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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

LTF 2009 - der neue Standard für Gleitschirm-Musterprüfungen

Text: Karl Slezak                                                           Alle Fotos: Michael Nesler

Wer in den letzten Wochen Informationen über neu mustergeprüfte Gleitschirme gesucht hat, dem sind sie wohl schon aufgefallen; die ersten nach dem neuen Teststandard LTF 09 geprüften Geräte mit den neuen Bewertungen LTF A bis LTF D und sehr viel ausführlicheren Testflugprotokollen als dies bisher üblich war.

In diesem Bericht soll dem interessierten Leser detailliert erklärt werden, was sich im Vergleich zum bisherigen Teststandard LTF 03 geändert hat. Am besten man nimmt sich dazu eines der neuen Testflugprotokolle (hier in der Geräte-Datenbank, bei Musterprüfdatum >01.2010 wählen) und geht Manöver für Manöver durch.

Bei Betrachtung des neuen Testflugprotokolls sticht sofort die größere Anzahl an Testflugmanövern ins Auge. Für die LTF 09 wurde die EN 926-2 als Grundlage genommen und damit auch alle 24 Manöver (LTF 03 bisher 17) dieses Standards. Zudem wurden alle auslegbaren Begriffe der alten LTF, wie „mäßig schnell“, „durchschnittlich“, „anspruchsvoll“, etc. durch klare Maßeinheiten ersetzt. Gradangaben (z.B. < 90°), Zeitangaben (z.B. 3 Sekunden), Prozentangaben (z.B. 50% des symmetrischen Steuerweges).
Ein Begriff, der sich bei den Extremflugmanövern immer wieder findet, muss kurz erklärt werden. „Auftreten einer Kaskade“ führt bei allen Manövern grundsätzlich zu einer negativen Bewertung (F für failed). Eine Kaskade ist der selbständige Übergang von einem abnormalen Flugzustand in einen anderen, ohne Zutun des Testpiloten. Führt beispielsweise ein Testeinklapper zu einem Gegenklapper auf der anderen Seite von mehr als 50%, ist dies eine Kaskade. Gerät der Gleitschirm nach einem Frontklapper in einen längeren Sackflug, ist dies eine Kaskade. Kommt es bei der Ausleitung eines Sackflugs zum Trudeln, ist dies eine Kaskade, usw.

Manöver 1

Manöver 1: Start
Hier wurden die Bewertungsmöglichkeiten deutlich reduziert. Um ein A zu bekommen, muss der Schirm ein sehr einfaches Starthandling besitzen. Überschießen oder hängen bleiben wird mit C oder D bewertet, gleiches gilt, wenn das Gerät eine spezielle Starttechnik benötigt. Die bisher angegebene Abhebegeschwindigkeit (gering, mäßig, hoch) ergibt sich nun aus der Minimalgeschwindigkeit bei Manöver 3.

Manöver 2: Landung
Auch hier wurde vereinfacht. Ist der Gleitschirm sicher und ohne spezielle Technik zu landen, gibt’s ein A, sonst die Bewertung D. Neu bei der Bewertung von Start und Landung ist, dass diese bei schwachwindigen Bedingungen (max. 8 km/h Wind) durchgeführt werden müssen.

Manöver 3: Geschwindigkeit im Geradeausflug
Wie bisher muss die Trimmgeschwindigkeit bei mindestens 30 km/h liegen (Bewertung A), ist ein Schirm im Trimm langsamer, ist die Musterprüfung negativ (Bewertung F für failed). Neu ist, dass der über die Bremsen erfliegbare Geschwindigkeitsbereich mindestens 10 km/h betragen muss (Bewertung A), ist er geringer gibt’s ein D. Zudem fließt, neu, die Minimimalgeschwindigkeit in die Bewertung ein. Um ein A zu erhalten, muss diese geringer als 25 km/h sein, darüber wird mit B bewertet, liegt die Minimum-Speed über 30 km/h mit D.

