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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Achtung - Einklapper (Teil 1)

Ein großflächiger Einklapper, egal wodurch verursacht, ändert das Flugverhalten des Gleitschirms drastisch!

In dieser zweiteiligen Artikelserie (Teil 2 im Info 127) dreht sich alles um die häufigste Ursache für Gleitschirmunfälle - seitliche Einklapper. Der Bericht möchte die Thematik gründlich behandeln und auch neue Erkenntnisse aus Unfallanalyse und Flugtechnik vermitteln. Zum besseren Verständnis ist das Geschriebene mit mehreren Videobeispielen ergänzt. Bewegliche Bilder in Printmedien gibt es zwar bislang nur bei Harry Potter, aber dieser Artikel kann, kombiniert mit den Filmbeispielen, hier nachgelesen werden.

Einklapper - Gefahr für jeden Gleitschirmflieger
Dass sich plötzlich der halbe Flügel "verabschiedet", wenn auch nur temporär, ist ein Extremflugzustand, den ausschließlich Gleitschirmflieger kennen. Andere Fluggeräte fliegen oder, was aber höchst selten passiert, sie zerbrechen "richtig".
Wer den Gleitschirmsport ausschließlich in ruhigen Flugbedingungen ausübt- und eine stets größer werdende Zahl von Piloten findet daran Vergnügen - kann viele Jahre glücklich und ohne Einklapper fliegen. Dennoch ist auch diese Pilotengruppe nicht davor gefeit. Ein Flugfehler oder überraschend auftretende Turbulenzen können dazu führen, dass es dann eben doch mal passiert. Aus diesem Grund sind Kenntnisse von Ursache, Auswirkung und Pilotenverhalten bei der Kappenstörung Einklapper für jeden Piloten von besonderer Wichtigkeit. Die Rede ist hier nicht von den kleinen "Kläpperchen", die schneller wieder gehen als sie gekommen sind und keine deutlichen Auswirkungen auf das Flugverhalten des Schirmes haben. Hier geht`s um sicherheitsrelevante, großflächige seitliche Einklapper, die schnell und oft sehr drastisch das Flugverhalten des Gleitschirms ändern.
 
Unfallursache Einklapper in der Unfallstatistik
Seit 1997 erfolgt vom DHV eine systematische Auswertung der Unfälle eines jeden Jahres. In dieser Zeitspanne ist ein kontinuierlicher Rückgang der Unfallursache Einklapper zu verzeichnen. Der prozentuale Anteil an der Gesamtzahl der Unfälle sank beständig leicht und lag im Jahr 2002 um 10% niedriger als im Jahr 1997. Wurden 1997 noch deutlich mehr als 1/3 aller Gleitschirmunfälle durch Einklapper verursacht, waren es im Jahr 2002 nur noch ein Viertel. Hier schlägt das zunehmende Sicherheitsbewusstsein der Piloten beim Gerätekauf zu Buche; betrug der Marktanteil der 1 und 1-2 er Schirme im Jahre 1997 nur ca. 30 %, waren es im Jahr 2002 65 %

Anteil der Unfälle nach Einklappern an der Gesamtanzahl der GS-Unfälle

 1997       1998       1999       2000       2001       2002    
 36% 34% 33% 32% 30% 26%

 

Warum klappt ein Schirm ein ?
Seitliche Einklapper können mehrere Ursachen haben.

- Eine starke Turbulenz die von oben auf eine Flügelseite wirkt. Die Folge ist ein schlagartiges Unterschreiten des kritisch kleinen Anstellwinkels und ein Zusammenbrechen des  durch den Staudruck im Flügelinneren aufgebauten Profils.

- Starkes Vorschießen der Kappe bis zum Erreichen des kritisch kleinen Anstellwinkels, verursacht beispielsweise durch einen Flugfehler des Piloten (Vorschießen der Kappe nach einem Strömungsabriss), aber auch turbulenzbedingt.

- Einklapper können auch als Folge einer sehr impulsiven Wiederöffnung eines vorausgegangenen Klappers auftreten. In diesem Fall klappt die Gegenseite ein (Gegenklapper).

- Bei Manövern mit starker Schräglage (Wingover, Steilspirale) kann der Außenflügel entlasten und einklappen. (zu diesem Thema erschien im Info 122 ein Bericht)

Ist die Luft turbulent, muss der Pilot auf mögliche Einklapper vorbereitet sein. Neben thermischen Scherungsturbulenzen sind Leeturbulenzen die häufigste Ursache für Einklapper. Auch die Fluggeräte selbst verursachen eine Verwirbelung der Luft. Die Wirbelschleppe eines Gleitschirms kann beim dicht dahinter fliegendem Kollegen durchaus einen ordentlichen Einklapper verursachen. Es ist sogar möglich mit dem eigenen Gleitschirm so starke Turbulenzen zu erzeugen, dass ein großflächiges Einklappen des Schirmes passieren kann: Beim langsamen Ausleiten einer Steilspirale kann man vom "Downwash" der durch die Spirale verursachten Turbulenzen "eingeholt" werden. Diese können unvermutet heftig ausfallen.

Weites Vorschießen oder moderates Vornicken (unten); bei einer Bewegung der Kappe Richtung (zu) kleiner Anstellwinkel sinkt der Steuerdruck auf den Bremsen, der Steuerweg verlängert sich. Der Pilot muss bis zum Erreichen des bekannten Steuerdrucks nachbremsen.
Starkes oder mäßiges (unten) Aufstellen des Schirmes durch Einfliegen in eine Thermik; bei Anstellwinkelvergrößerungen steigt der Steuerdruck auf den Bremsen. Der Pilot muss die Bremsen freigeben.
Was kann der Pilot tun um Einklapper zu verhindern ?

