-Stall zu bringen. Ähnlich wie beim UP Makalu 3 M ist die Sinkphase sehr stabil und ohne Deformationstendenzen. Diese können beim Nova Ion 2 nach längerer B-Stall-Phase auftreten, sind jedoch weit weniger stark ausgeprägt als beim großen Bruder Mentor 2 und kündigen sich durch Unruhigwerden der Kappe gut an. Bereits nach kurzer B-Stall-Phase zeigt der Gin Sprint Evo, dass dies nicht seine bevorzugte Abstiegshilfe ist. Die Flügelenden beginnen nach hinten abzuknicken, sofortige Ausleitung ist erforderlich.

 

 

Ohrenanlegen

Mit allen getesteten Modellen gestaltete sich das Ohrenanlegen völlig unproblematisch. Bei der Sinkgeschwindigkeit hatte der Nova Ion 2 M aufgrund seiner 2-A-Leinen-Konstruktion, die höchsten Werte (3,5 - 4,5 m/s), gefolgt vom U-Turn Bodyguard M (3 - 4 m/s), dessen Außenflügel mit relativ viel Fläche wegklappen. Der Rest des Testfeldes lag bei ca. 2,5 m/s (unbeschleunigt) und 3,5 m/s (beschleunigt). Bei keinem Gerät traten Schwingungen während des Manövers auf. Auch Anbremsen zum Wiederöffnen war nicht erforderlich, die Flächen öffneten selbständig, UP Makalu 3 M und Gin Sprint Evo M mit etwas Verzögerung. Auch nach längerem unbeschleunigten Fliegen mit angelegten Ohren zeigten sich keinerlei Sackflugtendenzen. Beschleunigt erreichten alle Schirme wieder mindestens Trimmgeschwindigkeit, die meisten lagen darüber.

Weitere Tests folgen.


Karl Slezak
DHV-Referat Sicherheit und Technik