Manöver 4: Prüfung der Steuerkräfte und Steuerwege
Neu ist, dass die Nullstellung (Schirm ist gerade nicht angebremst) und der Stallpunkt (Schirm geht vom Sackflug in den Fullstall über) an den Steuerleinen des Testmusters vom Hersteller markiert sein müssen. Dadurch soll der tatsächlich verfügbare Steuerweg möglichst genau überprüft und bewertet werden. Bisher erfolgte die Messung der Steuerwege einschließlich eines maximal erlaubten „Leerweges“ von bis zu 10 cm. Die reell zur Verfügung stehenden Steuerwege sind deshalb in den neuen LTF kürzer angegeben als bislang, in der Bewertung werden zudem in 3 Kategorien auch die unterschiedlichen Startgewichte besser berücksichtigt. Wie bereits in den alten LTF wird Wert darauf gelegt, dass nur bei nach unten hin deutlich ansteigendem Steuerdruck die sicherste Klassifizierung erteilt wird.

Manöver 5: Prüfung der Nickstabilität bei der Ausleitung des beschleunigten Fluges
Dies ist ein neues Manöver. Aus dem voll beschleunigten Flug wird der Beschleuniger abrupt frei gegeben. Nur wenn der Schirm anschließend ohne starke Pendelbewegung um die Querachse (< 30°) in den Normalflug übergeht, wird mit A bewertet, darüber hinaus mit C. Ist der Pendler stärker als 60°, kreuzt der Testpilot F für „failed“ an.

Manöver 6: Prüfung der Nickstabilität beim Anbremsen im beschleunigten Flug
Erfahrung macht bessere Testvorschriften. Nachdem es in der Vergangenheit bei einigen Leistungsflügeln, zum Erschrecken der Piloten, beim Anbremsen im beschleunigten Flug zu Frontklappern gekommen war, wurde dieses Manöver ins Testflugprogramm aufgenommen. Klappt der Schirm beim Anbremsen im voll beschleunigten Flug nicht ein, wird mit A bewertet, tut er’s doch, ist der Testflug negativ.

Manöver 7
Manöver 9

Manöver 7: Prüfung der Rollstabilität und Rolldämpfung
Keine wesentliche Änderung zum bisherigen Test. Aus einem, vom Piloten initiierten, maximal starken Rollen müssen, nach Freigeben der Bremsen, die Rollschwingungen selbständig abklingen (A), wenn nicht (F).

Manöver 8: Prüfung der Stabilität in flachen Spiralen
Ein neues Manöver, das, um des Verhandlungsfrieden willens, aus der EN 926-2 übernommen wurde, ohne dass seine Aussagekraft wirklich überzeugen würde. Aus dem Kreisflug mit einem Sinken von 3-5 m/s werden die Bremsen frei gegeben und geschaut, was weiter passiert. Wenn, was flugmechanisch bei so geringen Schräglagen gar nicht anders geht, die Querneigung abnimmt, ist es ein A, dreht der Schirm mit gleicher Schräglage weiter ein C und bei Zunahme der Querlage ein D.

Manöver 9: Prüfung des Verhaltens in steilen Kurven
Echter Fortschritt und zwar im Bezug auf die alten LTF wie auch im Vergleich mit der EN. Bei diesem Manöver wird das Beschleunigungsverhalten des Schirmes bei der Einleitung der Steilspirale getestet. Neu ist, dass die gemessene Sinkgeschwindigkeit nach 2 Umdrehungen in die Bewertung mit eingeht, sie war bisher nur als Information vermerkt. Um in die sicherste Klasse LTF A zu kommen, darf der Schirm keine höhere Sinkgeschwindigkeit als 14 m/s aufnehmen. Höhere Sinkgeschwindigkeiten werden mit B gewertet. Die Messung muss mit einem Variometer erfolgen, dessen Ansprechzeit eindeutig definiert ist und bei Erreichen von 14 m/s einen klar erkennbaren Sinkton erzeugt. Dieser muss auf der Funkdokumentation des Testpiloten deutlich hörbar sein.