Ein konzentriert fliegender Pilot kann die Vorzeichen eines drohenden Einklappers meist erkennen und entsprechend reagieren um diesen im Ansatz zu verhindern. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, die Schirmkappe aktiv über die Steuerleinen zu kontrollieren und die auf das Gurtzeug übertragenen Bewegungen der Schirmkappe richtig zu interpretieren. Ausgehend von der Bremsenstellung des geringsten Sinkens (oder etwas schneller), reagiert der Pilot auf die fühlbaren Veränderungen des Steuerdrucks durch Nachlassen (wenn der Steuerdruck ansteigt) bzw. Bremsen (wenn der Steuerdruck nachlässt) der Steuerleinen. Nachlassender Steuerdruck auf einer Bremse ist ein Zeichen für eine beginnende Entlastung oder ein Vorschießen dieser Flügelseite und damit einem drohenden Einklapper. Ein sofortiges Bremsen bis zum Erreichen des bekannten Steuerdrucks kann fast immer den Einklapper verhindern, zumindest aber dessen Größe beschränken. In manchen Situationen können an den beiden Flügelseiten des Gleitschirms unterschiedliche Anstellwinkelverhältnisse herrschen. Beim seitlichen Einfliegen in eine Thermik kann beispielsweise eine Flügelhälfte im Aufwind sein, der Anstellwinkel ist hoch, die andere im Abwind, der Anstellwinkel ist klein. Der Pilot sollte in der Lage sein, mit beiden Steuerleinen unabhängig zu agieren. Nachlassen an der Flügelseite, die sich im Aufwind befindet um den hohen Anstellwinkel zu kompensieren, Nachbremsen auf der anderen Seite um den kleinen Anstellwinkel zu vergrößern und einen Einklapper zu verhindern.

Ähnliche "Informationen" wie über die Steuerleinen, erhält der Pilot auch durch die Bewegungen des Gurtzeugs; nickt die Kappe nach vorne, lässt der "Sitzdruck" spürbar nach, steigt er an, ist der Schirm gerade auf dem Weg nach hinten. Ein Klapper verursacht bereits im Ansatz das Entlasten der Tragegurte an einer Seite und damit eine beginnende Abkippbewegung des Piloten im Gurtzeug.
Eine besondere Bedeutung hat die visuelle Kontrolle der Fluglage. In Flugrichtung blickend registriert der Pilot Abweichungen von der Normalfluglage. Weicht der Horizont nach oben ab (Blickrichtung nach schräg unten), nickt die Kappe nach vorne, entschwindet der Horizont nach unten (Blickrichtung nach schräg oben), nickt die Kappe nach hinten.
Manchmal sieht man Piloten, die in turbulenten Bedingungen stets nach oben zur Kappe blicken um so die Veränderungen des Anstellwinkel zu kontrollieren. Dies ist jedoch praktisch unmöglich. Im Gegenteil, gefährliche Anstellwinkelveränderungen können überhaupt nicht erkannt werden, denn der Pilot befindet sich, relativ zur Schirmkappe fast immer senkrecht unter dieser.

Ein besonders wichtiger Punkt zu Vermeidung von Einklappern wird von manchen Piloten sträflich vernachlässigt. 85 % aller Unfälle nach Einklappern hatten ihren Ausgang in einer Höhe von 50 Meter oder weniger über Grund, im bodennahen Bereich bei Abflug, Landeanflug oder beim hangnahen Fliegen. Die Toleranz des Piloten gegenüber Turbulenzen sollte aber geringer werden, je mehr er sich dem Hang oder dem Boden annähert. Das beflogene Gelände sollte doppelt gründlich auf turbulente Bereiche (Lee von Bäumen, Gebäuden etc., Thermik-Abrisskanten) überprüft werden. Und schließlich sollte der Pilot, im Bewusstsein, dass ein bodennaher Einklapper stets höchst gefährlich ist, mit allen Sinnen konzentriert fliegen um besonders rasch reagieren zu können.

Für das Vermeiden von Einklappern gelten folgende Grundregeln:

- Der Pilot blickt, ausgenommen der erforderlicher Luftraumbeobachtung, stets in Flugrichtung um seine Fluglage zu kontrollieren

- Ausgangsstellung für einen sicheren, aktiven Flugstil ist eine Bremsenstellung, die etwa der Geschwindigkeit des geringsten Sinkens entspricht (ca. 20 cm Steuerleinenzug ab "Greifen der Bremse") und der zu dieser Bremsstellung zugehörige Steuerdruck.

- Anstellwinkelveränderungen der Kappe teilen sich dem Piloten unmittelbar durch Änderung des bekannten Steuerdrucks mit. Steigender Steuerdruck = die Kappe (oder die Flügelhälfte) nickt nach hinten. Abfallender Steuerdruck = die Kappe (oder die Flügelhälfte) nickt nach vorne. Auch Kipp- oder Hebelbewegungen des Gurtzeugs geben ein direktes Feedback der Kappenbewegungen.

- Der Pilot reagiert mit Nachlassen oder Nachbremsen der Steuerleinen, bis der bekannte Steuerdruck wieder anliegt. Dieses "aktive" Betätigen der Steuerleinen ist kein statischer Vorgang, sondern ein dauerndes Agieren des Piloten mit dem Ziel, einen ständig gleichbleibenden Steuerdruck auf den Bremsen zu spüren und dadurch die Kappe immer im sicheren Anstellwinkelbereich zu halten.

- Auch beim Kreisen in der Thermik wird mit beiden Bremsen "aktiv" geflogen. Ist die kurveninnere Bremse tief gezogen, muss zusätzlich auf die Gefahr eines einseitigen Strömungsabrisses durch Überbremsen geachtet werden. Diese Gefahr besteht besonders dann, wenn sich der kurveninnere Flügel aufrichten will (der Steuerdruck nimmt dann zu) und der Pilot durch weiteres Ziehen der Bremse die Schräglage wieder vergrößern möchte. Eindeutiges Zeichen für einen Strömungsabriss; der Steuerdruck an der tief gehaltenen Bremse lässt schlagartig nach. Richtige Pilotenreaktion in diesem Fall; sofortiges Freigeben der Bremse.

- Beschleunigtes Fliegen sollte in Bodennähe tabu sein. Es vervielfacht das Einklapprisiko und verschärft die Reaktionen des Schirmes nach einem Klapper.  Lieber im starken Talwind rückwärts fliegend einlanden, statt einen beschleunigten Klapper in geringer Höhe riskieren !


Videobeispiel

Wie reagiert der Gleitschirm nach einem seitlichen Einklapper ?

Manchmal kann der Schirm aber so unvermittelt einklappen, dass im Vorfeld keine Gelegenheit zur Verhinderung bleibt. Jetzt muss der Pilot in der Lage sein, mit dem eingeklappten Flügel zu manövrieren.

