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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Im Schwarm die Thermik besser erkennen

Miteinander kommunizierende GPS-Variometer zeigen dem Piloten, wo es in der Luft rauf und wo es runter geht. Das SkyNet-Entwicklerteam berichtet über Idee und erste Testläufe. Ein Projekt der Uni Erlangen mit Pilottravel und Skytraxx.

Text und Fotos Jürgen Eckert und Birger Clausen

Jeder Pilot kennt es: Es piepst, es geht rauf oder runter. Dabei können Varios viel mehr. Immer mehr Varios werden auch gleichzeitig mit GPS ausgestattet. Allein das ist schon ein erheblicher Fortschritt. Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Rechner- und Kommunikationssysteme an der Universität Erlangen-Nürnberg zeigen uns jetzt jedoch, dass die Entwicklung der Varios bislang nur rudimentäre Fortschritte gemacht hat. Die Wissenschaftler vom SkyNet-Entwicklerteam gehen einen großen Schritt weiter. Sie möchten durch direkte Kommunikation zwischen den Geräten ein Abbild der Luftbewegungen der Umgebung erzeugen. Dazu wurden bereits im Jahr 2013 einige Versuche durchgeführt, um bekannte Techniken aus dem MANET (Mobile Ad-hoc Netzwerke) Forschungsbereich für eine Kommunikation zwischen den Varios zu nutzen. Hier sollen die technischen Grundlagen kurz dargestellt werden und über einen ersten Praxistest berichtet werden.

MANET ermöglichen den infrastrukturlosen Informationsaustausch zwischen mobilen Knotenpunkten (hier: Varios). Eine wichtige Eigenschaft ist die automatische Informationsweiterleitung über Dritte. Dies ermöglicht größere Distanzen mit geringem Stromverbrauch zu überbrücken. Zwar wäre auch eine Kommunikation über Mobilfunknetz möglich, das ist jedoch mit den folgenden Nachteilen verbunden:  Es fallen Kosten für die Mobilfunkübertragung an, die im Ausland unter Umständen hoch sein können. Es gibt in großer Flughöhe und dünn besiedelten Regionen sehr viele Funklöcher.

Genau diese Probleme umgeht die von den Forschern ersonnene Lösung. Sie funktioniert weltweit kostenlos ohne eine Netzinfrastruktur. Eine Kombination mit bestehenden (auf Mobilfunk basierenden) Diensten ist gleichwohl möglich.

Insbesondere hat diese Innovation für den Piloten den Vorteil, dass

1) Thermiken leichter gefunden werden. Ein sehr detailliertes Bild der umliegenden Luftbewegung wird im Vario erzeugt, indem sie untereinander ständig die zurückgelegten Stecken inklusive Steigraten austauschen. Dadurch kann der Pilot eine optimale Linie fliegen. Er erkennt, ob es sich lohnt, in der schwachen Thermik zu bleiben oder weiter zu fliegen, um nach einem längeren Weg zur Thermik schneller zu steigen.

2) ein neues Notfallsystem entsteht. Bei einer Notlandung oder unkontrollierten Landung kann es passieren, dass der Pilot in den Bäumen hängt oder sich gar bei einem Aufprall verletzt. Das Kommunikationssystem im Vario erkennt dieses Flugverhalten und setzt einen Notruf inklusive exakter Position und der Härte der Landung über das aufgespannte Netzwerk ab. Sollte eine Flugrettung nötig sein, können die Einsatzkräfte über das Netzwerk eine temporäre Flugverbotszone beispielsweise für eine Bergung etablieren.

3) schwierige Situationen vermieden werden können; vor allem bei Landungen. Basisstationen mit Windmessern können ihre Informationen direkt an die Geräte weitergeben. So kann der Pilot mithilfe dieser Informationen auf seinem Vario erkennen, ob auf dem Berg aktuell startbare Bedingungen hinsichtlich der Windstärke und Richtung herrschen und wo er am besten landet, wenn die Entscheidung für den Flug schon gefallen ist.

Beim Streckenfliegen im Flachland könnte dieses System beispielsweise den Schleppbetrieb revolutionieren. Durch verschiedene Sensoren in der Schleppstreckenumgebung könnte die Luftströmung aufgezeichnet und dem Piloten in Echtzeit übermittelt werden. Dadurch kann genau ermittelt werden, wo die Thermik sich gerade ablöst. So werden die wenigen Höhenmeter, die der Pilot für den Thermikeinstieg zur Verfügung hat, optimal genutzt.

Für die technische Umsetzung nutzen die Wissenschaftler derzeit einen Dongle, der die Kommunikation mit anderen Gleitschirmen übernimmt. Mittels Bluetooth oder Kabel wird dieser an ein bereits vorhandenes Variometer, Handy oder Tablet angeschlossen.

Ein Partner dieses Projekts ist Skytraxx. Geschäftsführer Michael Blank stellte nicht nur seine Expertise, sondern auch fünf seiner aktuellen Variometer zur Verfügung. Diese besitzen in der 2014er Version neben einem Beschleunigungssensor nun auch die benötigte Bluetooth-Schnittstelle zur Kommunikation mit dem Dongle.

Ein erster Testlauf wurde auf einer Reise des Gleitschirmreisespezialisten Pilottravel im November 2013 in Argentinien durchgeführt. Die mehr als zehnjährige Erfahrung der Pilottraveler erlaubte eine geschickte Fluggebietewahl, um die Anzahl der Thermikflüge und somit die Menge der gesammelten Daten zu maximieren. Jeder Teilnehmer konnte bereits die Position, sowie die Steigrate aller anderen Piloten auf seinem Vario im Flug verfolgen. Die bei diesem ersten Praxiseinsatz aufgezeichneten Daten dienen dazu, die Signalausbreitung zwischen zwei Gleitschirmen zu untersuchen und zu modellieren. Dieses Wissen ist fundamental, um zum einen die Simulationsumgebung in OMNeT++ (und MiXiM) implementieren zu können und zum anderen, um später abschätzen zu können, welche situationsbedingte minimale Übertragungsleistung benötigt wird (dadurch wird die Batterielaufzeit maximiert). Die Abbildung zeigt, dass das Simulationsmodell sehr nahe an den tatsächlichen Messungen ist.
Für das neuartige System ist eine große Bandbreite an kommunikationsrelevanten und sonstigen Fragen zu klären. Die Applikation und die dafür benötigten Protokolle müssen standardisiert werden, damit möglichst viele Variometer der Zukunft dem Netzwerk beitreten können. Jeder ist eingeladen, sich aktiv an der Entwicklung zu beteiligen. Die dadurch entstehende Software und Hardware soll frei verfügbar sein. Auf der Projektseite wird in den nächsten Wochen die erste öffentliche Version des neuen Dongles zur Verfügung gestellt.