Manöver 10
Manöver 11

Manöver 10: Prüfung des symmetrischen Frontklappers
Beim Frontklapper gibt es in der Praxis mehrere Probleme: Sackflug oder verzögertes Anfahren bei der Ausleitung, auch bei kleineren frontalen Einklappern und stark verzögertes Füllen der eingeklappten Fläche (stabiler Frontklapper) oder eine Deformation über die Querachse mit Twist- und Verhängergefahr, besonders bei großen Frontklappern. Die Durchführung des Testflugmanövers Frontklapper in den neuen LTF sollen diesen Problemen Rechnung tragen.
Unbeschleunigt wird ein kleinerer Frontklapper eingeleitet, „so klein wie möglich aber mit einer Flächentiefe von mindestens 40%“.
Beim beschleunigten Frontklapper gibt es die Anweisung „so klein wie möglich“ nicht, hier prüft der Testpilot auch das Geräteverhalten bei größeren Einklapptiefen. 
Neu ist bei diesem Manöver, dass der Testpilot durch einseitiges Anbremsen verifiziert, ob der Gleitschirm nach der Ausleitung möglicherweise im Sackflug verbleibt, was zum einseitigen Strömungsabriss führt und mindestens Bewertung D zur Folge hat.
Die Bewertung des Verhaltens bei der Ausleitung des Frontklappers ist insgesamt strenger geworden als bei den LTF 2003. Ein LTF A gibt’s nur dann, wenn der Schirm innerhalb von 3 Sekunden wieder im Normalflug ist. Stabile Frontklapper, also Eingriff des Piloten bei der Ausleitung erforderlich, haben grundsätzlich die Bewertung D zur Folge, bisher war hier die Klassifizierung 2 möglich.
Beim Frontklapper wird nun auch die Dynamik des Vorschießens bewertet, was bisher nicht der Fall war.

Manöver 11: Prüfung der Ausleitung des Sackfluges
Auch beim über die Bremsen provozierten Sackflug werden mehr Parameter beurteilt und im Vergleich zur alten LTF strenger bewertet. Die selbständige Ausleitung des Sackflugs nach Freigeben der Bremsen muss zügiger erfolgen als bisher, bereits nach 3 Sekunden wird mit C bewertet, ein echter Dauersackflug hat eine negative Bewertung (F) zur Folge (bisher 2-3 oder 3). Neu werden auch das Vorschießen des Gleitschirms bei der Ausleitung und ein mögliches Wegdrehen bewertet

Manöver 12: Prüfung der Rückkehr in den Normalflug aus großen Anstellwinkeln
Dieses Manöver ist neu und soll zusätzlich zum Manöver 11 mögliche Sackflugtendenzen bei der Rückkehr des Flügels aus hohen Anstellwinkeln aufzeigen. Dazu werden die B-Gurte sehr langsam heruntergezogen, bis ein Sackflugzustand erreicht ist und anschließend langsam wieder frei gegeben. Die Bewertung erfolgt analog zu Manöver 11. Insgesamt wird der Gleitschirm nach LTF 09 gründlicher auf mögliche Sackflugtendenzen geprüft als das bisher der Fall war.

Manöver 13

Manöver 13: Prüfung der Ausleitung eines gehaltenen Fullstalls
Hier werden Vorschieß-Tendenzen des Segels aus dem vollständigen Strömungsabriss geprüft. Die Bewertung ist deutlich härter als bisher. Bei 30° Vorschießen ist für LTF A Schluss (bisher 60°), alles was über 90° hinausgeht wird negativ bewertet (bisher 2-3 oder 3). Ein Einklappen der Kappe nach dem Vorschießen wird grundsätzlich mindestens mit einem C honoriert. Definiert ist nun auch, wie weit die Kappe des Fullstalls bei der Einleitung nach hinten abkippt. Für LTF A und B darf dieses Abkippen maximal 45° betragen.