Um die Anforderungen an die Reaktion des Piloten richtig zu verstehen, ist es wichtig, die aerodynamischen Vorgänge am Flügel nach einem Einklapper zu erfassen. Die nachfolgende Bilderserie zeigt einen großflächigen Einklapper aus Trimmgeschwindigkeit (normaler Anstellwinkel).

Bild 1. Während des Einklappens. Das im Gleichgewicht befindliche Pendel Gleitschirm-Pilot wird durch einen großflächigen Einklapper abrupt gestört. Die plötzliche Widerstandserhöhung durch den Einklapper verursacht eine augenblickliche Abnahme der Geschwindigkeit. Der massenträgere Pilot bewegt sich jedoch noch mit seiner ursprünglichen Geschwindigkeit weiter, er pendelt vor die Kappe, deren Anstellwinkel sich erhöht. In dieser Phase erfolgt keine Wegdrehen des Schirmes in Richtung der eingeklappten Seite.
Bild 2. 2 Sekunden nach dem Einklappen. Der Gleitschirm hat seine Geschwindigkeit weiter reduziert, der Pilot seinen maximalen Pendelausschlag nach vorne, die Schirmkappe nach hinten erreicht, dadurch hat sich der Anstellwinkel noch einmal erhöht. Der Schirm macht ein Gierbewegung um die Hochachse von ca. 20 ° Grad zur eingeklappten Seite, eine Drehbewegung (Roll/ Nickbewegung) erfolgt noch nicht.
Bild 3. 2,5 Sekunden nach dem Einklappen. Der Pilot pendelt nun wieder zurück unter die Fläche. Im Gegenzug beginnt die offene Flügelseite Geschwindigkeit aufzunehmen. Sie fängt an, nach vorne zu nicken, ihr Anstellwinkel verkleinert sich dabei. Wegen des hohen Widerstandes an der eingeklappten und des geringen Widerstandes an der offenen Seite wird der Gleitschirm in einen Kurvenflug gezwungen; die Drehbewegung beginnt.
Bild 4. 3 Sekunden nach dem Einklappen Der Gleitschirm hat seine Nickbewegung nach vorne fortgesetzt. Der Pilot ist als Gegenpendel nun schon deutlich hinter der Schirmkappe zurück. Der Anstellwinkel der offenen Flügelseite ist nun klein, die Geschwindigkeit steigt weiter. Deshalb beschleunigt sich die Drehbewegung um die eingeklappte Seite jetzt deutlich.
Bild 5. 3,5 Sekunden nach dem Einklappen Das Pendel befindet sich jetzt schon fast im vollen Ausschlag. Die Kappe ist, immer noch eingeklappt, schnell und mit sehr kleinem Anstellwinkel weit vor dem Piloten, der durch die zunehmenden Fliehkräfte zur kurvenäußeren Seite gedrängt wird. Die Drehung ist jetzt sehr schnell.
Bild 6. 4 Sekunden nach dem Einklappen Die Kappe ist nun voll "auf der Nase", mit einem Nickwinkel von ca. 60 ° Grad. Der Schirm hat von Beginn des Einklappens inzwischen etwa 160 ° Grad weggedreht. Drehgeschwindigkeit, Höhenverlust und Fliehkraft sind jetzt am größten. Der Einklapper beginnt sich nun zu öffnen.
Bild 7. 4,5 Sekunden nach dem Einklappen Der Einklapper hat sich wieder geöffnet. Der Pilot stabilisiert die Kappe durch beidseitiges Anbremsen.
Bild 8. 5 - 7 Sekunden nach dem Einklappen Der Pilot pendelt nun wieder unter den Schirm. Nach einem weiterem Nachdrehen von ca. 90 ° Grad ist der Normalflug wieder hergestellt. Drehwinkel insgesamt ca. 360 ° Grad, Höhenverlust insgesamt 40 - 50 Meter, Dauer des gesamten Ablaufs ca. 7 Sekunden.

Einklapper aus dem Normalflug, wie in der Bilderserie gezeigt, sind sicher am häufigsten. Manchmal befindet sich der Schirm aber bei einem Einklapper nicht in seiner Normalfluglage. Das kann dann zu stark abweichendem Geräteverhalten führen. Nachfolgend werden die beiden markantesten Schirmreaktionen nach einem Einklapper erklärt; plötzliches schnelles Wegdrehen einerseits und deutlich verzögert beginnendes Wegdrehen andererseits. Dabei dient die Bilderserie 1 - 8 als Grundlage. Das unterschiedliche Schirmverhalten hat entscheidende Bedeutung für die richtige Reaktion des Piloten. Zunächst aber einige Grundlagen.

Großer Klapper oder großflächiger Klapper; ein entscheidender Unterschied

Die "Güte", sowie die Dynamik der Folgereaktionen, hängen zu einem großen Teil von der Form des Einklappers ab. Dabei ist weniger ausschlaggebend, wie weit der Schirm in Spannweitenrichtung eingeklappt ist. Viel stärkeren Einfluss hat die Größe der Einklappung in Richtung Flügeltiefe. Bei einem Einklapper von 50 % der Spannweite mit einem Knickwinkel von 20 ° Grad in Richtung Querachse (Flächentiefe), wird der Anströmung vergleichsweise wenig Widerstand entgegengesetzt .Der Auftriebsverlust am eingeklappten Flügel ist gering, zudem bleibt dort ein Großteil des Staudrucks erhalten. Der Schirm wird nur eine geringe Drehtendenz, bzw. Geschwindigkeitsreduzierung aufweisen und schnell und in der Regel selbständig öffnen.

Bei einem Einklapper von 50 % der Spannweite mit einer Knicklinie von 60 ° Grad in Richtung Querachse, bei einem großflächigem Einklapper also, wird der Anströmung durch die seitlich herunterhängenden eingeklappten Flügelteile ein enormer Widerstand entgegengesetzt. Die Geschwindigkeitsabnahme bzw. die Drehtendenz des Flügels ist, wegen des Wegfall eines Großteils des auftrieberzeugenden Fläche, hoch. Zudem sind bedeutende Teile der Kappe völlig entleert, was eine schnelle Wideröffnung des Einklappers durch den Druckausgleich innerhalb der Kappe über die Crossports verzögert.

 

Was entscheidet über Wegdrehen oder nicht Wegdrehen ?

