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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV
04.08.2014

Gleitschirme sind kaputtbar, korrekte Nachprüfung ist lebenswichtig!

Das haut den stärksten Checker um: Statt mind 40 daN hielten die unummatelten Aramid-Top-Leinen weniger als 10 daN!

Aus aktuellem Anlass weist der DHV auf die Wichtigkeit der korrekten Nachprüfung nach Herstellervorgaben von Gleitschirmen hin.
Anfang Juli war ein ungarischer Gleitschirmflieger abgestürzt, weil an seinem LTF-C-Gerät (Skywalk Cayenne 4) mehrere Top-Leinen gerissen waren und auch ein Teil der Gleitschirmkappe zerriss. Nach einem Frontklapper war der Pilot vertwistet worden, der Schirm geriet in eine Spirale. Kurz darauf war es zu dem Materialversagen gekommen. Pilot und Gerät stürzten in dichte Büsche, dabei blieb der Gleitschirmflieger unverletzt.

Eine Untersuchung des Unfallgerätes wurde von Hersteller und DHV zusammen durchgeführt. Es zeigte sich, dass
- die Top-Leinen (unummantelte Aramidleinen) weniger als 30% der Bruchlast aufwiesen, die vom Hersteller für die Nachprüfung gefordert sind und
- dass die Weiterreißfestigkeit des Tuches (Bezometer-Test) deutlich unterhalb der Minimalwerte des Herstellers für die Nachprüfung lagen.

Aus den Nachprüf-Protokollen anderer Geräte des gleichen Musters ging hervor, dass Leinen- und Tuchfestigkeiten stets weit über den Grenzwerten lagen.

Der gut zwei Jahre alte Schirm war stark ausgebleicht, die Leinen wiesen Spuren überdurchschnittlichen Gebrauchs auf. Nach Einschätzung des Herstellers war das Gerät mindestens doppelt so lange im Einsatz gewesen (oder zumindest der UV-Belastung ausgesetzt) wie maximal für ein Nachprüf-Intervall vorgesehen.

Zwei Monate vor dem Unfall war das Gerät zur Nachprüfung bei einem ungarischen Checkbetrieb. Dort wurde jedoch die Leinenfestigkeit nicht geprüft, obwohl der Hersteller dies in seiner Nachprüfanweisung vorschreibt. Eine Überprüfung der Leinenfestigkeit und der Weiterreißfestigkeit des Tuches hätten zu diesem Zeitpunkt ohne Zweifel die gefährliche Materialschwäche aufgedeckt.

Im Mai hatte sich bei einem LTF-C-Gerät eines anderen Herstellers (Mac Para Marvel) während des Fluges der gesamte C-Tragegurt einer Seite verabschiedet. Dem Piloten gelang trotz der Beschädigung eine sichere Landung. Die Untersuchung durch den Hersteller zeigte, dass das Gerät extrem stark beansprucht war. Ca. 700 Flüge ohne Check, dazu viel Groundhandling hatten Beschädigungen an Kappe und Leinen und durchgescheuerte Nähte an den Tragegurten verursacht.

Die Nachprüfintervalle des Hersteller sind nach LuftGerPV verbindlich. Bei den Gleitschirmen der oben genannten Fälle war das Nachprüfintervall vom Hersteller auf " 2 Jahre oder 150 Flugstunden", bzw. "2 Jahre oder 200 Flugstunden" festgelegt gewesen. Beide Geräte waren in den zwei Jahren aber erheblich länger geflogen worden. Sie hätten bereits deutlich früher nachgeprüft werden müssen.

Zudem scheint der Hinweis angebracht, dass auch die Zeit, die ein Gleitschirm an Start- und Landeplatz im Freien herumliegt, als Betriebszeit gerechnet werden muss. Besonders unummantelte Aramid-Leinen werden durch die UV-Strahlung geschwächt, ebenso wie das in der Regel sehr leichte Tuch des Untersegels.

Gleitschirmpiloten sollten auch auf die ordnungsgemäße Durchführung der Nachprüfung achten. Die Hersteller haben in der Regel die "Nachprüfanweisung" auf ihren Websites oder in der Betriebsanleitung des Gerätes veröffentlicht. Dieses Dokument führt alle beim Check auszuführenden Prüfungen auf und eignet sich auch gut als Kontrolle für den Halter um die durchgeführten Arbeiten zu überprüfen.

Karl Slezak
DHV-Referat Sicherheit und Technik