Manöver 14
Manöver 14

Manöver 14: Prüfung des einseitigen Klappers, 45-50% und 70-75%
Bei diesem Manöver hat sich im Vergleich zu LTF 03 und EN 926 am meisten geändert. Besonders wichtig: Der Testeinklapper muss den Schirm von der Eintrittskante bis über die Hinterkante deformieren. Die Unfallanalyse hat hier die klare Erkenntnis gebracht, dass seitliche Einklapper immer dann zum maximal dynamischen Verhalten des Schirmes führen, wenn die gesamte Flächentiefe einer Seite betroffen ist. Die Forderung des DHV, Gleitschirme im Test „flächentief“ einzuklappen, ist mit dieser neuen Testanweisung umgesetzt. Bisher gab es in keinem der beiden Teststandards eine klare Anweisung dazu. Neu ist zudem, dass der Testschirm mit einem Messfeld markiert sein muss, in welchem der Einklapper zu erfolgen hat. Das Messfeld trägt dem Umstand Rechnung, dass der Testpilot einen gewissen Spielraum benötigt, in dem er den Einklapper platziert. Das Einklappen auf einer vorgegebenen Linie, z.B. 75% der Spannweite mit einem Winkel von 45° zur Hinterkante, ist in den meisten Fällen nicht möglich.
Um die korrekte Ausprägung der Testeinklapper zu dokumentieren, ist der Schirm von vorne und von hinten zu filmen. Aus dem Video muss hervorgehen, dass die Testklapper innerhalb des Messfeldes liegen und bis über die Hinterkante hinaus gehen.
Um eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit der EN zu wahren, wurde für die LTF 09 auch der „kleine 45-50%-Einklapper“ übernommen. Er wird getestet, obwohl sich alle Fachleute einig sind, dass damit keine Erkenntnisse gewonnen werden können, die der 70-75%-Klapper nicht ohnehin schon vermittelt hätte.

Die Bewertung des Verhaltens des eingeklappten Flügels wurde unverändert aus der EN 926-2 übernommen. Dabei ist klar die Intention zu erkennen, in den Klassen LTF A und LTF B nur sehr gutmütige Schirmreaktionen zu erlauben. Insbesondere beim Vorschießen des Flügels nach dem Einklappen und beim Wegdrehverhalten werden strengere Maßstäbe angelegt als in der bisherigen LTF. Beim Thema Gegenklapper, eine häufig unterschätzte Unfallursache, wurde die Schraube ebenfalls angezogen. Durften bisher bis Klasse 2 Gegenklapper ohne Flugbahnänderung auftreten, wird nun bei auftretenden Gegenklappern grundsätzlich mit mindestens LTF C bewertet. In der Praxis nicht selten, jetzt auch bei den Einklapptests berücksichtigt; Twist das Eindrehen des Piloten in die Tragegurte. Passiert’s, wird das Manöver negativ bewertet.

Abbildung 1: Im rechten Flügelteil die Markierung für das Messfeld. Ausgehend von der schrägen blauen Linie werden nach beiden Seiten je 5% der ausgelegten Spannweite abgemessen und markiert (hier rot). Innerhalb dieses Bereiches muss der 70-75% Testeinklapper erfolgen, von der Eintrittskante bis zur Hinterkante des Flügels. Im linken Flügelteil die Markierung für den kleinen 45-50%-Einklapper
Abbildung 2: Seitlicher Einklapper innerhalb des Messfeldes (roter Bereich) von der Eintrittskante bis über die Hinterkante.