Nach einem großflächigen seitlichen Einklapper bricht der Aufrieb einer Flügelseite praktisch vollständig zusammen, während die offene Seite weiter fliegt. Zwei Komponenten bestimmen nun das Verhalten des Schirmes; eine bremsende, anstellwinkelerhöhende Komponente durch den Widerstand des eingeklappten Flügels und eine Drehkomponente die ihre Ursache darin hat, dass der Schirm um die Seite des höheren Widerstandes drehen und rollen muss.

Welche der beiden Komponenten überwiegt und damit, ob der Schirm plötzlich und schnell oder langsam und verzögert wegdreht, entscheiden zwei Faktoren:
- Die Stellung des Pendelsystems Kappe - Pilot beim Einklappen
- Der Anstellwinkel des offenen Flächenteils nach dem Einklappen

Schnelles Wegdrehen nach dem seitlichen Einklappen

Jede schnelle Drehbewegung (mit positiver Anströmung) beim Gleitschirmfliegen hat drei Voraussetzungen, die gleichzeitig vorliegen müssen:
1. Kleiner Anstellwinkel, hohe Geschwindigkeit und wenig Widerstand an der Kurvenaußenseite
2. Viel Widerstand an der Kurveninnenseite
3. Fliehkraft, die den Piloten nach außen, oben drängt.

Sind beim oder unmittelbar nach dem Einklappen bereits günstige Voraussetzungen für eine Drehbewegung (siehe oben) vorhanden, wird das Drehmoment überwiegen.

Praxisbeispiel: Der Schirm nickt beim Herausfallen aus einer Thermik deutlich vor den Piloten und klappt ein, während der Schirm dynamisch nach vorne beschleunigt. Der Einklapper stoppt die Vorwärtsbewegung der Kappe, der massenträgere Pilot bewegt sich jedoch weiter in die Gegenrichtung nach hinten, oben. Die Entlastung der Leinen am eingeklappten Flügel verursacht nun, dass sich der Pilot, immer noch in der Dynamik seiner Aufwärtsbewegung, nach außen, zur offenen Seite bewegt.  Die Anströmung der offenen Flügelseite (kleiner Anstellwinkel, hohe Geschwindigkeit, wenig Widerstand) und die Position des Piloten im Pendelsystem (im Verhältnis zur Schirmkappe nach hinten außen pendelnd) zwingen den Schirm zum unmittelbaren Übergang in eine schnelle Drehbewegung.
Auf die Fotoserie bezogen, treten die in den Bildern 1, 2 und 3 gezeigten Phasen bei dieser Form des Einklappens nicht auf. Unmittelbar nach dem Einklappen befinden sich Schirm und Pilot bereits in der Situation, die auf dem Bild 4 zu sehen ist. Ohne Eingreifen des Piloten können auch niedrig klassifizierte Schirme in dieser Situation (Bilder 5 und 6) ohne Weiteres 360 ° Grad rasch wegdrehen bevor sich der Klapper zu öffnen beginnt.  Erfolgt ein selbständiges Wiederöffnen während der Drehbewegung, ist das ganze aber oft noch nicht ausgestanden. Bleibt der Pilot passiv, ist häufig zu beobachten, dass der Schirm in dieser Situation Drehimpuls und Geschwindigkeit noch für eine weitere volle Umdrehung mit offener Kappe mitnimmt, bevor er verlangsamt und in den Normalflug übergeht. Höhenverlust: zwischen 40 und 80 Meter.

Vom Piloten selbst wird die Schirmreaktion als überraschend plötzliches, ja ansatzloses Abkippen in eine spiralähnliche Drehbewegung empfunden. "Das Ganze ging so schnell, dass ich keine Zeit zum Reagieren hatte und Sekunden später auf dem Boden aufschlug", ist eine der typischen Formulierungen in den Unfallberichten.

Videobeispiel

 

 

 

 

Klappt der Schirm während einer Nickbewegung nach vorne ein, folgt meist eine rasche, dynamische Drehbewegung
Verzögertes Wegdrehen nach dem seitlichen Einklappen
Ist der Anstellwinkel der offenen Flügelseite nach dem Einklapper groß, wird der Schirm erst mit Verzögerung wegdrehen. Starkes Gegenbremsen, wie auf dem Bild, kann zum einseitigen Strömungsabriss führen

Sind die für eine Drehbewegung erforderlichen Parameter  bei einem Einklapper weniger stark ausgeprägt, beginnt die Drehung zur eingeklappten Seite langsamer. Fehlen sie ganz, kommt es zunächst überhaupt nicht zu einem Wegdrehen des eingeklappten Schirmes. In diesem Fall überwiegt zunächst die bremsende, anstellwinkelerhöhende Komponente des Einklappers.
Praxisbeispiel 1: Beim seitlichen Einfliegen in eine Thermik verursachen Turbulenzen (Abwindbereich) das Einklappen einer Flügelhälfte. Die offene, im Aufwind befindliche Flügelseite, hat in dieser Situation einen großen Anstellwinkel. Die Kappe ist langsam, sie befindet sich hinter dem Piloten. Die Reaktion des Schirmes ist nun grundverschieden von der im ersten Beispiel. Zunächst wird der Schirm durch den Einklapper noch langsamer, der Anstellwinkel erhöht sich zusätzlich. Die Flugsituation von Bild 2 wird erheblich länger andauern, die Schirmkappe mit noch größerem Anstellwinkel dabei deutlich weiter hinter dem Piloten sein. Als nächstes pendelt der Pilot unter das Zentrum der verbleibenden offenen Fläche (neuer Auftriebsschwerpunkt), zeitgleich beginnt diese über und anschließend vor den Piloten zu kommen und Geschwindigkeit aufnehmen (Bild 3). Jetzt erst sind die Voraussetzungen für den Kurvenflug gegeben, der Schirm beginnt die Drehbewegung in Richtung der eingeklappten Seite.
In diesem Fall kann der Schirm zunächst nicht zur eingeklappten Seite drehen, weil der große Anstellwinkel der offenen Seite dies unmöglich gemacht haben.