Manöver 15: Prüfung der Richtungssteuerung mit einem gehaltenen einseitigen Klapper
Bei diesem Manöver wird geprüft, ob mit eingeklapptem Schirm ein stabiler Geradeausflug gehalten werden kann und die Steuerung entgegen der eingeklappten Seite, um z.B. einem Hindernis auszuweichen, möglich ist. Die LTF 09 sehen sehr viel genauere Testparameter bei diesem Manöver vor, z.B. die Zeit, in der eine 180°-Gegenkurve erfolgen muss oder der Steuerweg, der auf der offenen Seite zum Manövrieren noch verfügbar sein muss. Bisher war dies relativ unkonkret formuliert und sehr stark im Ermessen des Testpiloten.

Manöver 15

Manöver 16: Prüfung der Trudelneigung bei Trimmgeschwindigkeit
Eines der „Nice to have-Manöver“ aus der EN 926-2, das keine besondere Aussagekraft hat. Im Kurvenflug wird überprüft, ob der Gleitschirm bei einseitigem Anbremsen von 25 und 50% positiv weiterdreht oder ins Trudeln gerät. Bei den Testpiloten unbeliebt, weil das Manöver 30-40 Sekunden dauert, wertvolle „Testhöhe“ kostet und eh nie ein Schirm ins Trudeln kommt. Auch dieses Manöver ist ein Tribut an die möglichst genaue Deckungsgleichheit mit der EN.

Manöver 17: Prüfung der Trudelneigung bei geringer Fluggeschwindigkeit
Bei diesem Manöver wird geprüft, wie sich der Schirm verhält, wenn aus dem beidseitig angebremsten Kurvenflug (50%) die kurveninneren Bremse auf  75% weiter gezogen wird; der Klassiker beim Thermikfliegen. Tritt dabei ein einseitiger Strömungsabriss (Trudeln) auf, wird die Einstufung LTF D erteilt.

Manöver 18: Prüfung der Ausleitung einer voll entwickelten Trudelbewegung
Damit wird getestet, wie sich der Gleitschirm verhält, wenn sich nach einem einseitigen Strömungsabriss eine volle Trudelbewegung entwickelt und über eine Umdrehung beibehalten wird. Das Testverfahren nach LTF 03 sah für die Prüfung des Trudelverhaltens noch zwei Tests vor: Einmal wurde aus geringer Fluggeschwindigkeit eingeleitet, einmal aus Trimmgeschwindigkeit. Letzteres wurde bei den LTF 09 wegen Realitätsferne gestrichen. Ebenfalls gestrichen wurde die Bewertung des Vorschießens der Kappe bei der Ausleitung des Trudelns. Begründung: Bei diesem Manöver wird nur geprüft, ob und wann der Gleitschirm eine voll entwickelte Trudelbewegung selbständig ausleitet. Um das zu beurteilen genügt es, wenn der Testpilot die Bremsen nach „ca. 360°“ freigibt. Um ein Vorschießen der Kappe vergleichbar zu beurteilen, müsste das Freigeben der Bremsen jeweils exakt nach 360° erfolgen, da 10° mehr oder weniger bereits ein deutlich verändertes Schirmverhalten verursachen könnte. Zudem wird das Vorschießen aus Strömungsabrissen bereits bei einer Vielzahl von anderen Manövern bewertet (Fullstall, Sackflug, Rückkehr aus hohem Anstellwinkel, B-Stall, etc.). Auch bei diesem Manöver führt das Auftreten einer Kaskade, wie z.B. ein Einklapper > 50% zur negativen Beurteilung.
Die Bewertung, wie lange der Schirm nach dem Freigeben der Bremsen benötigt, um wieder in den Normalflug überzugehen ist härter als bisher. Maximal erlaubt sind 360° (LTF D), bislang durfte sich der Schirm dafür 1,5 Umdrehungen Zeit lassen. Um ein LTF A oder B zu erhalten muss die selbständige Ausleitung spätestens nach 90° erfolgen, bisher waren für einen 1-2-er 180° erlaubt. 

Manöver 18

Manöver 19: Prüfung des B-Stalls
Sehr erfreulich ist, dass auch Standard-Manöver wie B-Stall oder Ohren-Anlegen nun sehr genau getestet werden. Nach LTF 09 wird auch das Verhalten während des B-Stall, mögliches Wegdrehen und Deformationstendenzen, überprüft. Gerade Letzteres hat schon manchen Piloten böse überrascht und kann im Extremfall zu Verhängern führen. Die Bewertung des Schirmverhaltens bei der Ausleitung des B-Stalls (Rückkehr in den Normalflug) ist in etwa gleich geblieben, wobei im Gegensatz zur alten LTF kein Dauersackflug auftreten darf (bisher bei 2-3 erlaubt). Neu ist eine Bewertung des Vorschießens der Kappe aus dem B-Stall. Wie man weiß, ist ein nur schwaches Vornicken in dieser Situation nicht besonders erwünscht, schließlich soll der Schirm aus dem extrem hohen Anstellwinkelbereich energisch wieder die Anströmung zurückerobern. Deshalb sind für LTF A 60° erlaubt, ein LTF C- oder D-Schirm darf bis 90° vorschießen.

Manöver 20: Prüfung des Ohren-Anlegens
Sehr praxisnah und viel ausgiebiger als bisher wird diese von vielen Piloten sehr häufig benutzte Abstiegshilfe geprüft. Der Testpilot muss nach der Einleitung mindestens 10 Sekunden mit den angelegten Ohren fliegen. Er prüft dabei, ob der Flug stabil ist (LTF A) oder instabil, z.B. durch Roll- oder Gierbewegungen, stark schlagende Flügelenden, etc. (LTF C). Außerdem wird gecheckt, ob der Schirm so stark verlangsamt, dass Sackfluggefahr besteht. Tritt ein Sackflug auf, ist der Test negativ. Beim Ausleiten des Manövers wird berücksichtigt, dass es nicht per se schlecht ist, wenn die angelegten Ohren „drin bleiben“, also nicht selbständig öffnen. Das erleichtert nämlich längeres Fliegen mit angelegten Ohren erheblich. Deshalb ist es bis LTF B erlaubt, dass der Pilot hierbei aktiv eingreifen muss (z.B. Ohren mit den Bremsen“aufpumpen“), wenn er dazu nicht länger als 3 Sekunden braucht. Nur hartnäckig wieder zu öffnende angelegte Ohren werden mit LTF D (bis maximal 8 Sekunden Dauer des Piloteneingriffs) bewertet. Weil der Anstellwinkel mit angelegten Ohren wesentlich geringer ist als im B-Stall, darf der Schirm bei der Ausleitung auch nicht so weit nach vorne nicken für LTF A, B und C sind maximal 30° erlaubt, ein LTF-D-Schirm darf auch bis 60° nach vorne kommen.

Manöver 21: Prüfung des Ohren-Anlegens im beschleunigten Flug
Hier wird in zwei Variationen getestet: 10 Sekunden voll beschleunigt geflogen, wird einmal der Beschleuniger schnell entlastet und zeitgleich werden die angelegten Ohren freigegeben.
Dann wird nach 10 Sekunden voll beschleunigtem Flug der Beschleuniger schnell entlastet, der Pilot hält die Ohren aber im eingeklappten Zustand. Hierbei kann es wegen der plötzlichen Geschwindigkeitsreduzierung und dem noch hohen Widerstand der angelegten Ohren schon zu einem ordentlichen Pendler kommen. Dieser darf für LTF A, B und C (nach vorne) nicht stärker als 30° sein. Um ein LTF A oder B zu erhalten, muss der Schirm bei diesem Manöver weiterhin in einem stabilen Flug bleiben. Die sonstige Bewertung erfolgt wie bei Manöver 20.