Praxisbeispiel 2: Beim Ausfliegen aus einer Thermik schießt der Schirm weit nach vorne. Am Ende der Vorwärtsbewegung der Kappe klappt diese seitlich ein. Der Pilot hat als Gegenpendel das Ende seiner Aufwärtsbewegung hinter der Schirmkappe ebenfalls erreicht. Obwohl der Anstellwinkel der offenen Fläche nun klein ist, wird der Schirm nicht zu drehen beginnen, da sich der Pilot in einer für eine Drehbewegung ungünstigen Position, hinter der Kappenmitte befindet. Er kann in dieser Situation auch nicht zur Kurvenaußenseite gedrängt werden, weil die Energie seiner Aufwärtsbewegung vollständig aufgebraucht ist.
Vielmehr wird er der Schwerkraft folgen und wieder unter und anschließend vor die Kappe pendeln. Und ab hier geht es weiter wie im obigen Praxisbeispiel 1, nämlich als Einklapper mit hohem Anstellwinkel an der offenen Seite.
In diesem Fall kann der Schirm zunächst nicht zur eingeklappten Seite drehen, weil sich das Gegenpendel Pilot nicht an der Kurvenaußenseite befindet und damit eine der Voraussetzungen für eine Drehbewegung fehlt.

Videobeispiel 1 

Videobeispiel 2

Zusammengefasst kann gesagt werden:

 

 

- Einklapper, die den Schirm mehr in Richtung Spannweite und weniger in Richtung Flächentiefe deformieren (ähnlich einem Frontklapper), zeigen im Regelfall wenig markante Folgereaktionen.
- Ist der Anstellwinkel des offenen Flügels nach dem Einklappen klein und wird der Pilot als Gegenpendel hinter die Schirmkappe nach außen geschleudert, wird die Drehkomponente überwiegen. Der Schirm beginnt sofort eine rasche Drehbewegung.
- Ist der Anstellwinkel des offenen Flügels nach dem Einklappen groß und/oder pendelt der Pilot vor die Schirmkappe, wird die bremsende, anstellwinkelerhöhende Komponente zunächst überwiegen, die Drehbewegung beginnt erst mit Verzögerung.

 

Unabhängig davon wird der Pilot nach einem großflächigem Einklapper stets in seinem Gurtzeug stark in Richtung der eingeklappten Seite abkippen. Dies wird durch die fast vollständige Entlastung der Tragegurte an der deformierten Flügelseite verursacht.

Wie zeigen sich Geräteunterschiede bei Einklappern ?


Grob kann gesagt werden: Je höher die Klassifizierung, desto größer ist Dynamik, Drehgeschwindigkeit und Höhenverlust. Je mehr Streckung der Gleitschirm hat, desto weiter außen (am offenen Flügel) wird nach einem Einklapper der Auftrieb angreifen. Der lange Hebelarm begünstigt ein schnelles Wegdrehen.  Höher klassifizierte Schirme haben in der Regel auch kürzere Steuerwege. Das erfordert mehr Gefühl beim Gegenbremsen, weil die Grenze zum Strömungsabriss früher erreicht ist.
Auch in den unteren Gütesiegelklassen gab es bisher bei modernen Gleitschirmen zwei markant unterschiedliche Verhaltensweisen nach Einklappern.
Da sind zu einen die Schirme, die nach dem Einklappen stark nach vorne schießen und in eine schnelle Drehung geraten. Genauso schnell erfolgt meist die selbständige Stabilisierung, gefolgt von einer raschen selbsttätigen Wiederöffnung des Klappers. Nach 180° - 270 ° Grad ist alles vorbei. Diese Schirme sind für wenig einklapp-erfahrene Piloten schwierig zu stabilisieren, vor allem in der ersten, besonders schnellen Drehphase. Die Wiederöffnung des eingeklappten Flügels bereitet dagegen wenig Probleme. 

Andere Schirme nicken nach dem Einklappen nur wenig nach vorne und beginnen eine moderate, allerdings länger andauernde Drehbewegung. Die Tendenz zur selbständigen Stabilisierung und Wiederöffnung ist dabei oft weniger stark ausgeprägt. Wegen des nur mäßig ausgeprägten Drehimpulses stellt die Stabilisierung der Flugbahn keine besonderen Anforderungen an den Piloten. Häufig muss bei solchen Geräten zur Wiederöffnung des Klappers allerdings kräftig an der eingeklappten Seite mit der Bremse gepumpt werden.

Die Unfallanalysen des DHV und die Erfahrungen in den DHV-Sicherheitstrainings zeigen, dass Schirme, die nach dem Einklappen stark auf die Nase gehen für weniger versierte Piloten schwieriger zu beherrschen sind als solche, die langsam aber länger wegdrehen.
Viele Einklapper-Unfälle im bodennahen Bereich haben deutlich gemacht, dass die wichtigste Anforderung für solche Situationen an das Fluggerät "einfache Stabilisierung durch den Piloten" heißen muss.
Mit dem Erlass der neuen Lufttüchtigkeitsforderungen für Gleitschirme im April 2003, hat der DHV einen besonders wichtigen Schritt in Richtung besserer Gerätesicherheit gemacht. Das Vorschiessen nach Einklappern ist bei den Klassen 1 und 1-2 auf 45 ° Grad beschränkt. Schirme, die nach einem großen Klapper innerhalb einer Sekunde in einem Winkel von 70 ° oder 80 ° Grad vor dem Piloten stehen und diesen dadurch so erschrecken, dass er zu keiner gezielten Reaktion fähig ist, wird es in den unteren Klassen nicht mehr geben. Wer solchem Geräteverhalten Gefallen abgewinnt, muss sich nun in einer höheren Klasse umschauen.

Videobeispiel 1

Videobeispiel 2 (noch nicht aktiv)

Wie soll der Pilot nach einem großflächigen Einklapper reagieren ?

Die Handlungsanweisungen, die in manchen Lehrbüchern für diese Situation zu lesen ist heißt: "Nach einem Einklapper muss auf der offenen Seite gegengebremst werden". Dies kann jedoch in manchen Fällen genau der falsche Rat sein, da das Verhalten des Gleitschirms, wie im vorherigen Absatz beschrieben, gänzlich unterschiedlich sein kann.

 

 

Grundsatz für das Pilotenverhalten nach einem Einklapper:

Nicht auf den Einklapper muss der  Pilot reagieren, sondern auf das durch den Einklapper verursache Schirmverhalten.