Manöver 20/21

Manöver 22: Prüfung des Verhaltens bei der Ausleitung von Steilspiralen
Wie bei Manöver 9 wird eine Steilspirale eingeleitet und auf einen Sinkwert von 14 m/s, falls dieser nicht erreicht wird, auf den höchsten erreichbaren Sinkwert gebracht. Nach Freigeben der Bremsen (innerhalb 2 Sekunden) wird das Schirmverhalten beobachtet. Dabei muss ein LTF A- oder B-Schirm umgehend selbstständig verlangsamen, bis zum Normalflug darf er 2 volle Umdrehungen benötigen, ein LTF-C hat eine Umdrehung mehr Zeit. Die bisher für einen 1-er erlaubten 180° Nachdrehen ohne Verlangsamung sind in den neuen LTF nicht mehr vorgesehen. Ein Nachdrehen mit gleichbleibender Sinkgeschwindigkeit führt generell zu LTF D. In dieser Klasse darf der Schirm dann aber auch stabil weiterdrehen und einen Eingriff des Piloten verlangen.

Manöver 23: Prüfung der alternativen Methode zur Richtungssteuerung
Bei Ausfall einer oder beider Steuerleinen muss der Schirm durch eine alternative Methode steuerbar bleiben. Welche ist nicht festgelegt, dies bestimmt die Betriebsanleitung des Gerätes. Eine 180°-Kurve muss ohne Trudeln innerhalb von 20 Sekunden geflogen werden können, dann ist der Test mit LTF A bestanden, andernfalls: F.

Manöver 24: Prüfung jedes anderen Flugmanövers und/oder jeder anderen Konfiguration, die in der Betriebsanleitung beschrieben sind
Wer weiß, was da noch kommen wird, mit Schirmen, die möglicherweise nur noch 2 Leinenebenen haben oder feste Bauteile. Diese optionale Prüfung soll die Möglichkeit bieten, bei künftiger Änderung der Technologie jedes dann erforderlich werdende oder in der Betriebsanleitung empfohlene Manöver zu testen und zu bewerten, ohne dass gleich die gesamten LTF geändert werden müssen. Dabei wird überprüft, ob das Manöver so geflogen kann, wie es beschrieben ist (LTF A) oder nicht (F) und ob es für Anfänger geeignet ist (LTF A) oder nicht (LTF C).

Gurtzeugeinstellung bei den Testflügen
In den LTF 09 gibt es eine genaue Vorgabe bezüglich Einstellung der Brustgurtweite. Sie liegt bei 38 cm (< 50 kg Pilotengewicht), 42 cm (50-80 kg Pilotengewicht) und 46 cm (> 80 kg Pilotengewicht). Die große Mehrzahl der Gleitschirmpiloten fliegt jedoch mit einem erheblich weiter eingestelltem Brustgurt (50-55 cm oder breiter). Dies ist unbedingt zu beachten, ein breiter eingestellter Brustgurt verschlechtert in der Regel die Kontrollierbarkeit des Gleitschirms, genauso wie die Abweichung von der aufrechten Piloten-Sitzhaltung, wie sie bei den Testflügen eingenommen wird. Die Gurtzeuge der Testpiloten aller LBA-anerkannten Prüfstellen müssen eine Aufhängehöhe von 42 cm aufweisen (Sitzbrett bis Unterkante Einhängekarabiner). Es sind jedoch Gurtzeuge mit erheblich niedrigeren Aufhängehöhen auf dem Markt (< 37 cm). Auch dabei ist davon auszugehen, dass niedrigere Aufhängehöhen die Kontrollierbarkeit des Gleitschirms erschweren.