 

Der Job des Piloten ist, mit dem eingeklappten Schirm so zu manövrieren, dass keine dynamische Drehbewegung und kein Strömungsabriss erfolgt. Diese Aufgabe wird dadurch erschwert, dass dem Piloten jetzt nur noch eine Steuerleine zur Verfügung steht und auch die Möglichkeit der aktiven Gewichtssteuerung über das Gurtzeug stark eingeschränkt ist.

Einfluss der Gewichtsverlagerung

Beim Kurvenflug, z.B. beim Kreisen in der Thermik, nutzt der Gleitschirmpilot die Gewichtssteuerung. Bei Verlagerung des Gewichts zur Kurveninnenseite entsteht ein Drehmoment in diese Richtung. Dies gilt auch nach einem seitlichen Einklapper. Ein starkes Abkippen des Piloten im Gurtzeug zur eingeklappten Seite verstärkt die anschließende Drehbewegung des Schirmes, häufig sehr deutlich. Andererseits bewirkt das Abkippen, dass Leinen und Tragegurte der eingeklappten Seite quasi verkürzt werden. Dies wirkt der Entlastung in einem gewissen Masse, am stärksten in dem Kappenbereich, der durch die innersten A-Leinen angelenkt wird, entgegen. Dies kann die Größe des Einklappers in Spannweitenrichtung, nicht jedoch dessen Flächentiefe reduzieren. Bei Einklappern, die den Schirm deutlich über die Flächenmitte deformieren, fällt dieser Effekt ganz weg.

Wie sollte sich nun der Pilot verhalten ?

In Hang- oder Bodennähe hat die Verhinderung einer dynamischen Drehbewegung oberste Priorität. Hier wäre es fatal, dem eingeklappten Schirm durch ein passives oder bewusstes Abkippen des Piloten im Gurtzeug zusätzliche Drehdynamik zu geben. Der Pilot sollte dem Abkippen bewusst entgegenwirken. Oberschenkel und Gesäßhälfte (Arschbacke) an der hohen Seite des Sitzbretts (nicht eingeklappte Seite) werden aktiv belastet und nehmen Gewicht von der abgekippten Seite des Sitzbretts. Körperspannung, vor allem der Bauchmuskulatur in Richtung hohe Seite des Sitzbretts verhindert ein Abkippen des Oberkörpers. Diese Aufrichtbewegung muss aber allein über die Muskulatur des Körpers erfolgen. Keinesfalls darf die Steuerleine an der offenen Seite des Schirmes zum Aufrichten in einer Abstützbewegung nach unten gezogen werden.
Sehr routinierte, im Umgang mit großen Einklappern geübte Hochleisterpiloten, entscheiden sich aber manchmal bewusst für ein Abkippen im Gurtzeug und damit für aktives "Mitgehen" des Körpers in Richtung Drehbewegung. Der Grund liegt in der besonderen Charakteristik von Hochleistern nach Einklappern. Deren Wegdrehtendenz ist oft so stark ausgeprägt, dass eine Gewichtsverlagerung entgegen der Drehrichtung zum Eindrehen der Tragegurte und Fangleinen (Twist) führen kann. Dies gilt verstärkt, wenn der Pilot in starker Rücklage (Liegegurtzeug) fliegt. Zudem ist das Stabilisieren eines Einklappers bei einem Hochleister über die Gegenbremse, wegen des geringen vorhandenen Steuerwegs und der damit verbundenen hohen Strömungsabrissgefahr sehr schwierig. Der Pilot muss den Schirm vor dem Einsatz der Gegenbremse in die Drehung beschleunigen lassen um Anstellwinkelreserve für das Gegenbremsen zu schaffen und er muss gleichzeitig mit der Drehung mitgehen um nicht eingetwistet zu werden. Diese Vorgehensweise ist, besonders in Bodennähe, wegen des damit verbundenen Höhenverlusts jedoch nicht unproblematisch.

Gegenbremsen

Bei der Stabilisierung der Flugbahn nach einem Einklapper mit der Bremse der offenen Seite ist die Veränderung des zur Verfügung stehenden Steuerweges zu berücksichtigen. Hierzu ein kleines Rechenbeispiel:
Nehmen wir einen seitlichen Einklapper von 70 % der Eintrittskante in Spannweitenrichtung mit einem Knickwinkel von 60 ° Grad zur Querachse. Ein richtig fetter Klapper, etwa 50 % der Fläche wirkt aerodynamisch nur noch als Widerstand. Wegen dieser drastischen Verkleinerung der Auftrieb erzeugenden  Restfläche steigt deren Strömungsabrissgeschwindigkeit um etwa 25 % an. Der Steuerweg der verbleibenden Bremsleine bis zum Strömungsabriss  ist also deutlich geringer. Statt etwa 80 cm (zuzüglich Leerweg) bei einem Intermediate nur noch 60 cm. Statt Hinternhöhe, Hüfthöhe.
Dies gilt aber nur, wenn sich der Schirm in einer normalen Anstellwinkelposition befindet. Ist der Schirm in dieser Situation hinter dem Piloten (hoher Anstellwinkel), ist er ohnehin näher am Strömungsabriss, der Steuerweg verkürzt sich abermals. Von Hüfthöhe auf Brusthöhe um beim obigen Beispiel zu bleiben. So ist es zu erklären, dass nach einem Einklapper bei großem Anstellwinkel bereits bei mäßiger Bremsleinenzug an der offenen Seite die Strömung einseitig abreißt.

Ein kleiner Anstellwinkel hat den gegenteiligen Effekt für die Länge des verfügbaren Steuerwegs. Er verlängert ihn. Schießt die Kappe deutlich vor dem Piloten, kann auch mit vollem Steuerleinenzug kein Strömungsabriss herbeigeführt werden. Klappt der Schirm aus einer Flugsituation mit kleinem Anstellwinkel großflächig ein, hat die Kappe zudem eine vergleichsweise hohe Geschwindigkeit. Anstellwinkel und Geschwindigkeit sind weit vom kritisch hohen bzw. kritisch langsamen Bereich entfernt. Das Gegenbremsen auf der offenen Seite muss deshalb mit einem relativ deutlichem Steuerausschlag erfolgen um stabilisierende Wirkung zu zeigen.

So verschieden das Geräteverhalten in unterschiedlichen Situationen also sein kann, so differenziert muss auch der Pilot in seinen Reaktionen vorgehen.

Bilderserie 1 - 8: Pilotenverhalten bei einem Einklapper aus dem Normalflug

Klappt der Schirm aus dem Normalflug ein, ist für kurze Zeit die bremsende, anstellwinkelerhöhende Komponente größer als die Tendenz des Schirmes um die eingeklappte Seite zu drehen. (Bilder 1 und 2). In dieser Situation darf der Pilot nicht deutlich gegenbremsen. Beginnt die Kappe im Ansatz wegzudrehen (Bild 3), sollte der Pilot die Bremse der offenen Seite betätigen, bis merkbarer Steuerdruck spürbar ist. Um das Wegdrehen im Ansatz zu verhindern reicht in der Regel ein Steuerleinenzug von ca. 20 - 40 cm. Über den Steuerdruck und die visuelle Kontrolle des Flugwegs, wird der Schirm nun kontrolliert. Der Steuerdruck signalisiert dabei folgendes Schirmverhalten;  Sinkender Steuerdruck, ist das Signal dass der Schirm schießt, es erfordert ein Nachbremsen, steigender Steuerdruck zeigt an, dass die Drehgeschwindigkeit langsamer wird oder gestoppt ist, der Pilot muss nun die Bremse wieder etwas freigeben. Plötzlich stark nachlassender Steuerdruck zeigt einen Strömungsabriss an, der durch sofortiges Freigeben der betroffenen Steuerleine im Ansatz beendet wird. Rasch stark zunehmender Steuerdruck ist das Zeichen, dass der Schirm in eine Drehbewegung beschleunigt. Der Pilot muss diese durch energisches Bremsen dämpfen bzw. stoppen.  Bei optimaler Pilotenreaktion, sollte ein Einklapper, wie ihn die Bilderserie zeigt, nach der auf Bild 4 gezeigten Situation wieder unter der Herrschaft des Piloten sein. Bei genügend Höhe kann die Energie des Schirmes jetzt durch ein kontrolliertes Weiterdrehen ganz abgebaut werden. In Boden- Hang- oder Hindernisnähe ist nun aber auch genügend Anstellwinkel- und Steuerwegreserve vorhanden um rasch in den Geradeausflug zu gelangen und sogar eine Richtungskorrektur zur offenen Seite zu ermöglichen.

Pilotenverhalten bei einem Einklapper mit schnellem Wegdrehen

Der Schirm ist mit kleinem Anstellwinkel eingeklappt,  befindet sich deutlich vor dem Piloten (auf der "Nase"), dieser folgt der Kappe als Gegenpendel praktisch ohne Verzögerung in eine sofortige Drehbewegung. Diese Situation verlangt ein umgehendes Eingreifen des Piloten durch Gegenbremsen auf der offenen, nicht eingeklappten Seite um Drehimpuls und Geschwindigkeit zu reduzieren. Es gilt zunächst, den anfangs starken Drehimpuls zu dämpfen, beim Gegenbremsen muss deutlicher Steuerdruck spürbar sein. Um dies zu erreichen, ist oft ein überraschend weites Anbremsen erforderlich. Verlangsamt sich die Drehung dadurch (häufig öffnet sich der Klapper jetzt schon teilweise), muss die Gegenbremse wieder etwas nachgelassen werden (entsprechend der Steuerdruckzunahme), da sich der Anstellwinkel der gebremsten Seite nun wieder vergrößert. Die Gefahr, einen Strömungsabriss durch das Gegenbremsen zu provozieren ist bei dieser Vorgehensweise gering. Vor der aktiven Wideröffnung des eingeklappten Flügels, sollte der Schirm vollständig unter Kontrolle des Piloten im stabilen Geradeausflug oder in eine leichten, kontrollierbare Drehung sein.

Pilotenverhalten bei einem Einklapper mit verzögertem Wegdrehen

Hier erfolgt zunächst keine Drehbewegung die es zu stabilisieren gilt. Ein Gegenbremsen wäre zudem mit akuter Strömungsabrissgefahr verbunden. In dieser Situation sollte der Pilot zunächst bewusst nicht mit den Bremsen agieren, sondern dem Schirm die Zeit geben um von hinten über den Piloten zu kommen um Fahrt aufzunehmen (Bild 3). Erst jetzt darf ,gefühlvoll und im oberen Steuerwegbereich, die Gegenbremse zur Stabilisierung der Flugbahn zum Einsatz kommen. Früher ist es auch nicht erforderlich, da die Kappe bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur eingeklappten Seite wegdreht.

 

 Zusammenfassung

- Bei einem Einklapper aus dem Normalflug ist die Phase mit hohem Anstellwinkel kurz, es schließt sich ein relativ rascher Übergang in eine Drehbewegung zu eingeklappten Seite an. Der Pilot darf erst dann mit dem Gegenbremsen beginnen, wenn der Schirm zu einer Drehbewegung ansetzt.
- Bei einem Einklapper während einer Nickbewegung nach vorne, ist die Phase mit hohem Anstellwinkel nicht vorhanden. Der Schirm gerät übergangslos in eine schnelle  Drehbewegung. Der Pilot muss sofort energisch gegen bremsen.
- Bei einem Einklapper während einer Nickbewegung nach hinten, ist die Phase mit hohem Anstellwinkel besonders ausgeprägt. Der Übergang in die Drehbewegung erfolgt allmählich. Der Pilot darf zunächst nicht gegen bremsen. Erst wenn der Schirm zur Drehbewegung ansetzt, darf mit dem Gegenbremsen begonnen werden.

 

Schnelles Wegdrehen des Schirmes nach dem Einklappen ist in der Praxis die deutlich häufigere Gefahrensituation. Das bestätigt auch die Unfallanalyse. Bei sieben von zehn Einklapper-Unfällen sind die Piloten nicht in der Lage gewesen, die Drehbewegung zur eingeklappten Seite unter Kontrolle zu bringen. Das Gegenbremsen erfolgte also nicht, zu spät oder zu wenig.
Deutlich weniger häufig führt ein Strömungsabriss (Trudeln) an der offenen Flügelseite durch zu starkes Gegenbremsen zu einem Unfall nach einem Einklapper.