Vom Wesen der Normen
Es ist eine bekannte Tatsache, dass eine Norm nach jahrelanger Ausarbeitungs- und Genehmigungsarbeit mit dem Datum des Inkrafttretens bereits wieder veraltet ist. Man hat inzwischen schon wieder neue Erkenntnisse, die aber nicht mehr berücksichtigt werden konnten. Nicht anders ist es mit den LTF 09. Sorge bereitet vor allem, die beim seitlichen Einklapper erlaubte Zuhilfenahme von sogenannten „Faltleinen“. Ist ein Einklapper nicht gemäß den Vorgaben durch bloßes Herunterziehen der A-Leinen zu erzielen, muss der Hersteller an der Kappe zusätzliche Leinen, eben jene Faltleinen, anbringen, die ein normkonformes Einklappen ermöglichen. Tests des DHV in jüngerer Zeit haben gezeigt, dass vom Hersteller entsprechend geschickt angebrachte Faltleinen das Einklappverhalten drastisch Richtung Gutmütigkeit verändern können. Die Fläche bricht dann nicht mehr dynamisch zusammen (mit entsprechend dynamischer Reaktion des Schirmes) sondern rollt sich wie der Deckel beim Öffnen einer Ölsardinendose unspektakulär ein. Dies kann ein sehr gutmütiges Klappverhalten des Schirmes im Test vorgaukeln, das dann in Wirklichkeit ganz anders aussieht. Bleibt zu hoffen (und zu überprüfen), dass die LBA-anerkannten Prüfstellen diesbezüglich seriös und unbestechlich bleiben.
Bei den ersten Musterprüfungen nach LTF 09 hat sich zudem ein Interpretationsproblem bezüglich der Manöveranweisung zum Manöver 10 (frontaler Einklapper) ergeben. Von Herstellerseite wird die Anweisung teilweise so interpretiert, dass auch der beschleunigte Frontklapper mit einer maximalen Einklapptiefe von 40% ausgeführt werden soll. Dies wäre jedoch ein Rückschritt im Vergleich zu den LTF 03. Beschleunigt klappen die Gleitschirme im Normalfall sehr viel weiter über die Flächentiefe ein. Der DHV interpretiert die Manöveranweisung so, dass beim beschleunigten Frontklapper vom Testpiloten das vom Gerät vorgegebene Klappverhalten „ertestet“ werden soll. Er darf jedoch bei der Einleitung des Frontklappers Zugkraft und Zuggeschwindigkeit (beim Herunterziehen der Tragegurte) nicht so verringern, dass der Schirm einen Frontklapper < 40% macht.

Veröffentlichung der Testflugvideos
Was nützt die beste Norm, wenn alles nur auf Papier steht. Die Konkurrenzsituation der 3 LBA-anerkannten Prüfstellen (Air Turquoise (Alain Zoller), EAPR (Guido Reusch) und DHV trägt zumindest das Potential in sich, dass aus wirtschaftlichen Gründen ein Wettbewerb um die „herstellerfreundlichste“ Prüfstelle beginnt. DHV und EAPR haben sich deshalb klar dafür ausgesprochen, dass die Testflugvideos aller mustergeprüften Geräte im Internet für jedermann zugänglich veröffentlicht werden. Eine effektivere Kontrolle sauberer Prüfstellenarbeit gibt es nicht. Air Turquoise und der Herstellerverband PMA, letzterer mehrheitlich, sind aber gegen eine Veröffentlichung der Testflugvideos. Es wäre wünschenswert, wenn die eigentliche Macht der Szene, die Piloten, hier ein klares Statement gegenüber den Verweigerern abgeben würden.

Neutrale Testpiloten
Darf man im Prüfstellen-Wettbewerb auf seine eigenen Vorzüge hinweisen? Warum nicht! Der DHV leistet sich als einzige Prüfstelle Testpiloten, die fest angestellt sind, keine andere bezahlte Tätigkeit in der Gleitschirmbranche ausüben und deshalb objektiv als absolut neutral gelten dürfen. Die anderen Prüfstellen arbeiten mit Freelancern, die meist auch für Hersteller (jedoch nicht solche, deren Geräte sie als Prüfstellen-Piloten testen) als Werkspiloten tätig sind. Das ist keinesfalls zu beanstanden, weil das LBA diese Praxis genehmigt hat, aber sagen kann man es ja mal.........