Die visuelle Kontrolle
Unbedingt vermeiden; Blick zur Kappe während der Drehbewegung nach einem Einklapper

Nach einem Einklapper gilt es, die Reaktion des Schirmes zu erkennen. Dreht er nicht, langsam oder schnell weg. Diese Kontrolle funktioniert nicht, wenn man längere Zeit nach oben zur eingeklappten Kappe blickt. Denn dann fehlt der optische Bezug zum Horizont, der allein ein Einschätzen der Schirmreaktion und der Fluglage zulässt. Drehgeschwindigkeit, Höhenverlust, gefährliche Hang- Hindernis- oder Bodenannäherung, erforderliches stärkeres oder nachlassendes Gegenbremsen, all dies ist nur dann sicher einzuschätzen, wenn der Pilot in Flugrichtung blickt. Niemandem würde es einfallen, beim Kreisen oder bei einer Steilspirale nach oben in die Schirmkappe zu schauen. Sofort würde die Orientierung im Raum verloren gehen. Das gilt uneingeschränkt auch nach einem seitlichen Einklapper, der den Schirm ebenfalls, wenn auch unerwünscht, in einen mehr oder weniger ausgeprägten Kurvenflug zwingt. Leider ist das einfacher geschrieben als im Ernstfall getan. Denn die erste, instinktive Reaktion nach einem Einklapper ist meist, nach oben zu blicken und nachzuschauen was da los ist.  Eine fatale Art von "Problemfixierung" führt nach Einklappern häufig zum Unfall. Der Pilot fixiert nicht nur optisch den Klapper, sondern will auch noch so schnell wie möglich das Problem beheben, pumpt wie wild mit der Bremsleine der eingeklappten Seite und vergisst dabei das wichtigste, die Stabilisierung der Flugbahn. Die durch den Klapper verursachte Drehung und oft auch die rasche Hang- oder Bodenannäherung wird vom Piloten dabei nicht wahrgenommen. Denken wir einmal kurz an den Piloten eines zweistrahligen Passagierjets. Beim plötzlichen Ausfall eines Triebwerks wird die erste Maßnahme sein, das Flugzeug auf einem stabilen Flugweg zu halten. "Fly the aircraft", das hat jeder Flugzeugführer verinnerlicht. In allen Situationen zunächst das Flugzeug zu fliegen und nicht irgendwelche Störungen beheben. Erst wenn die Kontrolle vollständig wieder hergestellt ist, kann die Behebung der Störung angegangen werden.

Videobeispiel

Wiederöffnen des eingeklappten Schirmes

Falls der Schirm nicht selbständig ausklappt, ist ein aktives Wiederöffnen der eingeklappten Flügelteile erforderlich. Dazu sollte der Schirm über die Gegenbremse vollständig unter Kontrolle des Piloten sein. Dies ist im besten Fall ein stabiler Geradeausflug. Ist der Einklapper in dieser Situation noch sehr groß, darf oft nicht bis zum Geradeausflug gegengesteuert werden, weil dann die Strömung abreißen würde. In diesem Fall muss die Drehbewegung des Schirmes über die Gegenbremse bis zu einem kontrollierten Kurvenflug gedämpft werden.
Je stärker der Einklapper den Schirm über die Flächentiefe deformiert hat, desto unwilliger wird er öffnen. In der Regel ist dann auch die Hinterkante mit einem Teil der Steuerleinenanlenkung vom Einklapper betroffen. Beim Betätigen der Bremse auf der Einklappseite greifen oft nur die innersten Steuerleinenanlenkungen. Typisch ist in dieser Situation der geringe Steuerdruck auf der Bremse, der erst nach einem weiten Steuerausschlag anwächst. Der Pilot muss deshalb im Normalfall die Bremse an der eingeklappten Seite voll durchziehen, oft mehrmals, bis sich die Wirkung - beginnende Öffnung des Einklappers - zeigt. Auch hier ist stets auf den Steuerdruck zu achten. Steigt dieser, greift die Bremse stärker, der Klapper beginnt zu öffnen, die weitere Bremsbetätigung sollte nun mit geringerem Ausschlag erfolgen. Bleibt er gering, muss die Bremse noch weiter heruntergezogen werden. Je weiter der Klapper öffnet, desto mehr normalisieren sich Steuerdruck und Steuerweg.
Während des aktiven Öffnens blickt der Pilot in Flugrichtung und keinesfalls zum Einklapper um dort vielleicht die Fortschritte seiner Arbeit zu kontrollieren. Das Beobachten des Flugwegs sowie der Steuerdruck an der Bremse der offenen Seite geben die erforderlichen Informationen um den Schirm in dieser Situation zu kontrollieren.

Grundregeln zum Pilotenverhalten nach einem Einklapper

- Der Pilot blickt in Flugrichtung um seine Fluglage zu kontrollieren

- Durch Körperspannung und aktives Belasten der "hohen" Seite des   Sitzbretts wird ein    passives Abkippen im Gurtzeug verhindert

- Allein die Drehgeschwindigkeit des Schirmes bestimmt die Stärke des Gegenbremsens;
 - keine Drehung = kein Gegenbremsen,
 - beginnende mäßig schnelle Drehung = mäßiges Gegenbremsen,
 - beginnende schnelle Drehung = kräftiges Gegenbremsen
 - starke anhaltende Drehung = energisches, sehr kräftiges Gegenbremsen

- Beim Gegenbremsen auf den Steuerdruck achten; allmählich steigender Steuerdruck = Anstellwinkelvergrößerung, Bremse nachlassen, plötzlich stark ansteigender Steuerdruck = Beschleunigung in die Drehbewegung, nachbremsen, sinkender Steuerdruck = Kappe schießt vor, nachbremsen, plötzlich stark abfallender Steuerdruck = Strömungsabriss, Bremse sofort freigeben

- Anhaltende Drehbewegung mit extrem hohem Steuerdruck auf der Gegenbremsen ohne Verlangsamung oder mit Beschleunigung = Verhänger = sofort Rettungsgerät auslösen

- Aktives Wiederöffnen des Klappers erst, wenn die Drehbewegung des Schirmes vom Piloten voll kontrolliert wird. Wiederöffnung durch kräftiges Herunterziehen und Nachlassen der Steuerleine an der eingeklappten Seite.


Themen in Teil 2 des Einklapperberichtes
- Testflugergebnisse und Praxiserfahrungen
- Beschleunigte Einklapper
- Verhänger
- Gegenklapper
- Einseitiger Strömungsabriss durch Übersteuern
- "Totalzerleger"
- Training

 

Karl Slezak

DHV-Sicherheitsreferent